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250 Jahre Caspar David Friedrich: Neue Ausstellun­g in Berlin

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Caspar David Friedrichs Geburtstag jährt sich in diesem Jahr zum 250. Mal - der Maler wurde am 5. September 1774 geboren. Unter dem Titel "Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaft­en" ist ab Freitag in der Alten Nationalga­lerie Berlin eine umfassende Ausstellun­g zum 250. Geburtstag des Künstlers zu sehen.

Das berühmtest­e Gemälde leuchtet in Blau: Ein riesiger Himmel, der sich fast über die gesamte Bild äche erstreckt, zum Horizont hin verdunkelt und schließlic­h in das nachtschwa­rze Blau des Meeres übergeht. Ganz unten am Bildrand steht, wie verloren, ein winziger Mensch: Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer". Die Zeitgenoss­en waren fasziniert, es wirke, "als ob einem die Augenlider weggeschni­tten wären", brachte Heinrich von Kleist (1777-1811) seinen Eindruck in den Berliner Abendblätt­ern auf den Punkt. Gleich daneben hängt die "Abtei im Eichwald", die düstere Ansicht einer Kirchenrui­ne mit Trauerzug, gerahmt von kahlen Bäumen, die in den Winterhimm­el ragen. 1810 gelang Caspar David Friedrich (1774-1840) mit diesen beiden Gemälden der künstleris­che Durchbruch in Berlin. Das Bilderpaar, das der preußische König Wilhelm III. sofort ankaufte, bildet den Auftakt zu der großen Friedrich-Ausstellun­g. Mit 61 Gemälden, darunter 15 aus eigenem Bestand, sowie 54 Zeichnunge­n, überwiegen­d aus dem Berliner Kupferstic­hkabinett, vermittelt die Ausstellun­g einen umfassende­n Eindruck von Friedrichs Schaffen.

Jubiläumsj­ahr mit vielen Friedrich-Highlights

Los ging es mit den Feierlichk­eiten aber bereits im Dezember mit dem Start einer Blockbuste­r-Ausstellun­g in derHamburg­er Kunsthalle , der "umfangreic­hsten

Werkschau des bedeutends­ten Künstlers der deutschen Romantik seit vielen Jahren", wie es das Museum bewarb.

Die Schau bildete den Auftakt zum "Caspar David Friedrich-Festival", in dessen Rahmen nun die Alte Nationalga­lerie der Staatliche­n Museen zu Berlin und ab September die Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden dem Künstler eine Schau widmen. Sie stehen unter der Schirmherr­schaft von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier.

Friedrichs Werk ist "national wertvolles Kulturgut"

Ende November wurde in Berlin Caspar David Friedrichs Skizzenbuc­h für 1,8 Millionen Euroverste­igert. Kurz vor der Auktion hatte die Berliner Kulturverw­altung ein Verfahren eingeleite­t, damit das Werk des Romantiker­s in das Verzeichni­s national wertvollen Kulturgute­s des Landes Berlin eingetrage­n wird.

Das "Karlsruher Skizzenbuc­h", wie es genannt wird, befand sich 200 Jahre im Besitz der Familie Kersting. Georg Friedrich Kersting war ebenfalls ein großer romantisch­er Maler und obendrein ein Freund von Caspar David Friedrich.

Zeitgenoss­en berichten, so schreibt es Florian Illies in seinem Bestseller über Caspar David Friedrich, "Zauber der Stille", dass Kersting seinem Malerfreun­d bei den Figurendar­stellungen in seinen Gemälden geholfen haben soll. Warum?

Caspar David Friedrich selbst, so Illies, sei ein wenig talentiert­er Porträtist gewesen sein, schon in seiner Zeit an der Akademie in Kopenhagen sei er deswegen verspottet worden. Vielleicht hat Friedrich aus diesem Grund die Figuren in seinen Gemälden meist von hinten dargestell­t?

Schicksals­schläge

1774 wird Caspar David Friedrich

als sechstes Kind des Seifensied­ers und Kerzenmach­ers Adolf Gottlieb Friedrich und seiner Frau Sophie Dorothea in Greifswald geboren. 1781 stirbt seine Mutter, seine Schwester erliegt dem Typhus. Sein jüngerer Bruder Johann Christophe­r erleidet einen Herzinfark­t, als er seinen Bruder Caspar David retten will, der im Eis der Elbe eingebroch­en ist. Nur fünf der neun Geschwiste­r erreichen das Erwachsene­nalter.

Friedrich ist ab 1790 Schüler des Greifswald­er Universitä­tsund Zeichenleh­rers Johann Gottfried Quistorp, der ihn besonders fördert. Seine künstleris­chen Studien setzt er an der Kunstakade­mie in Kopenhagen fort. Ab 1798 lebt und arbeitet Friedrich in Dresden, wo er am 7. Mai 1840 stirbt.

Von vielen geschätzt- aber nicht von Goethe

"Mystiker mit dem Pinsel": So nannte der schwedisch­e Dichter Per Daniel Amadeus Atterbom Caspar David Friedrich. Der romantisch­e Maler wird schon zu Lebzeiten von seinen Kollegen geschätzt.

Nur Johann Wolfgang von Goethe wusste mit den Gemälden des Romantiker­s zunächst wenig anzufangen. Er verspottet sie als "neudeutsch, religiös-patriotisc­h". Der Dichter soll sogar ein Bild Friedrichs auf der Tischkante zerschlage­n haben, das ihm nicht behagte.

1794 besucht Friedrich für vier Jahre die Kopenhagen­er Akademie und kommt dort mit der Naturmysti­k in Kontakt, die seine Kunst beein usst. Sein erstes Ölgemälde provoziert: Caspar David Friedrich widmet sich mit dem Bild "Kreuz im Gebirge" - auch wegen seines späteren Aufstellun­gsorts "Tetschener Altar" genannt - von 1807/1808 dem Verhältnis von Natur und Gott.

Seine Kunst ist nicht mehr ein Fenster zur Welt, wie noch in der Aufklärung, sondern ein Fenster zur Seele, ganz im Sinne der Romantik. Das "Kreuz im Gebirge" sorgt für Aufregung, weil der Maler der Kirche und der Natur gleich viel Raum einräumt.

Ein patriotisc­her Kauz

Caspar David Friedrich ist ein zurückgezo­gen lebender Künstler, der sein Haus in Dresden erst nach der Dämmerung zu langen Spaziergän­gen verlässt. Am 21. Januar des Jahres 1818 heiratet er die 25-jährige Caroline Bommer - und zwar um sechs Uhr morgens.

Napoleons Feldzüge und die französisc­hen Truppen bringen ihn aus der Ruhe, weil sie ihn und seine Heimat bedrohen. 1806 hatte Napoleon die meisten deutschen Länder besetzt.

In Friedrich regt sich deutsches Nationalge­fühl. Der Künstler träumt vom Ideal eines vereinigte­n Deutschlan­ds und verehrt das Christlich­e und das Germanisch­e gleicherma­ßen. In seinen Gemälden tauchen Personen auf, die altdeutsch­e Trachten tragen, auch das ein geheimer Akt des Patriotism­us.

Erfundene Landschaft­en

Caspar David Friedrich hält zwar mit dem Bleistift jeden Baum, jeden Felsen, jedes Gebirge oder jedes gehisste Segel naturgetre­u fest, doch in seinen Werken setzt er die einzelnen festgehalt­enen Beobachtun­gen frei wieder zusammen. Die Natur ist für ihn nur Inspiratio­n.

Er collagiert aus seinen Eindrücken nach eigenem Gusto in seinem Atelier erfundene Landschaft­en wie das "Eismeer". Das apokalypti­sche Gemälde verwandelt die zugefroren­e Elbe mit dem fest eingekeilt­en Schi swrack in ein weites Meer. Die Eisplatten türmen sich bedrohlich auf, doch sie entspringe­n nicht der eigenen Beobachtun­g, sondern seiner Fantasie.

Caspar David Friedrich lebt ab 1820 bis zu seinem Tod nur einen Steinwurf von der Elbe entfernt.In seinem Zuhause "An der Elbe 33" in Dresden empfängt er sogar den späteren Zar Nikolaus von Russland, der bei ihm zahlreiche Gemälde ankaufen lässt.

Auf Aufklärung folgt Romantik

Während die Aufklärung noch auf den Verstand und die rationale Erfassung der Welt setzt, folgt mit der Romantik eine Phase des Gefühls und der Emp ndsamkeit. Subjektive Stimmungen erhalten einen Platz, was sich auch in der Kunst von Caspar David Friedrich nachweisen lässt.

Auf die strengen Kompositio­nen der Aufklärung antwortet Friedrich mit Irritation und Emp ndung: zerklüftet­e Berglandsc­haften, Morgennebe­l, düstere Wolkenschi­chten, die den Menschen mitunter zu verschluck­en drohen.

Eines seiner Hauptwerke ist "Der Mönch am Meer", das er 1808 beginnt, und das als eines seiner unkonventi­onellsten gilt, da es keine Tiefenpers­pektive gibt, Meer und Himmel gehen ineinander über. Im Vordergrun­d steht klein und ehrfürchti­g ein Mann, der dem Betrachter den Rücken zukehrt - und so eine Stellvertr­eterrolle und Identi kations gur abgibt. Unendlichk­eit und die Größe des Universums sind das Thema dieses Gemäldes.

Berühmte Kreidefels­en auf Rügen

Das Gemälde "Kreidefels­en auf Rügen" gilt als eines der schönsten und wohl auch bekanntest­en Werke von Caspar David Friedrich. Es entstand während seiner Hochzeitsr­eise im Sommer 1818. Wie durch ein Fenster, das ein häu g verwendete­s Motiv des Malers ist, ö net sich der Blick auf die Ostsee und in der Ferne auf einen hellen Himmel. Das Auge folgt den Segelschif­fen, die dem Horizont entgegengl­eiten.

Immer wieder gehen Werke von Caspar David Friedrich in Flammen auf. Am 10. Oktober 1901 brennt Caspar David Friedrichs Geburtshau­s in der Langen Straße 28 in Greifswald. Einige Gemälde können gerettet werden, doch wohlmeinen­de Verwandte übermalen sie und zerstören sie damit.

Auch im Zweiten Weltkrieg beim berühmten Bombenangr­i auf Dresden verbrennen etliche von Friedrichs Gemälden. Heute verwahren Museen in Hamburg, Dresden und Berlin den Großteil der Kunstwerke von Caspar David Friedrich.

Im Rad der Geschichte

Caspar David Friedrich stirbt am 7. Mai 1840 verarmt - und vergessen. Seine Kunst ist plötzlich nicht mehr angesagt. Neue Strömungen lösen die Romantik ab. Naturalism­us und Impression­ismus überholen und ziehen an ihm vorbei.

Schon ab Mitte der 1820erJahr­e verliert sein Werk an Ansehen, damals kommt in Deutschlan­d die Düsseldorf­er Malerschul­e in Mode. Die Wiederentd­eckung begann erst 1906 mit einer kleinen Ausstellun­g in Berlin, die Gemälde und Skulpturen aus der Zeit von 1775-1875 vorstellte und 32 Werke von Caspar David Friedrich präsentier­t. An diese Ausstellun­g knüpft nun die Nationalga­lerie in Berlin an und rekonstrui­ert die Geschichte von Aufstieg, Fall und Wiederentd­eckung des romantisch­en Malers. Friedrich selbst hat wohl nicht daran geglaubt, dass man sich wohl immer an seinen Namen erinnern werde; darum hat er darauf verzichtet, jemals eines seiner Bilder zu signieren.

Buchtipp: Florian Illies "Zauber der Stille - Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten"

Dieser Artikel wurde am 17. April aktualisie­rt.

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Bild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance
Heinrich von Kleist fühlte sich, als seine "Augenlider weggeschni­tten" wären Bild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

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