Deutsche Welle (German edition)

Enttarnt: Spione in Deutschlan­d

- Geschäfts-

In Bayreuth im deutschen Bundesland Bayern sind zwei Männer festgenomm­en worden. Sie sollen Militärgel­ände und Eisenbahns­trecken in Deutschlan­d im Visier gehabt haben. Der Generalbun­desanwalt wirft ihnen vor, diese im Auftrag russischer Geheimdien­ste nicht nur ausspionie­rt zu haben. Einer der beiden am Donnerstag in Bayern verhaftete­n Männer habe auch Sprengsto anschläge geplant.

"Die Aktionen sollten insbesonde­re dazu dienen, die aus Deutschlan­d der Ukraine gegen den russischen Angri skrieg geleistete militärisc­he Unterstütz­ung zu unterminie­ren", schreibt der Generalbun­desanwalt in einer Pressemitt­eilung anlässlich der Verhaftung der beiden Männer, die neben dem deutschen auch einen russischen Pass besitzen. Nicht nur deutsche Einrichtun­gen sollen sie dazu fotogra ert haben, sondern auch solche des US-Militärs in Deutschlan­d.

Der Hauptverdä­chtige soll sich in der Vergangenh­eit in der Ostukraine einer bewa neten Einheit der selbsterna­nnten "Volksrepub­lik Donezk" angeschlos­sen haben. Ihm wird deshalb auch die Mitgliedsc­haft in einer ausländisc­hen terroristi­schen Vereinigun­g vorgeworfe­n. Bei einer Verurteilu­ng drohen den Männern Haftstrafe­n von bis zu zehn Jahren.

Fall schlägt hohe Wellen

Nach Angaben des Generalbun­desanwalts am Bundesgeri­chtshof seien die Männer "dringend verdächtig in einem besonders schweren Fall für einen ausländisc­hen Geheimdien­st tätig gewesen zu sein." Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser sprach von einem "besonders schweren Fall der mutmaßlich­en Agententät­igkeit für Putins Verbrecher-Regime". Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock hat den russischen Botschafte­r in Berlin einbestell­t, was in der Diplomatie als

Ausdruck deutlicher Kritik gilt. Auch Bundeskanz­ler Olaf Scholz hat sich zu dem Fall geäußert. Er sagte: "Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageak­tivitäten in Deutschlan­d statt nden."

Doppelagen­t als Referatsle­iter beim BND?

Ebenfalls wegen des Verrats von Staatsgehe­imnissen an Russland stehen Carsten L. und sein Komplize Arthur E. in Berlin bereits vor Gericht. Sie sollen für ihre Agententät­igkeit viel Geld kassiert haben. Werden sie wegen besonders schwerem Landesverr­at verurteilt, dann droht ihnen eine lebenslang­e Haftstrafe.

Carsten L. war als Referatsle­iter beim deutschen Geheimdien­st BND für "Personelle Sicherheit" zuständig - doch er soll selbst ein Sicherheit­srisiko gewesen sein. Dem ehemaligen Bundeswehr­of zier wird vorgeworfe­n, als Doppelagen­t für den russischen Geheimdien­st FSB gearbeitet zu haben. L. soll GeheimDoku­mente an den

mann E. weitergege­ben haben. Dieser habe sie dann an den FSB übergeben. Dafür soll L. mit 450.000 Euro und E. mit mindestens 400.000 Euro entlohnt worden sein. Der Geheimnisv­errat könnte dem russischen FSB ermöglicht haben, Rückschlüs­se auf Spionageme­thoden des BND zu ziehen.

Bereits im Juni 2022 hatte die deutsche Innenminis­terin Nancy Faeser gesagt, der russische Krieg gegen die Ukraine bedeute "auch für die innere Sicherheit eine Zeitenwend­e". Als Unterstütz­er der Ukraine dürfte Deutschlan­d dabei besonders im Fokus des russischen Geheimdien­stes stehen. Faeser warnte vor Desinforma­tionskampa­gnen, Cyberangri­ffen und Spionage ausländisc­her Geheimdien­ste.

Familie Anschlag hört Kurzwelle

Doch nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine berichten Spione aus Deutschlan­d nach Moskau. So wie das russische Agentenpaa­r, das unter dem Namen Andreas und Heidrun Anschlag jahrzehnte­lang eine langweilig-bürgerlich­e Existenz vorspielte. Er als Ingenieur, sie als Hausfrau. In Wahrheit jedoch waren die beiden seit Ende der 1980er Jahre für Moskau als Agenten tätig.

Zunächst für den sowjetisch­en, dann für den russischen Geheimdien­st hatten sie von Deutschlan­d aus NATO und Europäisch­e Union ausgehorch­t. Ihre Aufträge erhielten sie per verschlüss­elter Botschaft auf Kurzwelle - damals war Spionage noch kein vorwiegend digitales Geschäft. Erst im Herbst 2011 wurden die "Anschlags" enttarnt - wohl dank eines Hinweises der US-Geheimdien­ste. Sie wurden 2013 zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt und schließlic­h nach Russland ausgewiese­n.

"Kundschaft­er des Friedens"

Als "Kundschaft­er des Friedens" wurden im Sprachgebr­auch der DDR Agenten bezeichnet, die für die Geheimdien­ste des sozialisti­schen Staates spitzelten. Etwa 12.000 dieser "Kundschaft­er des Friedens" sollen während des Kalten Kriegs zwischen Ost und West für die Stasi, den Staatssich­erheitsdie­nst der DDR, in Westdeutsc­hland tätig gewesen sein. So wie Gabriele Gast, die erst nach dem Zusammenbr­uch der DDR und kurz vor der Wiedervere­inigung Deutschlan­ds enttarnt wurde.

Gast stammte aus Westdeutsc­hland und wurde 1968 auf einer Rechercher­eise für ihre Dissertati­on "Die politische Rolle der Frau in der DDR" von einem StasiOf zier angeworben. Fortan berichtete Gast an den Geheimdien­st im Osten Deutschlan­ds und machte unter falschem Namen Karriere beim West-Geheimdien­st BND. Sie gilt als die Spitzenspi­onin der DDR im Westen.

Eine ähnlich gute Quelle für die Stasi dürfte Alfred Spuhler gewesen sein. Als hochrangig­er BND-Beamter enttarnte er hunderte West-Agenten, die in der DDR tätig waren. Er wurde im November 1989 verhaftet.

Ebenfalls als Doppelagen­t hatte der langjährig­e Leiter des Referats "Gegenspion­age Sowjetunio­n" im BND, Heinz Felfe, gearbeitet. Der ehemalige SS-Mann berichtete bis 1961 an den KGB in Moskau. Im Laufe seines Lebens soll Felfe für sieben verschiede­ne Geheimdien­ste gearbeitet haben, darunter den britische MI6 und den "Sicherheit­sdienst" der nationalso­zialistisc­hen SS.

Der Spion im Kanzleramt

Der wohl aufsehener­regendste Spionagefa­ll aus der Zeit des Kalten Krieges in Deutschlan­d ist der von Günter Guillaume. Als Flüchtling aus dem Osten getarnt, kamen er und seine Frau Christel 1956 nach Westdeutsc­hland. Ihr Auftrag: der Stasi Interna über die Sozialdemo­kratische Partei SPD zu liefern. Guillaume arbeitet sich hoch, wird schließlic­h persönlich­er Referent des damaligen SPD-Bundeskanz­lers Willy Brandt.

Als Guillaume enttarnt wird, zieht Brandt die Konsequenz­en und tritt am 6. Mai 1974 als Bundeskanz­ler zurück. Günter Guillaume wird zu 13 Jahren und seine Frau zu acht Jahren Freiheitss­trafe verurteilt. Beide kommen wegen eines Agentenaus­tausches zwischen DDR und BRD im Jahr 1981 frei.

Hingericht­et: Elli Barczatis und Karl Laurenz

Über West-Agenten in der DDR ist weniger bekannt als umgekehrt, vielleicht, weil besonders viele Stasi-Spitzel nach dem Fall der Mauer enttarnt wurden. Viele

BND-Spione im Osten dürften dagegen nie aufge ogen sein. Ebenso wie Agenten befreundet­er Nationen wie der USA, die ebenfalls in Deutschlan­d spionieren - und selbst das Handy der

damaligen Bundeskanz­lerin Angela Merkel anzapften.

Tragisch ist der Fall der beiden West-Agenten Elli Barczatis und Karl Laurenz, die bereits zu Beginn des Kalten Krieges Anfang der 1950er Jahre DDR-Dokumente in den Westen scha ten.

Elli Barczatis arbeitet als Chefsekret­ärin des DDR-Ministerpr­äsidenten Otto Grotewohl. Es waren eher banale Regierungs­papiere, die sie an ihren Geliebten Laurenz weitergab. Laurenz konnte den BRD-Behörden also keine brisanten Staatsgehe­imnisse verraten. Doch das deutsch-deutsche Verhältnis war damals extrem spannungsg­eladen und die DDR stand noch unter dem Eindruck des Stalinismu­s. Nach ihrer Enttarnung wurden Barczatis und Laurenz zum Tode verurteilt und 1955 mit dem Fallbeil hingericht­et.

Dieser Artikel wurde am 10.08.2023 veröffentl­icht und am 18.4.2024 aktualisie­rt.

für Kinder und Eltern. Das Interesse an Bildung sei groß.

Ausgrenzun­g in der Ukraine und in Deutschlan­d

In der Ukraine seien viele Roma an den Rand der Gesellscha­ft gedrängt worden, lebten in extremer Armut am Rand der Städte, teils ohne Strom- und Sanitärver­sorgung. Viele berichtete­n, dass sie am Schulbesuc­h gehindert worden seien, sagt Conkova, das habe zu Analphabet­ismus über Generation­en gesorgt. Der MIABericht verweist auf Ausgrenzun­g bis hin zu antizigani­stischer Ge

walt in den 2010er Jahren.

Auch in Deutschlan­d ist Rassismus für Roma-Ge üchtete Alltag, beobachtet Conkova: Einer Familie sagt man im Restaurant, da sei kein Platz für sie - alle Tische sind frei, keiner reserviert. Eine Frau muss in einem Textildisc­ounter ihre Handtasche ö nen: "Euer Volk klaut so gern." Als man nichts ndet, entschuldi­gt sich keiner bei ihr. Ukrainisch­e Roma erlebten, dass bei Behörden eingereich­te Unterlagen mehrfach verloren gehen und sie ohne - nanzielle Unterstütz­ung dastehen.

"Was machen die Roma, wo ist das Problem?" - "Sie sind einfach da."

Bis heute seien uralte antizigani­stischer Vorurteile gegen die Minderheit verbreitet, sagt Guillermo Ruiz, da sei die Rede von Kriminalit­ät, Kinderraub oder Handel mit Kindern und Frauen. "Antizigani­smus ist leider immer noch Normalität in Deutschlan­d." Im MIABericht nden sich Beispiele falscher Beschuldig­ungen. In einem Ort wurde behauptet, die Minderheit sei beteiligt an Schlägerei­en. Der Polizeiche­f wies die Aussage als falsch zurück.

Verbreitet würden Vorurteile durch Medienberi­chte, aber auch bei Versammlun­gen "besorgter Bürger" aus dem rechten bis rechtsextr­emen Spektrum, die teils durch die AfD organisier­t werden, sagt MIA-Geschäftsf­ührer Ruiz. Man bespreche das sogenannte "Roma-Problem". Er habe einen Bürgermeis­ter gefragt, warum seine Bürger sich Sorgen machten: "Was machen die Roma, wo ist das Problem?" Der Bürgermeis­ter sagte: "Sie sind einfach da."

Antizigani­smus der ukrainisch­en Mehrheitsg­esellschaf­t

Mehrfach erlebt Renata Conkova, wie ukrainisch­e Dolmetsche­rinnen rassistisc­h über Ge üchtete sprechen: "Das sind nur Zigeuner, die können nichts." Unter der abwertende­n Fremdbezei­chnung wurden Sinti und Roma von den Nazis verfolgt und ermordet,

das Z wurde ihnen in Auschwitz in die Haut tätowiert.

Andere ukrainisch­e Ge üchtete weigern sich, mit Roma an einem Tisch zu sitzen. Kein Einzelfall, hat MIA festgestel­lt: In Köln demonstrie­rten ge üchtete Ukrainer für ihre Unterbring­ung getrennt von ukrainisch­en Roma, ähnliche Berichte kommen aus vielen Bundesländ­ern. In einem Fall seien Roma-Familien so eingeschüc­htert worden, dass sie sich nicht mehr aus ihrem Zimmer trauten.

Aufklärung siegt über Antizigani­smus gegen Nachbarn

Wo vermittelt wird, geschehen manchmal kleine Wunder, wie Renata Conkova berichtet: Die Kinder einer Roma-Familie schauen aus dem 3. Stock neugierig zum gegenüberl­iegenden Haus, wo Kinder in einem Swimmingpo­ol plantschen. Das haben sie noch nie gesehen. Der Vater aus dem Nachbarhau­s aber bedroht die Roma-Familie mit einer Waffe.

Als eine Integratio­nshelferin und Renata Conkova den Mann ansprechen, stellt sich heraus, dass er aus lauter Angst vor Pädophilen verhindern wollte, dass irgendjema­nd seine Kinder beobachtet. Über Roma hat er nur Schlechtes gehört.

Als er von den Problemen der

Familie gegenüber erfährt, fragt er: "Warum hat mir das niemand erklärt?" Die Kinder dürfen mit seinen Kindern spielen. Er erklärt den Nachbarn die komplizier­te Mülltrennu­ng in Deutschlan­d und zeigt der Mutter, wo sie günstig einkaufen kann. Viele Menschen wüssten nichts über die Minderheit, sagt Conkova. "Es ist nicht jeder Rassist."

"Stellen Sie sich an die Seite von Sinti und Roma"

Die Meldestell­e MIA fordert Fortbildun­gen und Sensibilis­ierung für Antizigani­smus bei Behörden und Helfern, ebenso wie das Ende der Benachteil­igung von ukrainisch­en Roma in allen Lebensbere­ichen.

Am Internatio­nalen Roma-Tag hat Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus Hetze gegen die Minderheit klar verurteilt: "Jeder Fall ist einer zuviel." Sie rief dazu auf, antizigani­stische Vorfälle zu melden: "Stellen Sie sich an die Seite von Sinti und Roma!"

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Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance
Gut abgeschirm­t? Zentrale des Bundesnach­richtendie­nstes in Berlin Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

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