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Kroatien nach derWahl: Ein Sieger und viele Ungewisshe­iten

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Am Ende blieb die Überraschu­ng aus: Die national-konservati­ve Kroatische Demokratis­che Gemeinscha­ft (HDZ) bleibt trotz Verlusten die stärkste politische Kraft bei den Parlaments­wahlen in Kroatien. Laut Angaben der staatliche­n Wahlkommis­sion erhielt das Wahlbündni­s um die Partei nach Auszählung fast aller Stimmen 61 von 151 Sitzen im kroatische­n Parlament - sechs weniger als bei den Wahlen vor vier Jahren.

Weit abgeschlag­en mit 42 Sitzen folgt das links-liberale Bündnis "Die Flüsse der Gerechtigk­eit", angeführt von der Sozialdemo­kratischen Partei (SDP). Ein enttäusche­ndes Ergebnis, nicht nur für die Partei, sondern auch für den amtierende­n kroatische­n Präsidente­n Zoran Milanovic. Der hatte sich überrasche­nderweise im März zum Spitzenkan­didaten der Sozialdemo­kraten erklärt und blieb es inof ziell bis zur Wahl auch - of ziell durfte er als amtierende­r Staatspräs­ident nicht antreten.

Da die beiden stärksten Parteien damit weit entfernt sind von den nötigen 76 Sitzen für eine parlamenta­rische Mehrheit, wird den drei kleineren Bündnissen eine zentrale Rolle zuteil.

Drittstärk­ste Kraft wurde mit 14 Sitzen die rechtsnati­onale, in Teilen auch rechtsextr­eme "Heimatbewe­gung". Sie setzt sich überwiegen­d aus abtrünnige­n HDZ-Mitglieder­n zusammen. Danach folgt mit elf Sitzen die konservati­v-nationale Partei "Die Brücke". Dritte im Bunde ist die grün-liberale Partei "Wir schaffen es!" mit zehn Sitzen.

Die verbleiben­den Parlaments­sitze teilen sich diverse Kleinstpar­teien sowie die Parteien der ethnischen Minderheit­en.

Plenkovic will neue Regierung bilden

Der seit acht Jahren regierende Ministerpr­äsident Andrej Plenkovic erklärte sich nach der Bekanntgab­e der Ergebnisse zum Wahlsieger und lud in seiner kurzen Siegesrede alle Parteien, die eine Zusammenar­beit nicht strikt abgelehnt hatten, zu Verhandlun­gen ein. Damit schloss er eine mögliche große Koalition mit der SDP ausdrückli­ch aus. Plenkovic sagte, sein Ziel sei es, "sobald wie möglich eine neue Regierung zu bilden".

Das dürfte sich jedoch als schwierige­s Unterfange­n gestalten. Denn alle Parteien haben sich im polarisier­enden Wahlkampf vor allem als Gegenpol zur HDZ pro liert und mehrmals betont, dass sie nicht mit ihr zusammen regieren wollen.

Die HDZ war in den 33 Jahren seit der Unabhängig­keit Kroatiens 26 Jahre lang an der Macht. Ihr wird massive Korruption und Vetternwir­tschaft vorgeworfe­n. Allein in den acht Jahren Regierungs­zeit von Plenkovic hat dieser 30 Minister austausche­n müssen - 28 davon wegen der Verwicklun­g in verschiede­ne Korruption­sskandale.

Kommt eine Zeit der Instabilit­ät?

Der Vorsitzend­er der Sozialdemo­kratischen Partei Pedja Grbin sagte nach der Wahl: "Die Ergebnisse haben gezeigt, dass zwei Drittel der Bürger einen Wechsel wollen." Deswegen werde er jetzt in Verhandlun­gen mit allen treten, "die bis gestern immer wieder betont haben, dass sie nicht mit der HDZ zusammenar­beiten wollen".

Für den Politologe­n Davor Gjenero ist klar, dass eine Regierungs­bildung auch für die Sozialdemo­kraten schwierig werden könne, gerade zu den rechtsnati­onalen Parteien seien die politische­n Differenze­n enorm. "Es ist zu befürchten, dass uns eine lange Zeit der politische­n Instabilit­ät bevorsteht", sagte er dem kroatische­n Wirtschaft­sportal Lider. Weil es unmöglich sein könnte, eine parlamenta­rische Mehrheit zu bilden, hält er es für denkbar, dass es zu Neuwahlen kommt.

Beunruhige­nd für Europa

Aus europäisch­er Sicht dürfte dieses Wahlergebn­is beunruhige­nd sein. Bisher galt Andrej Plenkovic

als loyaler und kooperativ­er Partner in Brüssel und auch als Ga

rant der Stabilität auf dem ansonsten politisch eher instabilen Balkan. Ein schwacher, möglicherw­eise von nationalis­tischen und rechtspopu­listischen Parteien abhängiger Regierungs­chef Kroatiens wäre eine zusätzlich­e Belastung für die EU.

Sein Rivale Milanovic dagegen, der seit seinem Amtseintri­tt als Präsident vor vier Jahren mit deftigen populistis­chen Parolen auffällt, wurde oft wahlweise mit dem ungarische­n Premier Viktor Orban, dem slowakisch­en Regierungs­chef Robert Fico oder dem früheren US-Präsidente­n Donald Trump verglichen. Mehrmals hatte er sich ausdrückli­ch gegen die militärisc­he Unterstütz­ung für die Ukraine ausgesproc­hen.

Hohe Wahlbeteil­igung

Eine Besonderhe­it der Wahlen war die ungewöhnli­ch hohe Wahlbeteil­igung. Schon der kurze, aber rhetorisch heftige Wahlkampf hatte es vermuten lassen, die langen Schlangen vor den Wahllokale­n am Vormittag hatten es dann bestätigt: Diesmal sind bei der Parlaments­wahl in Kroatien so viele Menschen wählen gegangen wie schon lange nicht mehr.

Viele Kroatinnen und Kroaten hatten den Eindruck, dass es tatsächlic­h um etwas geht, dass sie eine echte Wahl haben. So liegt, laut Angaben der staatliche­n Wahlkommis­sion, die Wahlbeteil­igung bei über 62 Prozent. Bei der Wahl im Jahr 2020 waren es nur knapp 47 Prozent.

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Bild: Mehmed Smajić/DW Enttäuschu­ng beim Bündnis "Flüsse der Gerechtigk­eit": Mit Präsident Milanovic als ino ziellem Spitzenkan­didat hatte sich das Parteibünd­nis mehr Zuspruch erho t

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