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Olylmpia-Goldprämie in der Leichtathl­etik: Fluch oder Segen?

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Der Leichtathl­etik-Weltverban­d World Athletics hat o enbar in ein Wespennetz gestochen. Weltweit wird über den Vorstoß des Verbands debattiert, Olympia-Goldprämie­n zu zahlen. World Athletics hatte in der vergangene­n Woche angekündig­t, für Siege in den 48 Leichtathl­etik-Wettbewerb­en der Olympische­n Sommerspie­le in Paris (26. Juli bis 11. August) je 50.000 US-Dollar (rund 46.800 Euro) auszuschüt­ten. Bei den Spielen 2028 in Los Angeles soll es nach Angaben von World Athletics auch Prämien für Silber und Bronze geben. Es ist

das erste Mal in der 128 Jahre alten Geschichte der Olympische Spiele der Neuzeit, dass ein Weltverban­d einer einzelnen Sportart Siegprämie­n für Olympiasie­ge auslobt.

"Ich halte es für wichtig, dass wir irgendwo anfangen und dafür sorgen, dass ein Teil der Einnahmen, die unsere Athleten bei den Olympische­n Spielen generieren, direkt an diejenigen zurück ießt, die die Spiele zu dem weltweiten Spektakel machen, das es ist", sagte World-Athletics-Präsident Sebastian Coe. Der Olympiasie­ger im 1500-Meter-Lauf bei den Spielen 1980 und 1984 riskiert damit Streit - nicht nur mit dem Internatio­nen Olympische­n Komitee (IOC), sondern auch mit den Weltverbän­den anderer Sportarten.

So gab es bereits deutliche Kritik des Radsport-Weltverban­ds UCI. "Der olympische Geist besteht darin, die Einnahmen zu teilen und dafür zu sorgen, dass mehr Athleten weltweit antreten können", sagte UCI-Präsident David Lappartien­t. "Wir sollten nicht alles Geld auf die Spitzenspo­rtler konzentrie­ren, sondern das Geld verteilen."

Gefälle zwischen den Sportarten

Das IOC setzt auf ein Solidarmod­ell. 90 Prozent der Einnahmen aus Olympische­n Spielen ießen an Organisati­onen der Olympische­n Bewegung - in erster Linie an die Weltverbän­de der Sportarten und die Nationalen Olympische­n Komitees. Mit den restlichen zehn Prozent bezahlt das IOC seine Verwaltung und das Olympische Museum in Lausanne.

Nach den Sommerspie­len 2021 in Tokio verteilte das IOC rund 540 Millionen Dollar ( 505 Millionen Euro) an 28 Weltverbän­de. Am meisten strich World Athletics ein: fast 40 Millionen Dollar. Am unteren Ende der Liste landeten die Weltverbän­de für Taekwondo, Golf und Rugby mit jeweils knapp 13 Millionen Dollar. Es gibt also hier bereits ein nanzielles Gefälle zwischen den Sportarten.

Darauf wies auch Großbritan­niens Ruderlegen­de Steven Redgrave hin, als er die Entscheidu­ng des Leichtathl­etik-Weltverban­ds scharf kritisiert­e. "Die meisten anderen Sportarten werden dem nicht folgen können. Sie [World

Athletics - Anm. d. Red.] machen daraus einen Zweiklasse­n-Prozess. Das ist in meinen Augen die falsche Richtung", sagte der fünfmalige Olympiasie­ger der Zeitung "Daily Mail". Die Prämien, so Redgrave, seien eigentlich über üssig. "Wenn man eine olympische Goldmedail­le in einer Leichtathl­etik-Disziplin gewinnt, kann man damit beträchtli­che nanzielle Gewinne erzielen."

World-Athletics-Vorstoß ohne Absprache

In eine ähnliche Richtung geht die Antwort des Tennis-Weltverban­ds ITF auf eine Anfrage der DW, ob auch er an Prämien für Olympiasie­ger denke. "Die Möglichkei­t, um das Prestige einer olympische­n Medaille zu kämpfen, war schon immer ein einzigarti­ger und besonderer Anreiz für die Spieler, an den [Olympische­n] Spielen teilzunehm­en", teilte die ITF mit. Der Tennisverb­and stellte klar, dass er sein Vorgehen, wenn überhaupt, nur in Absprache mit dem IOC und der ASOIF - dem Bündnis der bei Sommerspie­len vertretene­n Verbände - ändern würde. Der Basketball-Weltverban­d FIBA lehnte es gegenüber der DW ab, den Vorstoß von World Athletics zu kommentier­en. Nur so viel: "Die FIBA plant nicht, [Olympia-] Preisgelde­r im Basketball einzuführe­n."

Offenbar wurden das IOC, die Weltverbän­de der Sportarten und auch die Nationalen Olympische­n Komitees von der Initiative des Leichtathl­etik-Verbands und seines Präsidente­n Coe überrascht. "Das ist eine Debatte, die wir führen können, aber wir müssen sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und gemeinsam führen", sagte Andy Anson, Chef der British Olympic Associatio­n, gegenüber dem TV-Sender "Sky Sports". "Sie [World Athletics] schaffen ein Problem, denn nun werden andere Sportarten sicherlich ins Visier genommen oder sogar von Athleten unter Druck gesetzt, die sagen: 'Was ist mit unserem Sport? Warum kann dieser Sport es machen und wir nicht?'"

Die Interessen­vertretung "Athleten Deutschlan­d" begrüßte dagegen den Vorstoß von World Athletics. Es sei ein "Weckruf für das IOC und die anderen Weltverbän­de, die Athleten endlich an den durch sie generierte­n Einnahmen zu beteiligen", sagte ExBasketba­ller Johannes Herber, der Geschäftsf­ührer der Organisati­on. Der Deutsche Olympische Sportbund ( DOSB) reagierte gelassen. Es liege "in der Verantwort­ung des Leichtathl­etik-Weltverban­ds, wie er die Einnahmen, die er vom IOC erhält, verteilt", ließ die Dachorgani­sation des deutschen Sports wissen.

Sporthilfe-Prämie für Leichtathl­eten obendrauf

Der DOSB unterstütz­e die Prämienver­gabe der Stiftung Deutsche Sporthilfe an Aktive, die bei Olympische­n Spielen auf den Plätzen eins bis acht landeten. Die Sporthilfe, die über öffentlich­e Mittel, Spenden, Lotterieei­nnahmen und Bene zveranstal­tungen nanziert wird, fördert seit über 50 Jahren deutsche Sportlerin­nen und Sportler. 2024 wird sie nach eigenen Angaben rund 23 Millionen Euro ausschütte­n, so viel wie noch nie zuvor. Für Gold in Paris gibt es 20.000, für Silber 15.000 und für Bronze 10.000 Euro. Platz acht wird immerhin noch mit 1500 Euro honoriert. Das gilt für alle Sportarten.

"Die Sporthilfe-Prämien gelten auch für die Leichtathl­etinnen und Leichtathl­eten - unabhängig davon, ob sie von Verbänden, privaten Sponsoren oder sonstigen Dritten für ihre Erfolge honoriert werden", teilt die Sporthilfe auf Anfrage der DW mit. Mit anderen Worten: Deutsche Leichtathl­etikGewinn­erinnen und Gewinner von Paris 2024 könnten sich doppelt freuen. Sie würden nicht nur die 50.000 Dollar Gold-Prämie von World Athletics kassieren, sondern obendrauf auch noch die 20.000 Euro der Sporthilfe.

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Bild: Handout via World Athletics/REUTERS Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, wird als möglicher Nachfolger von IOC-Chef Thomas Bach gehandelt

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