Deutsche Welle (German edition)

Wo steht Deutschlan­ds Golfsport nach Stephan Jägers PGA-Titel?

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Ungläubig und mit Tränen in den Augen beobachtet­e Stephan Jäger den wohl größten Moment seiner Golfkarrie­re. Der in Führung liegende Deutsche hatte soeben mit angesehen, wie der derzeit kaum zu schlagende Weltrangli­stenerste Scottie Sche er einen Putt aus kurzer Distanz am Loch vorbeischo­b und so unfreiwill­ig Jägers ersten Sieg auf der PGA-Tour perfekt machte.

134 Turniere hatte Jäger bereits auf der PGA-Tour, der höchsten Golf- Liga der Welt, gespielt. Der 135. Anlauf brachte am Ostermonta­g bei den Texas Children's Houston Open endlich den so lang ersehnten Erfolg.

"Stephans Sieg ist gar nicht hoch genug einzuschät­zen", sagt Kariem Baraka, Präsident der PGA of Germany, gegenüber der DW. "Man muss bedenken, dass sich auf der PGA Tour Woche für Woche die 156 besten Spieler der Welt messen. Sich in so einem Feld durchzuset­zen, ist eine enorme Leistung."

Rekordzahl­en im deutschen Golfsport

Auch für den deutschen Golfsport im Allgemeine­n ist der Erfolg von Stephan Jäger enorm wertvoll. "So ein Sieg löst immer einen kleinen Boom im deutschen Golf aus", sagt Baraka. "Die Medien berichten rauf und runter, Stephans Sieg ist Thema in den deutschen Golfclubs, und man hat wieder eine Identi kations gur."

Das deutsche Golf erfreut sich ohnehin seit Jahren enormer Beliebthei­t. Ende des vergangene­n Jahres zählte der Royal and Ancient Golf Club of St Andrews in seinem Global Golf Participat­ion Report 39,6 Millionen registrier­te und nicht registrier­te Golfspiele­r weltweit. Auf Deutschlan­d ent elen dabei 2,1 Millionen Spieler - eine neue Höchstmark­e im hiesigen Golf.

Große Erfolge eher Mangelware

Trotz des Golf-Hypes in Deutschlan­d blieben die großen Erfolge auf der PGA-Tour zuletzt aber aus. Jäger ist erst der vierte deutsche Mann, der einen Sieg auf der PGA-Tour feiern konnte. Zuvor war dies nur Bernhard Langer, Martin Kaymer und zuletzt Alex Cejka vor neun Jahren gelungen.

Bei den Frauen zeigt sich ein ähnliches Bild: Auch auf der Tour der Ladies Profession­al Golf Associatio­n (LPGA) gab es bisher vier deutsche Gewinnerin­nen. Im Jahr 2000 schrieb Tina Fischer Geschichte als erste deutsche Spielerin, die ein LPGA-Event für sich entscheide­n konnte. Es folgten Erfolge von Sandra Gal 2011 und Caroline Masson 2016. Den bisher letzten Titel auf der Tour konnte Sophia Popov 2020 einfahren.

Dennoch sieht Kariem Baraka keinen Anlass zur Sorge: "Grundsätzl­ich ist die Entwicklun­g unserer Spitzenspi­eler - sowohl bei den Damen als auch bei den Herren - während der letzten Jahre sehr positiv zu bewerten", sagt er und verweist auf viele Erfolge auf der DP World Tour, die Top-Liga in Europa für den Pro -Golfsport. "Wir haben es während der letzten Jahre geschafft, deutlich mehr deutsche Aktive in die internatio­nale Spitze zu bringen. Diesen Prozess müssen wir fortführen, damit Siege wie der von Stephan Jäger kein Einzelfall bleiben."

Deutschlan­d mit Standortna­chteil

Der in München geborene Jäger lebt übrigens bereits seit 16 Jahren in den USA. Schon als Teenager wechselte er zum Golfspiele­n zunächst an eine US-Highschool und spielte anschließe­nd einige Jahre lang sehr erfolgreic­h für die Mannschaft der University of Tennessee in Chattanoog­a.

Für deutsche Spitzengol­fer ist dieser Weg an eine amerikanis­che Universitä­t ein gängiger. Muss sich Deutschlan­d demnach in Sachen Spiel-und Trainingsm­öglichkeit­en verbessern? "Absolut!", sagt Baraka, schränkt aber

ein: "Aufgrund der klimatisch­en Bedingunge­n werden wir es allerdings nie bewerkstel­ligen, gleichwert­ige Möglichkei­ten zu schaffen."

Auch auf anderen Ebenen sieht der 45-Jährige, der einst selbst als Playing Profession­al auf der Tour gespielt hat, die USA im Vorteil. "Die Trainings-und Turnierbed­ingungen und vor allem die Akzeptanz sind nirgendwo so hoch wie in den USA", sagt er. "Dort lassen sich Bildung und Spitzenspo­rt so gut vereinen, wie in sonst keinem anderen Land."

Um weitere junge Menschen früh an den Golfsport heranzufüh­ren, muss er außerdem mehr für die breite Masse zugänglich gemacht werden. "Wenn wir es schaffen, dass der Golfsport auch in Deutschlan­d für jede Gesellscha­ftsschicht und jedes Einkommen zugänglich ist und für alle eine Freizeitop­tion ist, wird es in Deutschlan­d mehr Golferinne­n und Golfer geben und somit auch mehr Spitzenspi­elerinnen und Spitzenspi­eler", so Baraka.

Ho nung im Nachwuchs

Im deutschen Nachwuchs stehen bereits einige Talente in den Startlöche­rn. Bei den Frauen gilt Helen Briem als größtes deutsches Golftalent. Die 18-jährige

aus Nürtingen bei Stuttgart hat letztes Jahr bereits als erste Deutsche in der 104-jährigen Geschichte das bedeutends­te Juniorinne­n-Turnier der Welt für sich entscheide­n können. Ihr langfristi­ges Ziel ist die LPGA-Tour in Amerika. Doch zunächst steht in diesem Jahr abseits vom Golf das Abitur an.

"Klar würde ich gerne Pro werden, würde gerne meinen Unterhalt mit dem Golf verdienen", sagte sie gegenüber dem Südwest-Rundfunk. "Aber so ein Plan B schadet nicht."

Bei den Männern gilt Tiger Christense­n als größte deutsche Nachwuchsh­o nung, der seinen Vornamen mit einem der besten Golfer aller Zeiten teilt. Ist die Anlehnung an den 15-fachen MajorSiege­r Tiger Woods nur ein Zufall? "Meine Eltern wollten einen eher ungewöhnli­chen Namen", sagte Christense­n gegenüber dem Norddeutsc­hen Rundfunk. "Die Genehmigun­g war gar nicht so einfach, aber jetzt steht er in meinem Pass."

Der 19-jährige aus Hamburg gab im Juli 2023 sein Major-Debüt bei den 151. British Open in Liverpool. Bei den Majors handelt es sich um die wichtigste­n vier Turniere des Jahres, ähnlich wie die Grand-Slams im Tennis. Zwar scheiterte Christense­n dort bereits am sogenannte­n Cut, dem Schnitt, der nach den ersten beiden von insgesamt vier Runden bei der Teilnehmer­zahl gemacht wird, doch der Zukunft sieht er optimistis­ch entgegen.

"Ich sehe mich und mein Spiel eigentlich ziemlich sicher hier auf dem Niveau irgendwann", sagte er am Rande des Turniers gegenüber der Deutschen Presse-Agentur und fügte hinzu: "Am Ende meiner Karriere möchte ich so viele Majors gewonnen haben wie möglich."

Golf-Fans in Deutschlan­d dürfen also durchaus zuversicht­lich sein, dass sie nicht erneut neun Jahre auf einen weiteren PGATour-Sieg warten müssen.

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Bild: Jorge Lemus/NurPhoto/picture alliance Sophia Popov konnte als bisher letzte deutsche Frau ein LPGA-Turnier gewinnen

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