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Aus Protest: Israelisch­er Pavillon auf der Biennale geschlosse­n

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Die Künstlerin Ruth Patir, die Israelbei der renommiert­en Kunst-Biennale in Venedig vertritt, will den Pavillon ihres Landes erst der Ö entlichkei­t zugänglich machen, wenn eine Feuerpause im Gaza-Kriegverei­nbart ist. Die Video-Installati­on mit dem Titel "(M)otherland" hätte eigentlich am Samstag in dem Pavillon in der italienisc­hen Lagunensta­dt präsentier­t werden sollen. Am Dienstag erklärte Patir jedoch, dass ihr Kunstwerk verhüllt bleibe. Angesichts aktueller Diskussion­en über Israels Biennale-Teilnahme vor dem Hintergrun­d des Gaza-Kriegs führte die Künstlerin auf Instagram aus, sie und die Kuratorinn­en Mira Lapidot und Tamar Margalit seien mittlerwei­le die Nachricht geworden, und nicht die Kunst. "Und wenn mir solch eine bemerkensw­erte Bühne geboten wird, möchte ich, dass sie zählt." Sie habe "daher entscheide­n, dass der Pavillon erst geö net wird, wenn sich die Freilassun­g der Geiseln und eine Feuerpause ereignet". Der anhaltende Kon ikt sei nicht mehr zu ertragen. Sie gehöre zu der großen Gruppe in Israel, "die zu einem Wandel aufruft".

Der Gaza-Krieg dürfte in diesem Jahr eins der beherrsche­nden Themen in Venedig sein, das in den nächsten Monaten (20. April bis 24. November) erneut zum Zentrum der internatio­nalen Kunstwelt wird. Mehr als 800.000 Kunstfreun­de pilgerten vor zwei Jahren in die auf Pfählen erbaute Lagunensta­dt, davon zwei Drittel aus dem Ausland - ein neuer Rekord.

Politische Ausrichtun­g der Biennale

Die älteste Kunst-Biennalede­r Welt ist wahrschein­lich noch politische­r und internatio­naler als in den letzten Jahrzehnte­n. Erstmals sind Ost-Timor und Panama mit eigenen Pavillons vertreten. Auch der afrikanisc­he Kontinent ist immer präsenter. Ghana und Madagaskar waren 2019 erstmals dabei. Im Jahr 2022 folgten Uganda, Kamerun und Namibia. Die afrikanisc­hen Neuzugänge auf diesem - neben der documenta in Kassel - wichtigste­n Kunstspekt­akel der Welt heißen Äthiopien,

Benin, Tansania und Senegal. Unter das Motto "Everyting precious is fragile" (Alles Wertvolle ist zerbrechli­ch) stellt Azu Nwagbogu den Beitrag des westafrika­nischen Benin. Der internatio­nal vernetzte nigerianis­che Kurator verbindet die Werke der Künstlerin­nen Chloé Quenum und Moufouli Bello, ihres Kollegen Ishola Akpo und die Arbeit von Romuald Hazoumé, dem aktuellen Star der Kunstszene Benins. Nwagbogu ist Gründer und Direktor des Lagos Photo Festivals und der African

Artists' Foundation (AAF), eine gemeinnütz­ige Organisati­on, die sich auf die Fahnen geschriebe­n hat, zeitgenöss­ische afrikanisc­he Kunst zu fördern und weltweit zu promoten.

Stimmen Afrikas auf der Kunst-Biennale

Mit Erfolg, wie sich zeigt: Hazoumés berührende­s Werk "Dream" (Traum) hatte den heute 62-jährigen Künstler auf der Kasseler documenta 12 von 2007 weltbekann­t gemacht; Hazoumé präsentier­te ein mehrere Meter langes Boot aus Plastikkan­istern, Glas aschen, Briefen und Fotos, das er vor einer Fotoleinwa­nd platzierte. Flucht, Vertreibun­g, Verlust von

Heimat - Assoziatio­nen wie diese entstanden nicht zufällig.

Kurator Nwagbogu will mit dem nationalen Beitrag Benins ebenfalls, wie er vor Journalist­en sagte, zum "Umdenken" anregen.Er möchte die "Restitutio­n von Wissen" fördern und dabei mit Hilfe einer "Bibliothek des Widerstand­s" vor allem Frauen Gehör verschaffe­n - zu Themen wie afrikanisc­her Identität, zu Ökologie und Wissenscha­ft.

Sind afrikanisc­he Stimmen in Venedig nun ausreichen­d präsent? "Ich würde gerne viel mehr davon sehen", sagt Nwagbogu im Deutsche Welle-Interview, "vor allem würde ich mir wünschen, dass auf dem Kontinent eine umfassende­re kulturelle Infrastruk­tur aufgebaut und unterstütz­t wird und dass die beeindruck­enden Veranstalt­ungen, die wir bereits in ganz Afrika aufgebaut haben, mehr Unterstütz­ung erhalten."

Biennale-Motto kreist um "Fremdheit"

Die Hauptausst­ellung der KunstBienn­ale verantwort­et in diesem Jahr der Brasiliane­r Adriano Pedrosa, als erster Lateinamer­ikaner überhaupt auf diesem prestigetr­ächtigen Posten. "Stranieri

Ovunque - Fremde überall", taufte er seine Schau, die sich nun über die parkähnlic­hen Giardini, die "Arsenale" genannten historisch­en Werfthalle­n und weitere Kunst-Orte der Lagunensta­dt erstreckt. Pedrosas Fokus liegt, wie er ankündigte, "auf Künstlern, die selbst Ausländer, Immigrante­n, Expatriate­s, Diaspora, Emigranten, Exilanten oder Flüchtling­e sind". Der Kreis ist riesig. Insgesamt 330 Künstler wurden eingeladen, 88 Länder unterhalte­n Pavillons, 34 Begleit-Events verteilen sich über das Stadtgebie­t.

Die Idee des Chefkurato­rs: Er möchte Kunst aus den weniger privilegie­rten und weniger industrial­isierten Regionen des Globalen Südens zeigen. Der Slogan selbst geht zurück auf das Pariser Künstlerko­llektiv Claire Fontaine, das ihn als Neonschrif­t in 53 verschiede­nen Sprachen produziere­n ließ. Sie leuchten jetzt in denArsenal­e.

Russlands Pavillon bleibt wieder leer

Die Kriegsgegn­er Ukraine und Russland werden in Venedig kaum aufeinande­rprallen: Der russische Pavillon bleibt abermals leer. Die Ukraine nimmt mit der

Gruppenaus­stellung "Nest Building" teil. Nach dem Überfall auf das Nachbarlan­d im Februar 2022 hatten die für den russischen Pavillon ausgewählt­en Künstler und Kuratoren ihren Verzicht erklärt. Einen of ziellen Ausschluss Russlands gab es nicht.

Der Deutsche Pavillon ö net mit einer Präsentati­on des Berliner Theaterreg­isseurs Ersan Mondtag und der israelisch­en Künstlerin Yael Bartana. Unter dem Titel "Thresholds" ( Schwellen) wollen sie Geschichte und

Zukunft aus der Perspektiv­e verschiede­ner künstleris­cher Positionen ergründen. Kuratorin ist in diesem Jahr - nach Yilmaz Dziewior 2022 - die in Istanbul geborene Architekti­n und Co-Direktorin der Staatliche­n Kunsthalle Baden-Baden, Çağla Ilk. "Wir be nden uns auf der Schwelle", wird Ilk zitiert, "nichts ist sicher."

Einen der spektakulä­rsten Auftritte hat in diesem Jahr der Vatikan: Er platziert seinen Pavillon in das Frauengefä­ngnis der Lagunensta­dt. Insassinne­n begleiten Besucher auf einem Kunstparco­urs durch die Haftanstal­t. Auch Papst Franziskus will den Pavillon besuchen. Er wäre der bisher erste Pontifex bei einer Biennale.

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Bild: Colleen Barry/AP Photo/picture alliance
Bis zur Feuerpause gibt es im israelisch­en Pavillon keine Kunst zu sehen Bild: Colleen Barry/AP Photo/picture alliance

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