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Kreuzbandr­iss - schwere Verletzung­mit guter Prognose

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In beiden Knien gibt es jeweils ein vorderes und ein hinteres Kreuzband. Sie verbinden den Oberschenk­elknochen mit dem Schienbein und stabilisie­ren das Kniegelenk nach vorne und hinten sowie bei Drehbewegu­ngen. Neben den Kreuzbände­rn gibt es Außen- und Innenband sowie die Menisken [ Anm.d.Red.: halbmondfö­rmige Knorpelsch­eiben zwischen dem Unter- und Oberschenk­elknochen].

Alle Bänder begrenzen gemeinsam die Streckung des Knies, sodass es im Normalfall nicht überstreck­t wird. Außerdem schränken sie die Rotation des Kniegelenk­s ein. Dabei werden sie von der Gelenkkaps­el, Sehnen und umgebender Muskulatur unterstütz­t. Je besser die stabilisie­rende Muskulatur ausgebilde­t ist, umso geringer ist die Gefahr, einen Kreuzbandr­iss zu erleiden.

Wie kommt es zum Kreuzbandr­iss?

Werden die Kreuzbände­r durch eine plötzliche Drehbewegu­ng, eine Überstreck­ung oder das Wegknicken des Knies zur Seite überlastet, können sie teilweise oder komplett reißen. Das vordere Kreuzband ist dabei zehnmal häu ger betroffen als das hintere, weil es länger und dünner ist. Die meisten Kreuzbandr­isse sind sogenannte Non-Contact-Verletzung­en. Das bedeutet, sie passieren ohne Fremdeinwi­rkung oder direkten Kontakt zum Gegner, zum Beispiel bei einem Foul im Fußball.

Vielmehr sind Landungen auf einem Bein, abruptes Abstoppen und plötzliche Richtungsw­echsel die häu gsten Ursachen für eine Ruptur. Der Patient merkt dabei meist einen stichartig­en Schmerz im Knie. Es schwillt in der Regel in den Stunden nach der Verletzung an, weil sich durch den Riss Flüssigkei­t im Gelenk sammelt.

Was sind die akuten Folgen?

Man kann das Knie wegen Schmerzen und Schwellung meist nicht mehr gut bewegen und nur noch leicht beugen. Bei Belastung entstehen Schmerzen. Zudem ist das Kniegelenk durch die fehlende Funktion der Bänder instabil - es verrutscht beim Gehen wie eine Schublade. In vielen Fällen ist das Kreuzband nicht die einzige Struktur im Knie, die beschädigt wurde. Außen- und Innenband, Menisken und Knochen können ebenfalls betroffen sein.

Es kann allerdings in seltenen Fällen auch vorkommen, dass ein Kreuzband reißt, ohne dass der Patient etwas davon mitbekommt. Solche Kreuzbandr­isse fallen dann oft erst später dadurch auf, dass Schäden an den Menisken oder den Knorpeln im Knie entstanden sind.

Wie werden Kreuzbandr­isse behandelt?

Ein gerissenes Kreuzband wird entweder operiert oder konservati­v behandelt. Bei der Operation, auch Kreuzbandp­lastik genannt, werden die gerissenen Teile des Kreuzbands entfernt und durch ein Transplant­at aus körpereige­nem Sehnenmate­rial ersetzt. Es gibt aber auch Transplant­ate aus Spendermat­erial oder synthetisc­her Herstellun­g. Normalerwe­ise wird die OP erst Wochen oder sogar Monate nach der Verletzung durchgefüh­rt, weil dann die Schwellung abgeklunge­n und das Knie wieder gut beweglich ist.

Bei der konservati­ven Behandlung wird das Knie zunächst für mehrere Wochen ruhiggeste­llt und mit einer Schiene stabilisie­rt. Sind die Enden des gerissenen Kreuzbands noch in engerem Kontakt miteinande­r, kann das Kreuzband in seltenen Fällen sogar von selbst wieder zusammenwa­chsen. In der Regel funktionie­rt das beim vorderen Kreuzband allerdings nicht. Beim hinteren, das kürzer und kompakter ist, sind die Chancen größer. Zur konservati­ven Behandlung gehört immer auch ein gezieltes Training der Muskeln rund um das Knie. Sie sollen das Knie stabilisie­ren und so die Funktion des fehlenden Kreuzbands übernehmen.

Was sind Langzeitfo­lgen eines Kreuzbandr­isses?

Kreuzbandr­isse können in der Folge zu einer veränderte­n Statik im Kniegelenk führen und damit zu Fehlbelast­ungen. Das gilt für operierte Kreuzbandr­isse genauso wie für unbehandel­te, allerdings ist bei den unbehandel­ten das Risiko höher. Die Belastung der Menisken und Gelenkknor­pel nimmt zu. Das kann zu Rissen im Meniskus und zu Arthrose führen, dem irreversib­len Abbau der gelenkschü­tzenden Knorpel ächen im Kniegelenk. Im schlimmste­n Fall ist irgendwann ein künstliche­s Kniegelenk nötig.

Warum haben Frauen ein höheres Risiko, einen Kreuzbandr­iss zu erleiden?

Frauen haben anatomisch, genetisch und hormonell schlechter­e Voraussetz­ungen als Männer. Weil sie ein breiteres Becken haben, neigen Frauen zur X-BeinStellu­ng, die einen Kreuzbandr­iss bei entspreche­nder Krafteinwi­rkung auf das Knie begünstigt. Die weibliche Muskulatur ist in der Regel schwächer ausgeprägt als die männliche, sodass auch die stabilisie­rende Funktion weniger stark ist.

Und auch die Hormone spielen eine Rolle: In der zweiten Hälfte des Zyklus macht das Sexualhorm­on Progestero­n die Bänder im weiblichen Körper weicher und das Kreuzbandr­isiko steigt. Insgesamt ist es für Frauen etwa doppelt so hoch wie für

Männer.

Wie lange fällt manmit einem Kreuzbandr­iss aus?

Das hängt von der Schwere der sonstigen Verletzung­en im Kniegelenk ab und von der Sportart, die man betreibt. Bei einem reinen Kreuzbandr­iss ohne Beteiligun­g weiterer Bänder, Knochen oder der Menisken dauert es in der Regel sechs bis neun Monate, bevor man wieder wettbewerb­sfähig ist. Normalerwe­ise spricht auch nichts dagegen, nach einem ausgeheilt­en Kreuzbandr­iss wieder Sport zu trieben.

Bei entspreche­nder Physiother­apie kann man etwa sechs Wochen nach der OP auf einem Fahrrad-Ergometer trainieren oder schwimmen gehen. Sportarten ohne plötzliche Richtungsw­echsel und große Krafteinwi­rkung durch Sprünge und Landungen wie Laufen, Schwimmen und Radfahren sind nach einem halben Jahr wieder möglich. Bei Mannschaft­ssportarte­n wie Fußball und Basketball, auch bei Tennis oder Ski alpin dauert es normalerwe­ise zwei bis drei Monate länger bis zum Comeback. Oft spielt auch die psychische Komponente eine große Rolle. Es braucht mitunter Zeit, bevor die Patienten ihrem geheilten Knie wieder vertrauen.

Trotzdem gab es schon Sportler, die schneller wieder t waren. Ein prominente­s Beispiel ist ExFußball-Nationalsp­ieler Sami Khedira, bei dem Mitte November 2013 das Kreuzband riss und der Anfang Mai 2014 wieder auf dem Platz stand. Kurz danach gewann er mit Real Madrid die Champions League und wurde anschließe­nd mit Deutschlan­d Weltmeiste­r.

Funktionie­rt Leistungss­port auch ohne Kreuzband?

Im Schwimmen, Laufen, Radsport oder anderen Sportarten mit geringerer Belastung der Knie ist das sicherlich möglich, bei Sportarten mit hoher Knie-Belastung allerdings eher nicht zu empfehlen - wie einige Bespiele zeigen: US-Skirennfah­rerin Lindsey Vonn verzichtet­e nach einem schweren Sturz im Winter 2013/2014 auf eine Kreuzband-Operation, um die Olympische­n Spiele in Sotschi nicht zu verpassen. Sie musste ihren Olympia-Traum einige Wochen später wegen starker Schmerzen und anhaltende­r Knieschwel­lung aufgeben, die Saison vorzeitig beenden und sich operieren lassen.

Fußballsta­r Zlatan Ibrahimovi­c spielte 2022 ein halbes Jahr lang mit gerissenem Kreuzband weiter und gewann mit der AC Mailand die italienisc­he Meistersch­aft. Allerdings konnte er kaum trainieren und, wenn überhaupt, jeweils nur ein paar Minuten mitspielen. "Sechs Monate lang habe ich wegen der Schmerzen kaum geschlafen. Ich habe noch nie so sehr auf und neben dem Spielfeld gelitten", schrieb der Schwede auf Instagram, bevor er sich nach der Saison einer Operation unterziehe­n musste.

Deutschlan­ds ehemaliger Fußball-Nationalto­rhüter Toni Schumacher zog sich 1972 - noch vor seiner Pro karriere - als 18-Jähriger einen Kreuzbandr­iss zu, entschied sich aber gegen eine Operation. Seine gesamte Laufbahn (1973 bis 1996) spielte er mit "Wackelknie", bezahlte diese Entscheidu­ng allerdings mit schweren Folgeschäd­en und Schmerzen, die seine Lebensqual­ität nach der Karriere deutlich einschränk­ten.

Sehr ungewöhnli­ch ist der Fall Joana Hählen: Die Skirennläu­ferin aus der Schweiz brach Ende Januar 2024 die Weltcup-Abfahrt in Cortina d'Ampezzo mit starken Knieschmer­zen ab und wurde mit Verdacht auf Kreuzbandr­iss in die Klinik gebracht. Dort stellten die Ärzte fest, dass ihr rechtes vorderes Kreuzband tatsächlic­h nicht mehr intakt war. Wie Untersuchu­ngen zeigten, war es aber bereits zwei Jahre zuvor bei einem Sturz gerissen. Damals war man nur von einem Anriss ausgegange­n. Im linken Knie Hählens fehlt das vordere Kreuzband sogar schon seit über sechs Jahren. Sie hatte es sich 2017 gerissen, aber auf eine OP verzichtet. "Es ist sicher viel Arbeit mit Physiother­apie und Knieübunge­n", sagt Hählen. "Aber ich kann es gut mit meiner Muskelkraf­t und meiner Größe kompensier­en."

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Bild: nordphoto GmbH/Kokenge/picture alliance
Schnelle Richtungsw­echsel oder eine unkontroll­ierte Landung führen viel häu ger zu einem Kreuzbandr­iss als Fouls Bild: nordphoto GmbH/Kokenge/picture alliance
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