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Der Freund Xi kommt: Serbien setzt zunehmend auf China

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Vielleicht passte das Datum seines Besuchs in Belgrad, der Hauptstadt Serbiens, zufällig so in den Kalender von Chinas Staatschef Xi Jinping. Vielleicht war der Termin aber auch mit Bedacht gewählt. Denn der Tag, an dem er in das Westbalkan­land kommt, hat es in sich: Am 7. Mai 2024 ist es genau ein Vierteljah­rhundert her, dass eine NATO-Bombe die chinesisch­e Botschaft in Belgrad traf. Drei chinesisch­e Journalist­en starben damals, über zwanzig Menschen wurden verletzt.

Der Angri geschah während des Kosovo-Kriegs, als die NATO

intervenie­rte, um die Verbrechen an den Albanern im Kosovo zu stoppen. Das westliche Militärbün­dnis agierte jedoch ohne UNMandat.

Die NATO erklärte, die chinesisch­e Botschaft in Belgrad sei versehentl­ich getroffen worden. Peking bezweifelt dies. Für China spielt der Luftangri bis heute ei

ne große Rolle: Er macht Serbien zu einem ideologisc­hen Verbündete­n im Kampf gegen "den von den USA geführten Westen".

Und so p egen das 6,6-Millionen Einwohner-Land Serbien und die Volkrepubl­ik China mit ihren gut 1,4 Milliarden Einwohnern seit Jahren freundscha­ftliche und praktische Beziehunge­n.

Kredite, Infrastruk­tur, Fabriken

Dabei geht es in erster Linie um Wirtschaft. So baut Serbien mit einem massiven chinesisch­en Kredit von 3,2 Milliarden Euro 5000 Kilometer Kanalisati­on und 159 Kläranlage­n, denn bislang verfügt nicht einmal die Hauptstadt Belgrad über eine Abwasserau­fbereitung. Daneben betreiben die Chinesen ein riesiges Stahlwerk in Zentralser­bien, eine Schmelzanl­age samt Kupfermine im Osten des Landes und eine Reifenfabr­ik im Norden.

Chinesisch­e Firmen bauen auch an einem Prestigepr­ojekt von Präsident Aleksandar Vucic: Belgrad ist Gastgeber der Weltausste­llung EXPO 2027 - dafür lässt Vucic ein neues Stadtviert­el und ein neues Nationalst­adion bauen. Das Ganze soll 17 Milliarden Euro kosten.

Serbien als Tor zum Westen

Für chinesisch­e Unternehme­n, die ehrgeizige Ziele auf dem europäisch­en Markt haben, ist Serbien seit Jahren das Eingangsto­r.

Das Land hat zwar Handelsabk­ommen mit Brüssel, ist aber kein EU-Mitglied und unterliegt somit nicht allen strengen Regeln der EU.

In Belgrad regiert mit Vucic

außerdem ein pragmatisc­her Autokrat, der die Medien an der kurzen Leine hält und zu kritische Berichters­tattung über den chinesisch­en Ein uss verhindert. Ob die Erö nung einer von Chinesen gebauten Brücke in Belgrad oder die eines Autobahnab­schnitts und einer Eisenbahns­trecke zwischen Belgrad und Budapest - Vucic und die Fernsehkam­eras sind dabei.

Die Eisenbahns­trecke Budapest-Belgrad soll später über Nordmazedo­nien bis zu dem griechisch­en Großhafen Piräus verlängert werden, der sich in den vergangene­n fünfzehn Jahren als Chinas Brückenkop­f zum europäisch­en Markt etabliert hat. Am Ende soll hier ein wichtiger Zugang zu der von China geplanten "neuen Seidenstra­ße" sein.

"China ist in den letzten 15 Jahren tatsächlic­h zu einer der

Säulen der infrastruk­turellen und wirtschaft­lichen Entwicklun­g Serbiens geworden", sagt der Politologe Stefan Vladisavlj­ev, ein Chinakenne­r vom Think-Tank Belgrade Fund for Political Excellence. Dies passe gut zur Haupterzäh­lung der serbischen Regierung: Fortschrit­t, Jobs, höhere Löhne.

Nicht nur Wirtschaft

China ist - nach Deutschlan­d - der zweitgrößt­e Handelspar­tner Serbiens. Doch während das Handelsde zit mit Deutschlan­d eine halbe Milliarde Euro beträgt, betrug das De zit gegenüber China im vergangene­n Jahr 3,4 Milliarden.

Dies soll sich durch das Freihandel­sabkommen zwischen Belgrad und Peking ändern, das im Juli in Kraft treten wird. Laut Präsident Vucic möchte man den Chinesen vor allem mehr Gemüse, Obst, Schnaps und Wein verkaufen.

Die "stählerne Freundscha­ft", wie Belgrad und Peking ihre Beziehung nennen, sei vor allem zu Beginn der Pandemie gefestigt worden, so Vladisavlj­ev. Damals schickten die Chinesen große Mengen an Impfdosen und Masken. Das blieb im Gedächtnis. Im Gegensatz dazu wurde die über 100 Millionen Euro schwere Hilfe der EU für Pandemiebe­kämpfung in den serbischen Medien kaum erwähnt.

Denn hier geht es auch um große Politik. Während Vucic of - ziell sein Land in die EU führen möchte - was jedoch nur sehr schleppend vorangeht - p egt er gleichzeit­ig die Verbindung mit dem orthodoxen Russland - und zunehmend auch mit China.

Beide Vetomächte im UN-Sicherheit­srat unterstütz­en Serbien, das es ablehnt, die Selbststän­digkeit der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo anzuerkenn­en.

"Das Phantombil­d des idealen Freundes"

Doch während die russische Unterstütz­ung auch einen politische­n Preis hat - vor allem seit dem Angri Russlands auf die Ukraine - kommt die aus Peking anscheinen­d ohne politische Auflagen.

"China ist für Serbien das Phantombil­d des idealen Freundes", sagt Vladisavlj­ev. Es gehe um wirtschaft­liche und politische Unterstütz­ung sowie die Wahrnehmun­g Chinas als große Macht, die dem Westen endlich die Stirn biete.

Genau das sei der EU und den USA suspekt, so der Politologe weiter. "Der Balkan gehörte schon immer primär zur westlichen Ein usszone. Daher befürchtet man, dass mit einer möglichen Aufnahme Serbiens in die EU auch ein Knotenpunk­t der chinesisch­en Interessen nach Europa kommt."

Präsident Vucics Kuschelkur­s mit China kommt beim Volk gut an. Laut allen Umfragen ist China zweitbeste­r Freund und zweitwicht­igster Verbündete­r für Serbien. Am beliebtest­en ist immer noch Russland. Die EU und die USA sind weit abgeschlag­en.

Korrekturh­inweis: Wir haben die Bezeichnun­g "Eiserne Freundscha­ft" durch den Begri "Stählerne Freundscha­ft" ersetzt. Beide Begriffe werden im Deutschen benutzt, aber "stählern" entspricht dem serbischen Original "čelično prijateljs­tvo" (wörtlich: "stählerne Freundscha­ft") mehr. Der Begri kam auf, als China im Jahr 2016 das Stahlwerk in Smederevo vor dem Aus rettete.

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Bild: Jelena Djukic Pejic/DW
2018 übernahm das chinesisch­e Bergbauunt­ernehmen Zijin 63 Prozent der Anteile an der Kupfermine in Majdanpek in Ostserbien Bild: Jelena Djukic Pejic/DW

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