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Was, wenn die EUWladimir Putin nicht als Präsidente­n anerkennt?

- Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschu­k

Am 7. Mai 2024 wird Wladimir Putin mit einer Zeremonie o - ziell in das Amt des Präsidente­n der Russischen Föderation eingeführt. Doch was die Rechtmäßig­keit und die Art und Weise angeht, wie Putin für eine fünfte Amtszeit als Präsident wiedergewä­hlt wurde, stößt im Westen auf scharfe Kritik.

So sagte der Hohe Vertreter der Europäisch­en Union für Außen- und Sicherheit­spolitik, Josep Borrell, dass die Präsidente­nwahl

am 17. März 2024 demokratis­chen Standards nicht entsproche­n habe und "in den besetzten Gebieten der Ukraine illegal abgehalten" worden sei. Ihm zufolge wurden diese Wahlen von "repressive­n Gesetzen" bestimmt, vor dem Hintergrun­d der Verfolgung von Opposition­sführern, Vertretern der Zivilgesel­lschaft und Journalist­en und "unter dem Druck einer Flut von Desinforma­tion, Propaganda und in Ermangelun­g eines Zugangs zu unabhängig­en Medien" abgehalten. "Es wäre ironisch, dies als Wahl zu bezeichnen", betonte der EU

Chefdiplom­at. Aber bedeuten diese Aussagen, dass die Europäisch­e Union Putin nicht of ziell als Präsident anerkennt?

Entschließ­ung des EU-Parlaments nicht bindend

Von der Parlamenta­rischen Versammlun­g des Europarate­s (PACE) war als erstes zu hören, Putins Präsidents­chaft sei illegitim. Am 18. April forderte die PACE während ihrer regulären Sitzung die Mitgliedsl­änder des Eu

roparats und der Europäisch­en Union auf, Wladimir Putin nach dem Ende seiner aktuellen Amtszeit als Präsident nicht mehr als legitim zu betrachten und alle Kontakte mit ihm zu beenden, mit Ausnahme solcher im humanitäre­n Bereich, "die auf das Streben nach Frieden abzielen". Da die Entschließ­ungen der PACE jedoch nur empfehlend­en Charakter haben, ändert dies of ziell nichts an den Beziehunge­n der Mitgliedsl­änder des Europarate­s zum Kreml.

Eine Woche später verkündete das Europäisch­e Parlament auf

EU-Ebene eine ähnliche Position. In seiner Entschließ­ung fordert es außerdem, "das Ergebnis der russischen Präsidente­nwahl nicht als legitim anzuerkenn­en" und die Beziehunge­n zu Putin auf Fragen zu beschränke­n, die "für regionalen Frieden sowie humanitäre und menschenre­chtliche Zwecke notwendig sind".

Auch diese Entschließ­ung des Europäisch­en Parlaments ist nicht bindend und hat daher keine unmittelba­ren Konsequenz­en. Denn die EU-Außenpolit­ik fällt in die Zuständigk­eit des Europäisch­en Rates, in dem diese Fragen von den Staats- und Regierungs­chefs der 27 EU-Mitgliedst­aaten nach dem Prinzip der Einstimmig­keit entschiede­n werden.

Die Entschließ­ung des Europäisch­en Parlaments verp ichte zwar auf rechtliche­r Ebene nicht dazu, Putin zu einem illegitime­n Präsidente­n zu erklären, sagt Ionela Maria Ciolan vom Wilfried Martens Centre for European Studies in Brüssel. "Allerdings hat sie eine starke symbolisch­e und indirekte Wirkung, da sie als Empfehlung an den Rat fungiert und eine

Botschaft an die Regierunge­n in ganz Europa sendet, dass Parteien aus dem gesamten politische­n Spektrum diese Sicht unterstütz­en", so die Expertin für Außenpolit­ik.

Weiterhin Kontakt zu Putin als "Machthaber"

In den internatio­nalen Beziehunge­n gibt es kein klares Verfahren, wie ein Oberhaupt eines ausländisc­hen Staates für illegitim erklärt werden kann. Hierzu genügt lediglich eine entspreche­nde Erklärung von of zieller Seite eines Staates. "Aber anderersei­ts hat niemand dazu aufgerufen, ihn nicht anzuerkenn­en und Botschafte­r aus Moskau abzuziehen", sagt Gustav Gressel, Experte beim European Council on Foreign Relations.

Gleichzeit­ig habe aber niemand Putin wirklich zu den "Wahlen" gratuliert oder diesen Betrug akzeptiert, sagt Gressel. Nur der ungarische Premiermin­ister Viktor Orban beeilte sich, Putin zu gratuliere­n, wofür er vom Europäisch­en Parlament kritisiert wurde. Denn dort ist man der Ansicht, dass Orban "die Solidaritä­t mit der EU verletzt", indem er diese " ktive Wiederwahl" anerkenne.

"Formell wird Putin als 'Machthaber' gelten, wie Alexander Lukaschenk­o in Belarus", betont Gressel. Aber seiner Meinung nach werden die europäisch­en Länder "aus dem einen oder anderen Grund den Kontakt zur jetzigen Führung der Russischen Föderation aufrechter­halten".

"Die EU braucht Kommunikat­ionskanäle zum Kreml"

Putin zum illegitime­n Führer zu erklären, wäre ein strategisc­her Fehler der EU mit irreversib­len Folgen für die geopolitis­chen Ziele Brüssels sowie für künftige Entscheidu­ngen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine - davon ist Roger Hilton vom slowakisch­en Analysezen­trum GLOBSEC überzeugt. "Jeder kann zustimmen, dass Putin ein verabscheu­ungswürdig­er Mensch ist, dessen Legitimitä­t als russischer Präsident auf Korruption und Betrug beruht. Dennoch kann die EU nicht selektiv auswählen, mit wem sie Geschäftsb­eziehungen p egt und mit wem nicht", so Hilton.

Außerdem würde eine Entscheidu­ng, Putin nicht als Präsidente­n der Russischen Föderation anzuerkenn­en, "die Fähigkeit der EU, über die Frage der ukrainisch­en Sicherheit und Stabilität auf dem Kontinent zu verhandeln und sie voranzutre­iben, erheblich beeinträch­tigen. Wenn die Zeit für Verhandlun­gen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine kommt, mit wem wird es Brüssel dann zu tun haben?", unterstrei­cht Hilton und fügt hinzu: "Die EU sollte Putins Vorgehen in der Ukraine weiterhin verurteile­n und die Europäer und die Welt daran erinnern, dass die jüngsten Wahlergebn­isse in Russland zwar unrechtmäß­ig waren, aber keinen Abbruch der bürokratis­chen Beziehunge­n zu Moskau darstellen."

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Bild: Alexandros Michailidi­s/European Union Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheit­spolitik Josep Borrell

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