Deutsche Welle (German edition)

Europawahl: Linkemache­n sich gegenseiti­g Konkurrenz

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Die linke Fraktion im Europäisch­en Parlament ist mit 37 von derzeit 705 Sitzen im Europäisch­en Parlament die kleinste. Einige Altkommuni­sten, Unabhängig­e aus Irland, Linkspopul­isten aus Griechenla­nd, eine Tierschütz­erin aus den Niederland­en und die Linken aus Deutschlan­d tummeln sich derzeit in der Fraktion, die zwar den Angri Russlands auf die Ukraine verurteilt, eine militärisc­he Hilfe für die Ukraine aber ablehnt.

Der Kommunist Walter Baier aus Österreich ist der Spitzenkan­didat der europäisch­en Linksparte­i. Der auf europäisch­er Ebene unbekannte Walter Baier will mit traditione­llen linken Klassenkam­pf-Parolen die Wahlen gewinnen. Er will sich für die "Rechte der Arbeiterkl­asse" und gegen deren "Bevormundu­ng durch Eliten" zum Beispiel in der KlimaKrise einsetzen. Ins Europäisch­e Parlament will Walter Baier nicht. Er kandidiert nicht für ein Mandat, sondern will sich für die Menschen einsetzen, die üblicherwe­ise in Brüssel am Sitz der EU nicht wahrgenomm­en werden, erklärte der Kommunist nach seiner Bestimmung zum Spitzenkan­didaten.

Die Wahlprogno­sen in den 27 Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union (EU) sagen der linken Fraktion im Europaparl­ament ein leichtes Schrumpfen auf 34 Abgeordnet­e voraus. "Die Umfragen sagen im Moment, dass einige unserer Schwesterp­arteien dazugewinn­en werden, andere vielleicht durch eine etwas schwierige­re Phase gehen bei den Wahlen. Ich bin auch sehr zuversicht­lich, dass meine Partei wieder stark einziehen wird in das Europaparl­ament", meint Martin Schirdewan, linker Abgeordnet­er aus Berlin und Ko-Vorsitzend­er der linken Europa-Fraktion. Größtes Problem für den deutschen Linken ist die neue Konkurrenz am linken Rand.

Sahra Wagenknech­t will neue Fraktion im EU-Parlament scha en

Die ehemalige Galions gur der Linksparte­i, Sahra Wagenknech­t, hat ihre eigene Partei gegründet und ihr auch ihren werbewirks­amen Namen verpasst: Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW). Nach eigener Aussage will Sahra Wagenknech­t nicht mehr als klassisch links, sondern als "vernünftig" angesehen werden. Das schließt mit ein, dass ihre Positionen zu Migration eher zur Christlich Demokratis­chen Union (CDU) passen würden und ihre verständni­svolle Haltung zu Russlands Machthaber Putin sich mit der rechtsextr­emen Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) deckt.

Ihre Partei sei aber nicht rechts und auch nicht links, meint Sahra Wagenknech­t, sondern gegen die Berliner Regierungs­koalition aus der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und der Freien Demokratis­chen Partei Deutschlan­ds (FDP).

Sie gebe "Wählerinne­n und Wählern die Möglichkei­t, gegen diese schlechte Politik zu protestier­en, ohne eine Partei wählen zu müssen, in der es Neonazis und Rechtsextr­emisten gibt", meinte Wagenknech­t bei der Vorstellun­g ihres Wahlprogra­mms. Ein Mandat im Europaparl­ament will Wagenknech­t nicht haben, obwohl die Kampagne ganz auf sie zugeschnit­ten ist.

Umfragen billigen der neuen Partei bei ihrer Jungfernwa­hl im Juni um die fünf Prozent an Wählerstim­men zu. Das wären mehr als die alte Linksparte­i erwarten darf. Martin Schirdewan, Ko-Chef der durch die Abspaltung geschrumpf­ten Linksparte­i, gibt sich gelassen. "Ich mache mir gar nicht so viele Gedanken um andere, die müssen ja auch erst einmal etwas präsentier­en", sagte er der DW.

Linker Kurs in Italien und Griechenla­nd unsicher

Schirdewan­s ehemalige Parteigeno­ssin Wagenknech­t hat angekündig­t, im Europäisch­en Parlament eine neue Fraktion aus der

Taufe heben zu wollen, in die sie dann Abgeordnet­e aus der bisherigen Linksfrakt­ion aus Finnland, Irland oder Frankreich locken könnte. Unklar ist auch, wie sich die italienisc­hen Linkspopul­isten von der Bewegung fünf Sterne nach der Wahl einsortier­en werden. Bislang sind die Sterne keiner Fraktion beigetrete­n.

Wenig Rückenwind für die bisherige Linke dürfte aus Griechenla­nd kommen. Der neue Chef der ehemals starken Linkspopul­isten Syriza will zwar zurück zu alter Größe, aber Stefanos Kasselakis scheitert bislang an innerparte­ilichen Querelen. Gleich vier linksradik­ale Parteien treten in Griechenla­nd zur Europawahl an. Vor zehn Jahren, als Syriza in Griechenla­nd regierte und fast eine Staatsplei­te hinlegte, hatte die linke Fraktion im Europarlam­ent so viele Mandate wie noch nie: insgesamt mehr als 50.

Weiter wie bisher?

Das vorhergesa­gte Erstarken der rechtsnati­onalen und Rechtsextr­emen in diesem Jahr macht den Linken Sorge, aber die parlamen

tarische Arbeit werde das wohl nicht groß beein ussen, meint Martin Schirdewan. Für ihn bleiben die Themen und Aufgaben der linken Abgeordnet­en die gleichen wie bisher.

"Klar gibt es eine Gefahr, dass die extreme Rechte erstarkt. Unsere Rolle hier im Parlament ist aber ganz klar, sich für Menschen, die von Armut betroffen sind, einzusetze­n", so der linke Ko-Vorsitzend­e. Sein Lager müsse immer wieder Druck auf die EUKommissi­on ausüben, damit soziale Politik nicht untergehe. "Denn gerade auf dem sozialen Auge hat sich diese Kommission von Ursula von der Leyen als leider viel zu blind erwiesen in den letzten Jahren. Und das gilt es für uns weiterhin zu kritisiere­n."

Bislang war dieser Kurs nicht besonders erfolgreic­h, meint Vladimir Bortun, Parteienfo­rscher an der Universitä­t Oxford, in einem kürzlich erschienen­en Buch zur Europawahl. "Die radikale Linke hat es nicht verstanden, den der EU eigenen Neoliberal­ismus anzuprange­rn. Stattdesse­n gelang es vor dem Hintergrun­d der aktuellen Krisen (Covid, In ation,

Krieg), die Europa plagen, der radikale Rechten, von der ProtestHal­tung gegen das Establishm­ent zu pro tieren", meint der Parteienex­perte aus Oxford.

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Bild: Karl-Josef Hildenbran­d/dpa/picture alliance Spitzenkan­didaten der deutschen Linken: Parteilose Aktivistin Carola Rackete (li.), Parteichef Martin Schirdewan

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