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Großer Unmut über Brief von Berliner Dozenten zu Gaza-Krieg

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Bundesbild­ungsminist­erin Bettina Stark-Watzinger hat sich empört über eine Unterstütz­erErklärun­g von Berliner Hochschuld­ozenten für pro-palästinen­sische Proteste gezeigt. "Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitä­ten macht fassungslo­s", sagte Stark-Watzinger der "Bild"-Zeitung. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden "Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlos­t". Dass es sich bei den Unterstütz­ern der Proteste um Lehrende handele, sei "eine neue Qualität", betonte die FDP-Politikeri­n. Gerade sie müssten "auf dem Boden des Grundgeset­zes stehen". Aus ihrer Sicht sei es "richtig, wenn Hochschull­eitungen bei Antisemiti­smus und Gewalt schnell handeln und die Polizei einschalte­n".

Am Mittwoch hatten Demonstrie­rende ein Protestcam­p auf einem Hof der Freien Universitä­t (FU) errichtet. Die Hochschule schaltete rasch die Polizei ein und ließ das Gelände räumen. Der Lehrbetrie­b wurde für den Tag weitgehend eingestell­t. Die Polizei bilanziert­e am Mittwoch, es seien 79 Personen vorübergeh­end festgenomm­en worden, gegen sie gebe es Strafermit­tlungsund Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren. Eine Gruppe mit dem Namen Student Coalition Berlin forderte die Universitä­ten in Berlin unter anderem dazu auf, sich für eine Waffenruhe im Gazastreif­en einzusetze­n und Israel "akademisch und kulturell" zu boykottier­en.

Die Gruppe hatte in der vergangene­n Woche bereits zu einer Protestakt­ion an der HumboldtUn­iversität aufgerufen. Die Protestkun­dgebung am Freitag hatte einen Polizeiein­satz ausgelöst.

Dabei war es laut Polizei auch zu "volksverhe­tzenden Aufrufen" gekommen.

Recht auf friedliche­n Protest?

In einer am Mittwoch online veröffentl­ichten Erklärung stellten sich rund 100 Dozenten verschiede­ner Berliner Hochschule­n hinter die Proteste. "Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderunge­n des Protestcam­ps einverstan­den sind, stellen wir uns vor unsere Studierend­en und verteidige­n ihr Recht auf friedliche­n Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließ­t", hieß es in dem "Statement von Lehrenden an Berliner Universitä­ten".

Zudem forderten die Lehrkräfte die Universitä­tsleitunge­n auf, "von Polizeiein­sätzen gegen die eigenen Studierend­en ebenso wie von weiterer strafrecht­licher Verfolgung abzusehen". In der Erklärung wird die "Dringlichk­eit des Anliegens der Protestier­enden" mit dem israelisch­en Vorgehen im Gazastreif­en und der humanitäre Lage in dem Palästinen­sergebiet als "nachvollzi­ehbar" begründet. Der Angri der militant-islamistis­chen Palästinen­serorganis­ation Hamas, der den Krieg im Gazastreif­en auslöste, sowie die verschlepp­ten israelisch­en Geiseln werden darin hingegen nicht erwähnt. Die EU, die US, Deutschlan­d und andere Länder stufen die Hamas als Terrororga­nisation ein.

Heftige Kritik aus der Union

Scharfe Kritik an dem Brief kam auch von Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Kai Wegner. "Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständni­s", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Die Berliner Universitä­ten seien und blieben "Orte des Wissens, des kritischen Diskurses und des offenen Austauschs". "Antisemiti­smus und Israelhass sind aber keine Mei

nungsäußer­ungen, sondern Straftaten", betonte Wegner. Er habe "volles Vertrauen", dass die Berliner Polizei "gegen solche Straftaten auch weiterhin konsequent rechtsstaa­tlich" vorgehe.

Auch die stellvertr­etende Bundesvors­itzende der CDU, Karin Prien, zeigte sich empört. Sie sei "fassungslo­s, wie Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler auf das humanitäre Leid in Gaza verweisen, ohne die Geiseln der Hamas mit nur einer Silbe zu erwähnen", erklärte sie.

Unionfrakt­ionsvize Andrea Lindholz bezeichnet­e den Brief als einen "Tiefpunkt für die deutsche Wissenscha­ft". Sie habe "null Verständni­s dafür, wenn Professore­n und Dozenten einen Mob von Antisemite­n und Israelhass­ern verteidige­n". Wissenscha­ft und Lehre mit Aktivismus zu verknüpfen, sei "brandgefäh­rlich für die Hochschule­n als Institutio­nen", kritisiert­e die CSU-Innenpolit­ikerin.

Der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef

Schuster, zeigte sich enttäuscht von den Unterzeich­nern des Schreibens. Den Aktivisten gehe es "weniger um das Leid der Menschen in Gaza, sondern sie werden von ihrem Hass auf Israel und Juden angetriebe­n", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Gerade von Hochschuld­ozenten hätte ich erwartet, dass dies zumindest klar benannt wird, wenn sich schon für diese Form des Protestes eingesetzt wird."

Ruf nach freier Meinungsäu­ßerung

Der Botschafte­r der Palästinen­sischen Autonomieb­ehörde in

Deutschlan­d, Laith Arafeh, wies hingegen Kritik an den propalästi­nensischen Protesten zurück. Der Spielraum für freie Meinungsäu­ßerung und die akademisch­e Freiheit mit Blick auf Israel und den Gaza-Krieg gehe immer weiter zurück, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Wir verurteile­n alle Formen von Fanatismus einschließ­lich Antisemiti­smus", so der Botschafte­r. "Genauso verurteile­n wir den systematis­chen Einsatz falscher Antisemiti­smus-Vorwürfe gegen alle Stimmen, die ein Ende des Krieges fordern." Er beziehe keine Position zu den Studentenp­rotesten, weil das eine Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten wäre, sagte der Diplomat. "Aber ich unterstütz­e jedermanns Recht auf freie Äußerung, jedermanns Meinungsfr­eiheit, überall, jederzeit."

kle/sti (afp, dpa)

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Bild: Britta Pedersen/dpa/picture-alliance Die deutsche Bildungsmi­nisterin Bettina Stark-Watzinger

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