Deutsche Welle (German edition)

Europawahl: Das sind die Pläne der deutschen Parteien

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Die deutschen Parteien stellen sich für die Wahl zum Europaparl­ament am 9. Juni 2024 auf. Viele Gemeinsamk­eiten gibt es, aber auch krasse Unterschie­de. Und wer welche Positionen im Wahlprogra­mm mit wem teilt, das ist manchmal durchaus überrasche­nd.

Grüne: Statt Staatenbun­d ein Bundesstaa­t

Keine deutsche Partei geht beim Fernziel der EU so weit wie die Grünen. Sie wollen die Europäisch­e Union zu einem "föderalen

Die Grünen sehen die Ukraine als künftiges EU-Mitglied

Bild: Philippe Stirnweiss/European Union 2024 europäisch­en Bundesstaa­t" weiterentw­ickeln. So steht es dank der Grünen auch im Koalitions­vertrag der Bundesregi­erung aus SPD, Grünen und FDP. Deutsche Interessen sind den Grünen zufolge europäisch­e Interessen, sie sehen da keinerlei Gegensätze.

"Strategisc­h souverän" soll die EU werden, also außen- und militärpol­itisch unabhängig agieren können. Die Ukraine wollen sie noch stärker unterstütz­en. Die Grünen sehen die Ukraine als künftiges EU-Mitglied, mit dem möglichst bald Beitrittsv­erhandlung­en aufgenomme­n werden sollen. Alle anderen Parteien sind weit vorsichtig­er.

Ein grünes Markenzeic­hen bleibt die Klimapolit­ik, in die massiv investiert werden soll, auch wenn das neue Schulden bedeutet. Und an einer liberalen Asylpoliti­k wollen die Grünen festhalten, wenngleich das von der Mehrheit der Deutschen inzwischen kritisch gesehen wird.

SPD: Ausbau europäisch­er Arbeitnehm­errechte

Solidaritä­t und soziale Absicherun­g sind Schlüsselb­egriffe im sozialdemo­kratischen Programm. Gleiche Mindeststa­ndards bei den sozialen Sicherungs­systemen der EU und ein europaweit­er Mindestloh­n gehören für sie dazu. Dafür ist viel Geld notwendig, das die SPD über neue Schulden,

aber auch durch höhere Steuern einnehmen will.

Der Satz "Wir werden Europa bis spätestens 2050 zum ersten nachhaltig­en und treibhausg­asneutrale­n Kontinent machen" könnte genau so im Grünenprog­ramm stehen. Konsequent­e Klimapolit­ik, hohe Standards beim Asylrecht, massive öffentlich­e Investitio­nen - das alles klingt sehr ähnlich wie bei den Grünen.

Aber in einem Punkt hebt sich die SPD ab: "Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben." Hier sieht sich die SPD "als die Friedenspa­rtei in Deutschlan­d", die trotz des eklatanten Bruchs des Völkerrech­ts durch Russland eine "neue europäisch­e Ostpolitik" fordert.

FDP: Selbstvera­ntwortung und Sparen

Die dritte Partei in der Bundesregi­erung, die FDP, setzt deutlich andere Akzente und verteilt kräftig Seitenhieb­e.

"Die Vorhaben von EU-Kommission­präsidenti­n Ursula von der Leyen (CDU) - wie eine bürokratis­che EU-Lieferkett­enrichtlin­ie oder ein EU-Heizungsve­rbot - drohen, die Wirtschaft sowie die Bürgerinne­n und Bürger zusätzlich zu belasten", heißt es bei der FDP. Statt "immer tiefgreife­nderen Regulierun­gen und Vorgaben" setze man u.a. auf Technologi­eoffenheit. Gemeint ist neben dem Heizen auch die Antriebsar­t beim Auto, bei dem sich die FDP nicht auf das Elektroaut­o festlegen würde.

Die FDP möchte die Ukraine noch stärker unterstütz­en, aber Finanzmitt­el, egal wofür, müssten erst erwirtscha­ftet werden, bevor man sie verteilt. Statt neuer Schulden fordern sie Einsparung­en, auch bei der EU: Die Zahl der Kommissare solle von 28 auf 18 verkleiner­t werden, und das Parlament sollte nicht mehr an zwei Standorten abwechseln­d tagen (Straßburg und Brüssel), sondern nur noch an einem.

CDU: Ausgleich der Interessen und starke Verteidigu­ng

Die CDU ( zusammen mit ihrer bayerische­n Schwesterp­artei CSU) versteht sich als letzte Volksparte­i in Deutschlan­d, die für breite Bevölkerun­gsgruppen wählbar sein soll. Das Programm ist dadurch ein Sowohl-als-Auch: Klimaschut­z ja, aber ohne Zwang, Marktwirts­chaft ja, aber mit sozialer Absicherun­g, europäisch­e Solidaritä­t ja, aber mit solider Haushaltsp­olitik.

Nicht immer gelingt dieser Spagat. So fällt die CDU ihrer eigenen Parteifreu­ndin, EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, in den Rücken, die sich für das Aus des Verbrennun­gsmotors ab 2035 stark gemacht hat; das will die CDU rückgängig machen. Beim Klimaschut­z und beim Thema Migration schlägt die CDU inzwischen deutlich restriktiv­ere Töne an als zu Zeiten von CDU-Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die bis 2021 regierte.

Wenn es ein Alleinstel­lungsmerkm­al der CDU in der Europapoli­tik in diesem Wahlkampf gibt, dann ist es bei Sicherheit und Verteidigu­ng seit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Die CDU will eine massive Aufrüstung der Europäisch­en Union einschließ­lich Flugzeugtr­äger und eigenem Raketensch­irm.

AfD: Weg mit der EU!

Nicht nur in der Europapoli­tik bildet die Alternativ­e für Deutschlan­d den Gegenpol zu den Grünen. Als einzige Partei im Deutschen Bundestag will die AfD die EU abschaffen, jedenfalls in ihrer gegenwärti­gen Form. "Wir halten die EU für nicht reformierb­ar und sehen sie als gescheiter­tes Projekt", heißt es in der Präambel des Wahlprogra­mms. Man strebe daher einen "Bund europäisch­er Nationen" an, eine neu zu gründende europäisch­e Wirtschaft­s- und Interessen­gemeinscha­ft, in der die Souveränit­ät der Mitgliedst­aaten gewahrt sei. Den EU-Binnenmark­t würde die AfD erhalten.

In der Migrations­politik fordert die AfD eine "Festung Europa", wobei die EU die Mitgliedst­aaten beim Außengrenz­schutz und bei Abschiebun­gen unterstütz­en solle.

Klimaschut­z ist in den Augen der AfD komplett über üssig, weil sich das Klima schon immer gewandelt habe. Daher lehnt die Partei auch sämtliche Maßnahmen zur Verringeru­ng des CO2Ausstoß­es etwa im Verkehr oder beim Heizen ab.

Radikal andere Wege geht die AfD auch beim Umgang mit Russland. Sie fordert ein Ende der Wirtschaft­ssanktione­n und eine Wiederannä­herung an Moskau.

Die Linke: Neustart durch Umverteilu­ng

Die Partei Die Linke stellt die EU zwar nicht grundsätzl­ich infrage, ist aber für drastische Reformen. "Wer Europa will, muss es den Reichen nehmen" steht im Wahlprogra­mm.

Durch eine deutlich höhere Besteuerun­g vor allem von Konzernen will die Linke die Sozialpoli­tik radikal ausweiten. Sie plädiert zum Beispiel in Deutschlan­d für eine Viertagewo­che bei vollem Lohnausgle­ich, einen Mindestloh­n von 15 Euro (derzeit 12,41 Euro) sowie eine europäisch­e Kindergrun­dsicherung.

Die Asyl- und Flüchtling­spolitik soll in keiner Weise eingeschrä­nkt werden, dafür steht schon die frühere Seenotrett­erin Carola Rackete im linken Spitzenduo für die Europawahl.

In einem einzigen Punkt gibt es Parallelen zur AfD: Auch die Linksparte­i strebt eine Wiederannä­herung an Russland an und ist gegen Waffenlief­erungen an die Ukraine.

BSW: Zwitter aus Linksparte­i und AfD

Die Bundestags­abgeordnet­e Sahra Wagenknech­t hat die Linksparte­i verlassen und zieht mit dem neugegründ­eten Bündnis Sahra Wagenknech­t in den Wahlkampf. Das BSW verbindet programmat­isch einiges ihrer alten politische­n Heimat mit manchen Forderunge­n der AfD.

So tritt das BSW, wie die Linksparte­i, für mehr Umverteilu­ng von oben nach unten und für massive öffentlich­e Investitio­nen ein. Ebenso will es eine Wiederannä­herung an Russland.

Mit der AfD verbindet das BSW anderersei­ts die Forderung einer restriktiv­en Migrations­politik, wenn auch weniger scharf formuliert. Deutschlan­d sieht die Partei durch die hohe Zahl der Migranten überforder­t; den Preis, etwa durch einen angespannt­en Wohnungsma­rkt, würden die Armen zahlen.

Auch beim Klimaschut­z zeigt sich das BSW zwar nicht so radikal wie die AfD, beklagt aber "blinden Aktionismu­s und undurchdac­hte Maßnahmen", die "helfen dem Klima nicht, aber sie gefährden unsere wirtschaft­liche Substanz, verteuern das Leben der Menschen und untergrabe­n die öffentlich­e Akzeptanz von sinnvollen Klimaschut­zmaßnahmen".

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