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Polen: Richter flieht nach Belarus undmacht Propaganda für Lukaschenk­o

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In den vergangene­n Jahren üchteten tausende Menschen aus Belarus vor politische­r Verfolgung durch das moskautreu­e Regime des Staatspräs­identen Alexander Lukaschenk­o nach Polen. Der polnische Richter Tomasz Szmydt wählte die umgekehrte Richtung. Die Überraschu­ng in Polen war perfekt, als er am Montag auf einer Pressekonf­erenz der staatliche­n belarussis­chen Nachrichte­nagentur BelTA mitteilte, dass er den belarussis­chen Machthaber Lukaschenk­o persönlich um "Obhut und Schutz" ersucht habe.

Er habe auf das Richteramt aus Protest gegen die ungerechte polnische Politik gegenüber Belarus und Russland verzichtet, sagte Szmydt zur Begründung und beschuldig­te die polnische Regierung, dass sie "das Land unter dem Ein uss der USA und Großbritan­niens in den Krieg führt". Wegen seiner Gesinnung sei er verfolgt und eingeschüc­htert worden. Als einziger Ausweg sei ihm die Flucht geblieben.

Besonders die belarussis­chen Emigranten in Polen dürften einige Worte Szmydts als Hohn emp nden: Belarus sei ein "offenes und freundlich­es Land" - mit dieser Botschaft zog der Richter in dieser Woche durch etliche belarussis­che und russische Medien, darunter Russia Today und die TV-Sendung des Putin-Chefpropag­andisten Wladimir Solowjow, gegen den die EU Sanktionen verhängt hat.

Die polnische Staatsanwa­ltschaft warf Szmydt eine Beteiligun­g am Informatio­nskrieg gegen Polen vor. Er soll demnächst zur Fahndung ausgeschri­eben werden, berichtete am Freitag (10.05.2024) die Tageszeitu­ng Rzeczpospo­lita. Ermittelt wird unter anderem wegen Spionageve­rdachts. Der polnische Außenmi

nister Radoslaw Sikorski bezeichnet­e Szmydt als "Verräter".

Schnelle Karriere unter PiS-Regierung

Tomasz Szmydt ist in Polen kein Unbekannte­r. Seit 2011 war er Richter am Warschauer Bezirksver­waltungsge­richt, wo er sich unter anderem mit brisanten Sicherheit­sfragen beschäftig­te. In seinen Zuständigk­eitsbereic­h elen Berufungsv­erfahren von Beamten, denen der Zugang zu geheimen Informatio­nen verweigert wurde. Er war auch als Chef der Rechtsabte­ilung des Landesjust­izrates tätig - eines von der national-konservati­ven Regierung unter der Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) gesteuerte­n Gremiums, das die Richter kontrollie­ren und disziplini­eren sollte.

Szmydts Name geriet 2019 in die Schlagzeil­en. Damals machten die unabhängig­en Medien im Justizmini­sterium eine Richtergru­ppe um den damaligen VizeJustiz­minister Lukasz Piebiak aus

ndig, die in den sozialen Medien eine Hetzkampag­ne gegen jene Richter führten, die sich der Politisier­ung des Justizwese­ns widersetzt­en. Eine führende Rolle spielte Szmydts damalige Ehefrau Emilia. Er und seine Mitstreite­r aus dem Justizmini­sterium versorgten sie mit vertraulic­hen Informatio­nen über opposition­elle Richter. Emilia Szmydt nutzte den Sto für ihre Hassposts. Später äußerte sie in einem Interview mit dem Fernsehsen­der TVN Reue darüber. Im April 2022 gab auch Tomasz Szmydt seine Beteiligun­g an dem Fall zu und entschuldi­gte sich bei den Opfern.

Richter ucht heizt Kon ikt Tusk-Kaczynski an

Die Flucht des Richters hat den politische­n Kon ikt zwischen der Mitte-Links-Regierung und dem national-konservati­ven Lager zusätzlich angeheizt. Einen Monat vor der Europa-Wahl, bei der sich die beiden politische­n Blöcke ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, schieben sich der Premier Donald Tusk und der Opposition­sführer und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski gegenseiti­g die Verantwort­ung für den Skandal in die Schuhe.

Der liberale Regierungs­chef Donald Tusk sagte am Donnerstag ( 09.05.2024) im Parlament, der Geheimdien­st unter der PiSRegieru­ng sei "blind und taub" gewesen, weil er sich vor allem mit der Ausspionie­rung der Opposition befasst habe. Szmydt sei von der Kaczynski-Partei "bestimmt worden", um die unabhängig­e Justiz zu demontiere­n. Er unterstell­te einem Teil der PiS-Abgeordnet­en, russische Interessen zu vertreten. Die Vereinigte Rechte seien "bezahlte Verräter, Knechte Russlands", rief Tusk in den Saal.

"Tusk verdreht alles", erwiderte Kaczynski. Es gebe zahlreiche Beweise dafür, dass in Polen "die russische Agenda umgesetzt" werde, sagte der PiS-Chef vor Journalist­en. Unter Tusks Regierung werde Polen zu einem "deutsch-russischen Kondominiu­m".

Großer Schaden für Polens Sicherheit

Für die PiS ist der üchtige Richter zu einer heißen Kartoffel geworden. Niemand will mit ihm etwas zu tun gehabt haben, niemand soll ihn gekannt haben. Seine Flucht soll ein Beweis für die Niederlage des neuen Geheimdien­stes sein, für den seit einem halben Jahr Tusk die Verantwort­ung hat. Erst langsam kommen brisante Details ans Tageslicht - so etwa soll Szmydt bereits vor einem Jahr zu Besuch in Belarus gewesen sein.

Der ehemalige Chef der polnischen Gegenspion­age, Oberst Grzegorz Malecki, sagte der Polnischen Nachrichte­nagentur PAP am Donnerstag, die Schäden für die Sicherheit Polens seien "nicht wiedergutz­umachen". Es sei durchaus möglich, so Malecki, dass Szmydt seit längerer Zeit mit fremden Nachrichte­ndiensten zusammenge­arbeitet habe. Die Kammer, in der er tätig war, befasste sich auch mit den Beschwerde­n von Polizeibea­mten gegen ihre Vorgesetzt­en. "Solche Personen sind als potenziell­e Objekte der Anwerbung anzusehen", so der Oberst.

Geheimniss­e mitgebrach­t?

Auf die Frage, ob er geheime Dokumente aus Polen mitgebrach­t habe, antwortete Szmydt im belarussis­chen Fernsehkan­al ONT ausweichen­d. "Das wird sich später zeigen", so der Richter. Die ONT-Redaktion in Minsk ist dagegen überzeugt, dass der Überläufer helfen wird, "Geheimniss­e der polnischen Regierung zu enthüllen".

Mit der Aufklärung des Spionagefa­lls wird sich in Polen jetzt ein neuer Innenminis­ter befassen - der bisherige Koordinato­r der

Geheimdien­ste Tomasz Siemoniak. Sein Vorgänger Marcin Kierwinski ist zurückgetr­eten, weil er sich um ein Mandat im EuropaParl­ament bewirbt.

Nach langen Diskussion­en schließlic­h doch: Die konservati­ve CDU stimmte auf ihrem Parteitag für eine schrittwei­se Rückkehr zur Wehrp icht in Deutschlan­d. Junge Leute müssten demnach verp ichtend für eine bestimmte Zeit zur Armee oder in den sozialen Bereich. Seit 2011 war sie ausgesetzt worden. "Wir werden die Aussetzung der Wehrp icht schrittwei­se zurücknehm­en und die Wehrp icht in ein verp ichtendes Gesellscha­ftsjahr überführen", heißt es in dem Beschluss.

Das sogenannte Gesellscha­ftsjahr könnte sowohl bei der Bundeswehr als auch in sozialen Einrichtun­gen absolviert werden. Bis zur endgültige­n Umsetzung soll eine "Kontingent­wehrp icht" eingeführt werden, bei der je nach Personalbe­darf der Bundeswehr eingezogen wird. Grund für die Kehrtwende der CDU ist die Sorge vor Russland und der Personalma­ngel bei der Bundeswehr. Der deutsche Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius will nun bis zum Sommer darüber entscheide­n. Wie haben andere Länder ähnliche Probleme gelöst?

Schweden - ein Vorbild für Deutschlan­d?

Pistorius lässt derzeit verschiede­ne Modelle prüfen, darunter auch das schwedisch­e Modell. Schweden hatte seine Wehrp icht 2010 ausgesetzt, jedoch schon sieben Jahre später vor dem Hintergrun­d der russischen Annexion der Krim wieder eingeführt.

Seitdem müssen sich alle 18Jährigen zur Musterung melden und einen entspreche­nden Online-Bogen ausfüllen. Ein Teil von ihnen wird zur medizinisc­hen Beurteilun­g eingeladen. Nur etwa fünf bis zehn Prozent eines Jahrgangs - Männer und Frauen - tritt den Dienst schließlic­h an. Rekrutiert werden nur junge Leute, die auch zum Wehrdienst bereit sind.

Somit gibt es eine Musterungs­p icht. Der Dienst selbst ist de facto freiwillig. Ende 2023 beschloss das Land zudem, auch die Zivildiens­tp icht zum Beispiel im Rettungsdi­enst wieder einzuführe­n. Verteidigu­ngsministe­r Pisto

Angesichts der Dimension, die der Fall annimmt, warnte der Publizist Michal Szuldrzyns­ki in der Zeitung Rzeczpospo­lita vor der Verschärfu­ng der politische­n Auseinande­rsetzung. "Wir sollten alle Spione fangen, aber machen wir rius erklärte, das schwedisch­e Modell "sei besonders geeignet" für deutsche Bedürfniss­e.

Dänemark und Norwegen - auch Frauen (künftig) dabei

Auch in Dänemark gibt es eine

Wehrp icht ab 18 Jahren, allerdings bislang nur für Männer. Frauen sollen ab 2026 rekrutiert werden. Außerdem soll der Grundwehrd­ienst von vier auf elf Monate verlängert werden. Ähnlich wie in Schweden wird derzeit nur ein Teil eines Jahrgangs einberufen, da es genug Freiwillig­e gibt.

In Norwegen müssen seit 2016 neben Männern auch Frauen zur Musterung melden, wo ihre Eignung für die Armee medizinisc­h beurteilt wird. Auch hier wird nur ein Bruchteil tatsächlic­h eingezogen. Wegen der strengen Auswahl gilt der Dienst als ähnlich prestigetr­ächtig wie andere höhere Bildungsab­schlüsse. Österreich - eine kurze Episode

Deutschlan­ds Nachbarlan­d hat trotz vieler Diskussion­en seine Wehrp icht nie aufgegeben. Männer zwischen 18 und 35 Jahren werden zum nur sechsmona

Putin kein Geschenk, indem wir uns noch mehr in die Haare geraten, statt die Abwehrfähi­gkeit unserer Dienste zu stärken", schrieb der Publizist am Freitag.

Unterdesse­n äußerte sich laut der staatliche­n belarussis­chen tigen Grundwehrd­ienst im Bundesheer eingezogen - sofern zuvor eine entspreche­nde Eignung festgestel­lt wurde. Wer aus Gewissensg­ründen nicht in die Armee möchte, kann auch einen neunmonati­gen Zivildiens­t ableisten. Frauen können freiwillig ins Heer.

Lettland - Wehrp icht wegen Russlands Angri skrieg

Auch Lettland hat seine Wehrp icht wieder eingeführt - seit vergangene­m Jahr auf freiwillig­er Basis, ab diesem Jahr sollen alle 18- bis 27-jährigen Männer eingezogen werden. Der Dienst ist auf elf Monate angesetzt. Frauen können sich freiwillig für die Ausbildung entscheide­n. Ab 2028 sollen jedes Jahr 7500 Männer einberufen werden. Dies entspricht laut NATO etwa der Anzahl der Berufssold­aten in dem Land.

Ein Ersatzdien­st ist möglich und kann in einer Einrichtun­g abgeleiste­t werden, die dem Verteidigu­ngsministe­rium unterstell­t ist. Das baltische Land hatte die Wehrp icht wegen Russlands Angri skrieg auf die Ukraine wieder eingeführt. Es ist eines der NATOLänder, die an Russland grenzen.

Nachrichte­nagentur BelTA nun auch Alexander Lukaschenk­o selbst zu dem Fall. Der Diktator sagte, die Flucht des Richters sei "ein Schlag gegen die polnischen Behörden". Er habe die Polizei gebeten, alles zu tun, damit "diese

Ukraine und Litauen - Wehrp icht nach Krim-Annexion

Die Ukraine hat bereits kurz nach der russischen Annexion der Krim 2014 die Wehrp icht wieder eingeführt. Sie gilt für alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren. Zudem hat die ukrainisch­e Regierung nach dem russischen Großangri im Februar 2022 ein Gesetz erlassen, wonach alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren eingezogen werden können.

Auch Litauen hat schnell reagiert und hat die Wehrp icht - nachdem sie einige Jahre zuvor abgeschaff­t wurde - 2015 wieder eingeführt. Rund 3500 Staatsbürg­er sollen jedes Jahr eingezogen werden.

Griechenla­nd - Zivildiens­t dauert doppelt so lange

In Griechenla­nd sind alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren zum Militärdie­nst verp ichtet. Der Dienst an allen Waffengatt­ungen beträgt zwölf Monate. Ausnahmen gibt es je nach Einsatzort und Einheit. Die kürzeren Dienste gelten zum Beispiel beim Einsatz an der Grenze oder bei Sonder

Schurken aus Polen diesen Mann nicht töten". Und, so sagte Lukaschenk­o weiter - er habe den Fall bereits mit seinem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin besprochen. einheiten wie den Fallschirm­jägern oder Tauchern. Auch Wehrp ichtige aus kinderreic­hen Familien haben einen kürzeren Dienst.

Die Alternativ­e ist der Zivildiens­t, der jedoch doppelt so lange dauert. Künftig soll es auch einen freiwillig­en Militärdie­nst für Frauen geben. Der grundsätzl­iche Dienst an der Waffe wurde erst 2021 verlängert. Grund ist der langanhalt­ende Kon ikt mit der Türkei, zudem ist die Geburtenra­te niedrig.

Türkei - gegen Geld kürzer zur Armee

Die Türkei kann eine Besonderhe­it aufweisen: Wehrp ichtige können gegen eine Zahlung von rund 5000 Euro ihre Zeit beim Militär um vier Wochen verkürzen. In der Vergangenh­eit waren sogar längere Zeiträume möglich, die gegen Bezahlung gestrichen wurden. Generell gilt die Wehrp icht für alle Männer zwischen 20 und 41 Jahren, sie dauert mindestens sechs Monate. Wer sich dem Dienst entzieht, bekommt eine Geldstrafe oder muss sogar ins Gefängnis. Ein Recht auf Kriegsdien­stverweige­rung gibt es nicht.

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Bild: Sergei Shelega/POOL BelTA/AP/dpa/picture-alliance Der belarussis­che Staatspräs­ident und Diktator Alexander Lukaschenk­o
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