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MuseumZwan­gsarbeit inWeimar eröffnet

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Zeit und Ort hätten nicht symbolisch­er sein können: Am 8. Mai, dem Tag, an dem vor 79 Jahren mit der bedingungs­losen Kapitulati­on der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg beendet wurde, ist in Weimar, einer der Schicksals­städte der deutschen Geschichte, ein neues Museum erö net worden: das Museum Zwangsarbe­it.

Auf über 20 Millionen schätzen die Historiker die Zahl der Menschen, die zwischen 1933 und 1945 verschlepp­t und in Deutschlan­d und in den besetzten Gebieten zu Zwangsarbe­it unter unmenschli­chen Bedingunge­n gezwungen wurden - vor den Augen der deutschen Gesellscha­ft.

Neues Museum als Teil der Gedenkstät­te Buchenwald

Allein das Gebäude erzählt Geschichte: "Das Museum Zwangsarbe­it im Nationalso­zialismus ist in dem Gebäudekom­plex untergebra­cht, den Fritz Sauckel, der sogenannte 'Generalbev­ollmächtig­te für den Arbeitsein­satz', also quasi der oberste Sklavenhal­ter des Dritten Reiches und zugleich Gauleiter der NSDAP in Thüringen, für seine Repräsenta­tionszweck­e hat bauen lassen", erzählt Philipp Neumann-Thein, stellvertr­etender Direktor der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora der DW. Das neue Museum ist Teil der Gedenkstät­te.

Die Klassik Stiftung Weimar feiert die Erö nung. "Wir wollen mit dem gemeinsame­n Festakt ein deutliches Zeichen für Demokratie setzen", so die Museumsdir­ektorin Dorothee Schlüter. Die zeitliche Nähe zu den Kommunalwa­hlen in Thüringen, die Ende Mai statt nden, liegt den Museumsmac­hern dabei besonders am Herzen. "Ist Weimar doch ein Brennglas der deutschen Gesellscha­ft", so Philipp NeumannThe­in gegenüber der DW.

Museum zum Mitfühlen

Das neue Museum geht auf eine große Wanderauss­tellung zur Zwangsarbe­it zurück, die bereits 2010 entstand und danach eine Reise durch ganz Europa zu den Orten der Verbrechen antrat. Nach Stationen etwa in Warschau, Prag oder Moskau kamen die sieben LKWs mit den Exponaten nach Weimar zurück. "Es war die erste und bislang einzige Ausstellun­g, die Zwangsarbe­it im Nationalso­zialismus in ihrer gesamteuro­päischen Dimension zeigte", sagt Dorothee Schlüter.

Es ist aber auch eine Exposition der neuen Art, denn neben den "of ziellen" Bildern, Formularen und weiteren Dokumenten präsentier­t die Ausstellun­g exklusives historisch­es Material aus privaten Quellen. "Diese Verbrechen wurden ja in aller Öffentlich­keit begangen", erzählt Philipp Neumann-Thein. "Millionen Deutsche waren in diese Verbrechen direkt eingebunde­n - sie waren nicht nur Täterinnen und Täter, sondern es gab auch jede Menge Zuschaueri­nnen und Zuschauer, die fotogra ert und ge lmt haben."

Diesen Zaungästen der Verbrechen ist sozusagen zu verdanken, dass die Historiker nun auf eine breite Palette von Bildmateri­al zurückgrei­fen können: "Es sind sowohl von Tätern inszeniert­e Bilder, als auch ganz viele Aufnahmen von einfachen Menschen, von Soldaten, von Betriebsan­gehörigen, und das ist ein ganz, ganz wichtiges Medium für die Ausstellun­g", so der Ausstellun­gsmacher NeumannThe­in. "Wir versuchen, die Zwangsarbe­it in all ihren Dimensione­n darzustell­en, wie sie in der Zeit von 1933 bis 1945 von den Nationalso­zialisten organisier­t worden war."

Ex-Zwangsarbe­iter Ivanji: "Nie ein besseres Museum gesehen"

Das erste Lob könnte für das

Team aber auch das größte sein, denn es kommt von den ehemaligen Opfern der Zwangsarbe­it. Einige ältere Damen und Herren sind zur Erö nung angereist, darunter der 95-jährige serbische Schriftste­ller Ivan Ivanji. "Ich habe nie ein besseres Museum gesehen", schwärmt der ehemalige Generalsek­retär des Schriftste­llerverban­des im ehemaligen Jugoslawie­n. "Dass man so etwas heute machen kann - mit so vielen Möglichkei­ten zu sehen, zu hören! Das freut mich wirklich, dass ich das noch erlebt habe!"

Der im serbischen Banat ge

borene Sohn jüdischer Eltern wurde Ende April 1944 verhaftet, zunächst nach Auschwitz und dann nach Buchenwald deportiert. Dort kam der damals 15-jährige zum "Außenkomma­ndo Niederorsc­hel" und landete schließlic­h in einem Lager bei Halberstad­t in Sachsen-Anhalt, wo er "irgendwas für den Endsieg herstellen sollte", so Ivanji. Er überlebte. Das Jahr in der Nazi-Sklaverei prägte sein ganzes Leben. Über zwanzig Romane hat er während seines langen Lebens verfasst, in denen es um das Lagerleben geht - auch eine Art Befreiungs­strategie.

Das Museum Zwangsarbe­it sei ein Ort, so Ivanji, den er auch seinen Enkeln und Enkelkinde­rn empfehlen würde und all den jungen Menschen, die bestimmt auch kommen, "wenn es sich herumspric­ht, dass man da nicht Wände anglotzen muss, sondern etwas Neues erleben kann, wie in einem sehr guten Film."

Am 9. Mai ö net das neue Museum seine Pforten fürs Publikum - egal welchen Alters..

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Bild: Martin Schutt/dpa/picture alliance Von Prunkbau der Nazis zu einem Museum: Kolonnaden am früheren "Gauforum"

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