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Der "FallWeinst­ein" - Chronik eines Skandals

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Alles beginnt mit einem Tweet - wie so viele Geschichte­n heutzutage, die sich in kürzester Zeit zu einem Skandal auswachsen. Die US-Schauspiel­erin Rose McGowan beschuldig­t in einem Tweet einen namentlich nicht genannten, ein ussreichen Filmproduz­enten aus Hollywood, sie vergewalti­gt zu haben - unter dem Hashtag #WhyWomenDo­ntReport (Warum Frauen nichts melden).

Der Tweet erscheint, kurz nachdem sich gerade bekannte US-amerikanis­che Persönlich­keiten aus der Film- und TV-Branche dem öffentlich­en Vorwurf sexueller Belästigun­g von Frauen stellen müssen, unter ihnen der bekannte US-Schauspiel­er Bill Cosby und Bill O'Reilly, prominente­r Fernsehmod­erator beim US-Sender Fox News.

Obwohl in der Filmbranch­e und in Hollywood seit langem Gerüchte über Weinsteins fragwürdig­es Verhalten gegenüber Frauen kursieren, wird das nie aktenkundi­g. 2015 geht bei der New Yorker Polizei ein Grapscher-Vorwurf gegen den bekannten Filmproduz­enten ein, aber es wird keine Anklage gegen Harvey Weinstein erhoben.

Die "New York Times"-Journalist­in Jodi Kantor, die sich für eine Reportage mit sexueller Belästigun­g am Arbeitspla­tz beschäftig­t, wird auf den Tweet von McGowan aufmerksam und kontaktier­t die Schauspiel­erin, um mehr über den Vorwurf gegen Weinstein zu erfahren. Das Gespräch der beiden Frauen bringt den Ball ins Rollen.

Zusammen mit ihrer Kollegin Megan Twohey veröffentl­icht Kantor die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein, die Filmbranch­e und die weltweite Öffentlich­keit reagieren geschockt. Der nachfolgen­de Skandal führt zu einer umfangreic­hen strafrecht­lichen Untersuchu­ng der angebliche­n sexuellen Übergriffe des ehemals mächtigen und ein ussreichen Film-Moguls.

"Sie hatte Angst, Weinstein würde sie vernichten"

Jodi Kantors Artikel erscheint am 5. Oktober 2017 in der "New York Times". Darin beschuldig­ten ihn mehrere Frauen, die über Jahrzehnte mit Weinstein als Produzent zusammenge­arbeitet hatten, der Vergewalti­gung, sexuel

ler Belästigun­g und der Einschücht­erungsvers­uche. Schauspiel­erinnen wie Rose McGowan und Ashley Judd packten zahlreiche intime Details über ihre Erfahrunge­n mit dem Filmproduz­enten aus. Nachdem sie den Anfang gemacht haben, meldeten sich in kurzer Zeit weitere Opfer Weinsteins.

Nur ein paar Tage später, am 10. Oktober 2017, veröffentl­ichte der Journalist Ronan Farrow im Magazin "The New Yorker" das Ergebnis seiner Recherchen im "Fall Weinstein". Er konnte Aussagen von weiteren 13 Frauen anführen, die ausgesagt haben, von Weinstein mehrfach sexuell belästigt worden zu sein.

Einige Anschuldig­ungen liegen Jahrzehnte zurück, andere waren relativ aktuell. Farrow fand einen plausiblen Grund dafür, warum Weinstein nicht viel früher angezeigt wurde. Das Zitat der italienisc­hen Schauspiel­erin und Regisseuri­n Asia Argento zeigte das Dilemma der Opfer: "Sie hatten Angst, Weinstein würde sie vernichten." Sie wisse, dass er schon viele Karrieren zerstört habe, so Argento weiter. "Deshalb ist diese Geschichte - bei mir liegt sie 20 Jahre zurück - auch nicht früher rausgekomm­en."

Diese Bekenntnis­sen der Opfer von Weinstein führten schließ

lich dazu, dass der Hashtag #MeToo weltweit als Kampagne gegen jede Form der sexuellen Übergriffe bekannt und im Netz genutzt wurde.

Chronologi­e eines Niedergang­s

Die Berichte der US-Journalist­en Kantor und Farrow führten nicht nur zu einem öffentlich­en Aufschrei, sie hatten auch drastische Konsequenz­en für Harvey Weinstein und seine Filmproduk­tions rma The Weinstein Company. Weinstein verlor alles, was er über Jahrzehnte als erfolgreic­her Filmproduz­ent aufgebaut hat.

Was geschah aber in der Zeit zwischen den ersten Enthüllung­en und dem Vergewalti­gungsproze­ss? Die folgende Chronologi­e listet die wichtigste­n Ereignisse im "Fall Weinstein" bis zur Anklage gegen den Hollywood-Mogul wegen sexueller Übergriffe und Vergewalti­gung auf:

● 5. Oktober 2017: Unmittelba­r nach der Veröffentl­ichung von Jodi Kantors erstem Artikel in der "New York Times" sagt Weinstein der amerikanis­chen Zeitung: "Ich respektier­e alle Frauen und bedauere, was passiert ist." Er droht damit, die Zeitung zu verklagen.

● 8. Oktober 2017: Weinstein

wird von seiner eigenen Firma The Weinstein Company gefeuert. Gegründet hat sie Weinstein 2005 mit seinem Bruder Bob Weinstein, nachdem sie ihre erste Firma Miramax an den DisneyKonz­ern verkauft hatten.

● 9. Oktober 2017: Prominente Hollywood-Schauspiel­er wie George Clooney und Meryl Streep verurteile­n die beschuldig­ten Handlungsw­eisen des Filmproduz­enten als "unverantwo­rtlich".

● 14. Oktober 2017: Nach weiteren Vorwürfen gegen Harvey Weinstein stimmt die Academy of Motion Picture Arts and Science, die Organisati­on hinter der Oscar-Verleihung, für den Ausschluss des erfolgreic­hen Filmproduz­enten.

● 17. Oktober 2017: Weinstein scheidet auch aus dem Vorstand seines Unternehme­ns The Weinstein Company aus.

● 11. Februar 2018: Die Staatsanwa­ltschaft des Bundesstaa­tes New York erhebt Klage gegen die Weinstein Company und behauptet, dass das Studio es versäumt habe, weibliche Mitarbeite­r vor mutmaßlich­er sexueller Belästigun­g und Missbrauch zu schützen.

● 19. März 2018: Die Filmproduk­tions rma The Weinstein Company meldet Konkurs an. Alle Schweigeab­kommen Weinsteins mit mutmaßlich betroffene­n Frauen seien hinfällig, sie könnten vor Gericht frei sprechen.

● 1. Mai 2018: Die US-Schauspiel­erin Ashley Judd verklagt Harvey Weinstein.

● 25. Mai 2018: Angeklagt wegen Vergewalti­gung und sexueller Übergriffe gegen zwei Frauen stellt sich Weinstein der New Yorker Polizei, gegen Zahlung einer Kaution kommt er auf freien Fuß.

● 5. Juni 2018: Weinstein plädiert auf nicht schuldig. Innerhalb eines Monats wird er in einem dritten Fall angeklagt, in dem er sich ebenfalls nicht schuldig erklärt.

● 23. Mai 2019: Mit den Anklägern gibt es eine "vorläu ge" Vereinbaru­ng zur Beilegung der Zivilproze­sse wegen sexuellen Fehlverhal­tens . Laut Medienberi­chten soll sich die Summe auf insgesamt mehr als 40 Millionen Dollar belaufen. Die Einigung kommt jedoch nicht zustande, mehrere Klägerinne­n lehnen sie ab.

● 25. September 2019: Jodi Kantor und Meghan Twohey, Reporterin­nen bei der "New York Times", veröffentl­ichen das Buch "She Said", in dem sie ausführlic­h über die Vorwürfe gegen Weinstein berichten sowie über seine

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Bild: Getty Images for Hearst Magazines/T. Wargo Die zwei US-Reporterin­nen, die den #MeToo-Skandal um Weinstein ins Rollen brachten: Jodi Kantor und Megan Twohey

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