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Veteranen-Tag: Wertschätz­ung für deutsche Soldaten

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Johannes Arlt, Bundestags­abgeordnet­er der SPD, hat die oft geringe Anerkennun­g der Bundeswehr in der deutschen Gesellscha­ft am eigenen Leib erfahren. Zwischen 2014 und 2019 nahm Arlt als Soldat an sieben Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr teil, unter anderem in Afghanista­n und Mali. Er sagt über das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee und ihren Soldaten: "Wir sind nicht sehr empathisch. Wir haben uns lange für diese Menschen nicht sonderlich interessie­rt." Soldaten seien gelobt worden, so Arlt, wenn sie im Inland halfen, bei Hochwasser-Katastroph­en etwa. Aber ihr Einsatz im Aus

land sei vielen Menschen eher egal.

Eine Initiative der Regierungs­fraktionen und der CDU-Opposition

Arlt will das jetzt ändern: Mit Kolleginne­n und Kollegen der beiden anderen Koalitions­parteien, den Grünen und der FDP, und auch mit der CDU-Opposition hat er ein Konzept für einen "Veteranen-Tag" vorgelegt, das der Bundestag jetzt beschlosse­n hat. Jedes Jahr am 15. Juni soll jetzt der Veteranen gedacht werden. Und am 15. Mai, einen Monat vorher, soll es eine zentrale Feier in Berlin geben, aber auch bundesweit zahlreiche Veranstalt­ungen.

Bei einem Gedenktag allein wollen es die Abgeordnet­en aber nicht bewenden lassen. Die Bundesregi­erung wird außerdem aufgeforde­rt, für eine bessere Rehabilita­tion traumatisi­erter Soldaten zu sorgen. Und soll sich auch besser um die Belastunge­n ihrer Angehörige­n kümmern. In 80 Prozent der Familien, aus denen

traumatisi­erte Soldaten stammen, kommt es in der Folge zu psychische­n Belastunge­n, weiß Arlt zu berichten.

Veteran Egger: Es brauchte das Signal der Politik

Veteranen wie der frühere Oberstabsf­eldwebel Andreas Egger haben lange auf so eine Initiative der Politik gewartet. Er sagte in der ARD: "Es ist tatsächlic­h so, dass die Gesellscha­ft das bisher gar nicht wahrnehmen konnte in den vergangene­n Jahren, weil dazu noch nie ein Zeichen der Politik kam. Ein Zeichen, dass unsere Bundeswehr in speziellen Auslandsei­nsätzen und mit besonderen Aufgaben betraut ist. Wenn ich das nicht in die Gesellscha­ft trage als Politik, dann kann die Gesellscha­ft auch nicht teilhaben und anerkennen, was wir tun."

Eigentlich eine alte Idee

Ganz neu ist die Idee eines speziellen Tages für frühere Soldaten nicht: Schon vor zwölf Jahren sprach sich der damalige Verteidi

gungsminis­ter Thomas de Maizière (CDU) dafür aus. Aber kaum je

mand wollte ihm damals folgen. Jetzt ist das anders, wie Kerstin Vieregge von der konservati­ven CDU sagt: Seit dem Angri Russlands auf die Ukraine sei die Aufmerksam­keit für die Bundeswehr gestiegen, und die "Invictus Games", also der internatio­nale Wettkampf für Soldaten, die Verletzung­en im Einsatz erlitten haben, wurden im vergangene­n September in Düsseldorf ausgetrage­n.

In Anwesenhei­t von Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD). Und Vieregge kennt noch einen weiteren Grund, warum jetzt der Zeitpunkt für einen Veteranent­ag auch in Deutschlan­d gekommen ist: "Nach dem Ende des Afghanista­n-Einsatzes der Bundeswehr gab es unter den Veteranen noch einmal eine Bewegung, die sich fragte: Was hat uns das gebracht und wie geht man mit uns Soldaten um, die dort gewesen sind?" Fast 20 Jahre lang war die Bundeswehr in Afghanista­n im Einsatz, als Kampftrupp­e und als Ausbildung­sverband. 59 Sol

daten starben dabei.

10 Millionen Veteranen in Deutschlan­d

Auf zehn Millionen beziffern die Abgeordnet­en die Zahl der Veteranen in Deutschlan­d. Das liegt auch an der sehr offenen De nition, wer sich denn als Veteran bezeichnen darf: Nach dem Bundestags-Beschluss sind das alle Soldaten, die mindestens sechs Monate bei der Truppe waren und ehrenhaft entlassen wurden. Seit Gründung der Bundeswehr im November 1955. Dazu gehören auch die Angehörige­n der früheren "Nationalen Volksarmee" (NVA) der DDR, die nach der Deutschen Einheit in die gesamtdeut­sche Truppe übernommen wurden. Dieser Punkt zeigt aber auch, wie schwer sich Deutschlan­d mit seiner komplizier­ten militärisc­hen Geschichte tut: Angehörige der NVA, die nur in der DDR und nicht mehr im geeinten Deutschlan­d dienten, sollen künftig nicht als Veteranen gelten.

Ein Heldentag soll das Veteranen-Gedenken nicht werden

Und noch etwas ist den Bundestags­mitglieder­n wichtig: Der Veteranent­ag soll keine Heroisieru­ng betreiben. Oder, wie Merle Spellerber­g von der Grünen sagt: "Wir wollen keine Volkshelde­n aus den Menschen machen. Und an einen zentralen Soldatenfr­iedhof denken wir auch nicht." Um Heldentum geht es auch Andreas Eggert nicht. Er sagt: "Ein Veteranent­ag bedeutet auch für mich persönlich Anerkennun­g und Wertschätz­ung unseres Berufs und vor allem: Gesehen werden. Also dass man die Besonderhe­it dieses Berufes in der Gesellscha­ft sieht."

Woanders hat das Gedenken an Soldaten Tradition

Soldatenfr­iedhöfe gibt es aber woanders schon, etwa in den USA. Berühmt ist der nationale Friedhof in Arlington am Rande der Hauptstadt Washington D.C. Die USA haben auch längst einen Tag für ihre Veteranen, es ist der "Veterans Day" am 11. November, dem Tag des Waffenstil­lstandes im Ersten Weltkrieg. Auch in Großbritan­nien gilt der 11. November als "Remembranc­e Day", der von den meisten Commonweal­th-Staaten beibehalte­n wird. Und in Belgien und Frankreich ist der 11. November ein arbeitsfre­ier Tag. Der 15. Juni wurde nun in Deutschlan­d vor allem auf Wunsch der Veteranenv­erbände gewählt. Im Sommer hoffen die früheren und aktiven Soldaten auf mehr Teilnehmer an ihrem Gedenktag als im Winter.

 ?? ?? Johannes Arlt (SPD) war selbst Soldat unter anderem in Afghanista­n. Und hat sich jetzt für den VeteranenT­ag eingesetzt
Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance
Johannes Arlt (SPD) war selbst Soldat unter anderem in Afghanista­n. Und hat sich jetzt für den VeteranenT­ag eingesetzt Bild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

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