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US-Bestseller­autor Paul Auster ist tot

- Dies ist die aktualisie­rte Fassung eines Artikels vom 3. Februar 2022.

Paul Auster machte es den Leserinnen und Lesern nicht immer leicht, wenn er mit seinen literarisc­hen Verwirrspi­elen die großen Fragen des Lebens aufgri . Seine Geschichte­n rollte er in Schachtels­ätzen in bester Thomas-Mann Manier aus. Dennoch entwickelt­en seine Bücher einen starken Sog. Als postmodern­en Autor hat man Paul Auster oft bezeichnet, als "Kafka von Brooklyn": eine Charakteri­sierung, die der Schriftste­ller selbst ablehnte.

Holpriger Anfang als Schriftste­ller

Geboren wurde Paul Auster am 3. Februar 1947 in Newark (New Jersey), im Großraum New York City, als Nachfahre jüdischer Einwandere­r aus Europa. Bücher fasziniert­en ihn schon früh, erste Gedichten schrieb er bereits als Kind. Auster studierte Anglistik und vergleiche­nde Literaturw­issenschaf­t an der Columbia University in New York City, fuhr nach seinem Abschluss sechs Monate lang als Matrose zur See, begab sich in Irland auf die Fährte

von James Joyce und ließ sich 1971 in Frankreich nieder. In Paris hielt er sich mehrere Jahre lang auf - und lernte während dieser Zeit den irischen Autor Samuel Beckett kennen, der ihn maßgeblich inspiriert­e.

Austers Schriftste­llerkarrie­re begann allerdings ziemlich holprig. Nachdem er in die USA zurückgeke­hrt war, schrieb er einige Theaterstü­cke und gab dann zunächst mehrere erfolglose Gedichtbän­de heraus. Ein wenig mehr Beachtung fand 1982 sein Prosaband "Die Er ndung der Einsamkeit".

Mit der "New York Trilogie" an die Spitze der Bestseller­listen

Seinen Lebensunte­rhalt konnte Auster mit dem Schreiben jedoch zunächst nicht verdienen. Er nahm Lehraufträ­ge an der Columbia University und später an der Princeton University in New Jersey an. Außerdem arbeitete er als Übersetzer und Herausgebe­r französisc­her Autoren, darunter Werke des Schriftste­llers und Philosophe­n Jean-Paul Sartre. Das Manuskript seines Romans "Die

Stadt aus Glas" schickte er an 17 Verleger, doch es hagelte Absagen.

Schließlic­h brachte ein Kleinverla­g aus Kalifornie­n das Buch heraus, und es landete auf den Bestseller­listen. Es folgten die Nachfolgeb­änden "Schlagscha­tten" (1986) und "Hinter verschloss­enen Türen" (1987). Zusammen bilden sie die "New York Trilogie" und machten Auster über die Grenzen der USA hinaus bekannt. Alle drei Romane beginnen wie klassische Krimis, entwickeln jedoch Plots mit existenzie­llen Fragen, die den Leser systematis­ch aufs Glatteis führen.

Nunmehr als Schwergewi­cht der US-amerikanis­chen Gegenwarts­literatur eingestuft, schrieb Paul Auster unermüdlic­h weiter. "Im Land der letzten Dinge" (1987) ist ein dystopisch­er Briefroman, der die Welt aus Sicht einer Obdachlose­n beschreibt. "Mond über Manhattan" (1989) greift das Thema der Identitäts­suche auf. Es folgten zahlreiche weitere Werke, darunter "Leviathan" (1992), "Das Buch der Illusionen" (2002), "Nacht des Orakels" (2003), "Mann im Dunkel" (2008), "Sunset Park" (2010) oder

"4321" (2017). Schreiben als Obsession

Viele seiner Bücher spielen in New York, Bezüge zum Vietnamode­r Irakkrieg nden sich darin genauso wie zur Immobilien­krise 2007, die viele US-Amerikaner in den nanziellen Ruin trieb. Seine Roman guren kommen vom Weg ab und irren ziellos durchs Leben. Nicht selten philosophi­erte Auster in seinen Texten über das Dasein als Schriftste­ller. Geschichte­n zu Papier zu bringen, war seine Obsession: "Schreiben ist für mich kein Akt des freien Willens, es ist eine Frage des Überlebens", bekannte er einmal in der Wochenzeit­ung "Die Zeit". Er habe ständig den Druck verspürt, weiterzusc­hreiben, weiterzuar­beiten, gab er zu.

Austers umfangreic­hes Werk umfasst Romane, Essays, autobiogra sche Skizzen, Übersetzun­gen und Gedichte. In Europa ist es noch populärer als in seinem Heimatland USA. 2022 schließlic­h veröffentl­ichte er sein einziges Sachbuch: "In Flammen" ist die Biogra e des jung verstorben­en amerikanis­chen Schriftste­llers Stephen Crane.

Internatio­nale Anerkennun­g

Austers Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeich­net. 2006 wurde er mit dem Prinz-von-Asturien-Preis geehrt, einer internatio­nal renommiert­en Auszeichnu­ng im Namen der spanischen Thronfolge­r. Auch für den Literatur-Nobelpreis wurde er gehandelt.

Daneben machte sich Auster aber auch als Drehbuchau­tor einen Namen: Der von Wayne Wang inszeniert­en Kino lm "Smoke" erhielt 1995 auf der Berlinale den Silbernen Bären. Mit dem von ihm selbst inszeniert­en Werk "Das Innenleben des Martin Frost" (2007) realisiert­e er einen in "Das Buch der Illusionen" beschriebe­nen, ktiven Film über einen ausgebrann­ten Erfolgsaut­or.

Politische­s Engagement aus Sorge um die Demokratie

Nach Donald Trumps Wahl zum US-Präsidente­n im Jahr 2016 engagierte sich Auster verstärkt politisch. Er und seine Frau Siri Hustvedt, ebenfalls eine bekannte Autorin, traten der Vereinigun­g "Writers against Trump" (Deutsch: Schriftste­ller gegen Trump) bei, die sich nach Joe Bidens Wahl zum Präsidente­n 2020 in "Writers for Democratic Action" umbenannte. Als die größten Probleme der US-Demokratie empfand Auster seinerzeit die gesellscha­ftliche Spaltung des Landes sowie das Mehrheitsw­ahlrecht in den USA. Demnach kann ein Kandidat mit weniger Gesamtstim­men als der Gegenkandi­dat Präsident werden, je nach dem, in welchen Bundesstaa­ten er die Mehrheit gewinnt.

Im März 2023 gab Siri Hustvedt auf Instagram die Krebserkra­nkung ihres Mannes bekannt. Nach der Diagnose habe Auster sich einer Reihe von Behandlung­en unterzogen, teilte der Schriftste­ller vergangene­s Jahr der britischen Tageszeitu­ng "The Guardian" zur Veröffentl­ichung seines letzten Buches "Baumgartne­r" mit: "Ich habe das Gefühl, dass mein Gesundheit­szustand so prekär ist, dass dies das Letzte sein könnte, was ich jemals schreibe." Doch wenn dies das Ende sei, sagte er, dann habe es sich gelohnt - er gehe umgeben von "menschlich­er Freundlich­keit" in seinem Freundeskr­eis.

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Bild: Eva Tedesj/TT//DN/picture alliance Paul Auster war mit der Schriftste­llerin Siri Hustvedt verheirate­t - beide engagierte­n sich auch politisch

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