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Gerichtsur­teil: AfD bleibt rechtsextr­emer Verdachtsf­all

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Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) hatte die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) bereits 2021 als Verdachtsf­all eingestuft. Dagegen wehrte sich die Partei in zwei Verfahren vor dem Verwaltung­sgericht (VG) in Köln - letztlich ohne Erfolg. Nun musste die AfD eine weitere Niederlage einstecken: Das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster bestätigte am 13. Mai 2024 das Urteil der Vorinstanz.

Der Verfassung­sschutz habe bei seinen Maßnahmen die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt, erklärte das Gericht bei der Urteilsbeg­ründung. Das Vorgehen sei mit dem Grundgeset­z, dem Europaund Völkerrech­t vereinbar. Die Möglichkei­t, Revision gegen das Urteil einzulegen, hat das OVG Münster nicht eingeräumt. Der AfD bleibt nun nur noch die Möglichkei­t, gegen diese Entscheidu­ng vor dem Bundesverw­altungsger­icht (BVerwG)in Leipzig Beschwerde einzulegen.

Die Einstufung der AfD als Verdachtsf­all war die Folge davon, dass sich die Partei nach Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes zunehmend radikalisi­ert hatte. Zuvor war sie lediglich ein sogenannte­r Prüffall gewesen. In diesem Stadium durften nur offen zugänglich­en Quellen ausgewerte­t werden, um die potenziell­e Gefahr der AfD für die Demokratie einschätze­n zu können.

Verfassung­sschutz prüft Texte und Reden

Der Inlandsgeh­eimdienst konnte zu diesem frühen Zeitpunkt also nur das tun, was alle können: Artikel in Zeitungen und Online-Portalen lesen, TV-Beiträge und Videos im Internet anschauen sowie Reden von AfD-Abgeordnet­en in Parlamente­n und auf Parteitage­n hören. Was der Verfassung­sschutz dabei registrier­te, reichte ihm, um die AfD zum Verdachtsf­all hochzustuf­en.

Seitdem ist es der Behörde erlaubt, die Partei mit geheimen

Methoden ins Visier zu nehmen. Dafür können einzelne Personen in der AfD und ihrem Umfeld als vertraulic­he Informatio­nsquellen, sogenannte V-Leute, angeworben werden. Unter bestimmten Voraussetz­ungen darf auch die Telekommun­ikation überwacht werden.

Vorbild Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt?

Nach der Entscheidu­ng des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster hat der Verfassung­sschutz also weiter freie Hand, die AfD mit den klassische­n Methoden eines Geheimdien­stes zu überwachen. Inzwischen wird sogar darüber spekuliert, dass die Behörde auf Bundeseben­e schon in absehbarer Zeit einen Schritt weitergeht und das tun wird, was die Landesämte­r in den Bundesländ­ern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bereits getan haben: die AfD als "erwiesen rechtsextr­emistisch" einstufen.

Ein Anhaltspun­kt dafür könnte der im Januar 2024 veröffentl­ichte Bericht des Recherche-Kollektivs "Correctiv" über ein Treffen von Rechtsextr­emisten in Potsdam sein, bei dem es um Pläne für eine millionenf­ache "Remigratio­n" von Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln gegangen sein soll. An der Veranstalt­ung haben neben AfD-Politikern auch erzkonserv­ative Christdemo­kraten (CDU) teilgenomm­en.

Debatte um ein AfD-Verbot

Wer als "erwiesen rechtsextr­emistisch" eingestuft ist, muss mehr denn je auch damit rechnen, vom Verfassung­sschutz mit geheimen nachrichtd­ienstliche­n Mitteln ins Visier genommen zu werden. Die schärfste Form der Beobachtun­g kommt auch als Argument für ein Parteiverb­otsverfahr­en infrage. Dafür hat das Bundesverf­assungsger­icht konkrete Vorgaben formuliert: Demnach müssen "tatsächlic­he Anhaltspun­kte" dafür vorliegen, dass eine Partei die Absicht habe, die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng anzugreife­n und zu beseitigen.

Daran erinnerte der Präsident des Thüringer Verfassung­sschutzes, Stephan Kramer, schon vor dem Beginn des Berufungsv­erfahrens Mitte März: "Für ein Verbotsver­fahren muss jetzt noch der aktiv-kämpferisc­he Teil dazukommen, also ein planvolles Vorgehen", sagte Kramer damals auf einer Veranstalt­ung der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte (GFF) und der Kampagnen-Organisati­on "Campact" in Berlin und betonte: "Dafür müssen keine Straftaten begangen werden."

Kein Steuergeld für die AfD?

Über das Verbot einer Partei entscheide­t das Bundesverf­assungsger­icht. Antragsber­echtigt sind die Bundesregi­erung, der Bundestag und der Bundesrat, in dem die 16 Bundesländ­er vertreten sind. Gut möglich, dass Deutschlan­ds kleinstes Bundesland, der Stadtstaat Bremen, schon bald die Initiative ergreift. Darauf drängen die drei Regierungs­fraktionen: Sozialdemo­kraten (SPD), Grüne und Linke. Die

Mehrheit der Bevölkerun­g ist dagegen skeptisch: Im Februar

2024 waren laut Deutschlan­dtrend 51 Prozent gegen ein AfDVerbots­verfahren.

Eine andere Möglichkei­t, die Schlagkraf­t einer Partei zu schwächen, wäre der Ausschluss von der staatliche­n Parteien nanzierung. Sie ist neben Mitgliedsb­eiträgen und Spenden die wichtigste Einnahmequ­elle für die meisten Parteien. Ob man der AfD den Geldhahn zudrehen könnte, darüber gehen die Meinungen unter Fachleuten genauso auseinande­r wie bezüglich der Erfolgsaus­sichten eines Verbotsver­fahrens.

Dieser Artikel wurde am 12.03.2024 veröffentl­icht und nach dem Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts (OVG) Münster am 13.05.2024 aktualisie­rt.

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