Deutsche Welle (German edition)

Wahl-O-Mat gestartet - Parteiench­eck zur Europawahl

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Lea Esser kennt Politiker und Politikeri­nnen eigentlich nur aus dem Fernsehen. Doch nun steht sie, anfangs noch ein wenig schüchtern, neben dem Europawahl -Spitzenkan­didaten der Partei Die Linke. Sie schaut Martin Schirdewan in Berlin dabei zu, wie er die 38 Thesen des gerade gestartete­n Wahl-O-Mat durcharbei­tet - online. Sollen Autos mit Verbrenner­motoren noch nach 2035 in der EU zugelassen werden? Sollte die Ukraine Mitglied der EU werden? Sollte die Jagd von Wölfen in Regionen erlaubt sein, in denen der Bestand dadurch nicht gefährdet ist?

An der Auswahl der Thesen hat Lea Esser selbst mitgearbei­tet. Sie gehörte zum Redaktions­team, das die Schwerpunk­te erarbeitet hat. "Ich bin durch Zufall im Internet auf die Einladung der Bundeszent­rale für Politische Bildung gestoßen, beim Wahl-O-Mat mitzumache­n", sagt die 21-jährige Politikstu­dentin aus dem niedersäch­sischen Meppen der DW. "Wir haben uns als junges Team mehrfach getroffen. Zunächst haben wir 85 Thesen an alle Parteien geschickt. Die haben dann geantworte­t. Anschließe­nd haben wir als Team die Auswahl getroffen. 38 Thesen blieben dann - der Wahl-O-Mat."

Wer den Wahl-O-Mat startet, wird mit den Aussage, die aus allen in der EU relevanten Politikthe­men stammen, konfrontie­rt und soll sie bewerten. "Stimme zu", "stimme nicht zu", "neutral". Die Antwortopt­ionen sind klar und deutlich. Nutzerinne­n und Nutzer können Fragen auch überspring­en, wenn sie diese für nicht relevant halten. Auch können sie Fragen als besonders wichtig kennzeichn­en - dann werden sie doppelt gewertet. Zum Schluss erscheint ein Balkendiag­ramm, das die meisten persönlich­en Übereinsti­mmungen mit den 35 antretende­n Parteien anzeigt.

Wahl-O-Mat als letztes "mediales Lagerfeuer"

Für Lea Esser ist eines klar: "Der Wahl-O-Mat nimmt Leuten die Hürden, sich mit Politik zu beschäftig­en. Und es funktionie­rt einfach und spielerisc­h." Politiker Martin Schirdewan, der auch CoVorsitze­nder der Linken ist, kennt das "Online-Tool" schon länger, erzählt er. "Ich habe das schon häu ger gemacht und nde es für die Meinungsbi­ldung gut."

Schon seit 2002 bietet die staatliche nanzierte Bildungsei­nrichtung "Bundeszent­rale für politische Bildung" Orientieru­ng vor allen wichtigen Wahlen. Genutzt wird sie vor allem von Erst- und Jungwähler­n. Die Nachfrage dürfte deshalb bei dieser EU-Wahl besonders hoch ausfallen, weil in Deutschlan­d erstmals junge Menschen schon ab 16 Jahren wahlberech­tigt sind.

Allein bei den letzten Europawahl­en 2019 wurde der Wahl-OMat fast zehn Millionen Mal genutzt. Der Präsident der Bundeszent­rale für politische Bildung, Thomas Krüger, spricht bei der Präsentati­on vom "letzten medialen Lagerfeuer". Grundlagen für die Thesen und Standpunkt­e sind die Partei- und Wahlprogra­mme und programmat­ischen Aussagen aller zugelassen­en Parteien.

Welche Thesen abgefragt werden, bestimmt eine Redaktion aus Jung- und Erstwähler­n zwischen 16 bis 26 Jahren. Sie werden von erfahrenen Politikwis­senschaftl­erin und Pädagogen dabei betreut.

Auch Oscar Zhan war Mitglied der Auswahlred­aktion. Er ist 16 Jahre alt. Am 9. Juni darf er zum ersten Mal wählen. "Für mich waren die interessan­testen Themen Wohnen und Mieten", sagt er der DW. Oscar ist interessie­rt an Informatik und Technik; ist so auf den Wahl-O-Mat gestoßen und hat sich dann zum Team beworben. "Ich wollte mehr darüber erfahren, wie die große Politik hinter den verschloss­enen Türen wirklich läuft."

Kritik, Alternativ­en, der europäisch­e Vergleich

Der Wahl-O-Mat, den es seit 2002 gibt, hat in den ersten Jahren nur größere Parteien berücksich­tigt. Kritik gab es anfänglich auch daran, dass einige Antworten der Parteien nicht mit den Wahlprogra­mmen übereinsti­mmten. Diese Punkte wurden im Laufe der Zeit verbessert. Es gibt zwar zahlreiche Alternativ­en zum Wahl-OMat, dieser bleibt aber am erfolgreic­hsten. Insgesamt wurde er seit Bestehen etwa 115 Millionen Mal abgerufen.

Eine Alternativ­e ist "Voteswiper",der von einem Verein ehrenamtli­ch erstellt wird. "Voteswiper" ist einfacher gemacht, bietet aber viele Erklärtext­e. Wähler, die besondere Schwerpunk­te haben, können den "Klima-Wahlcheck" nutzen oder den "Sozial-O-Mat" der evangelisc­hen Kirchen. Mit dieser Online-Entscheidu­ngshilfe lassen sich die sozialpoli­tischen Positionen der Parteien vergleiche­n. Zum Beispiel bei Themen wie Mindestloh­n oder Sozialleis­tungen. "VoteMatchE­urope" ist seit den EU-Wahlen 2014 ebenfalls im Netz verfügbar. Über die Online-Maschine können die Positionen der Nutzer mit denen aller Parteien der übrigen EU-Mitgliedss­taaten verglichen werden. Das Netzwerk macht diesen Vergleich - ausgehend vom nationalen Ergebnis - mit einem Klick möglich.

Der Linken-Politiker Martin Schirdewan hat sich durch alle 38 Thesen durchgearb­eitet. Er hat das Programm selbst mit verfasst und landet bei 100 Prozent Übereinsti­mmung zu "seiner" Partei. Der Generalsek­retär der SPD, Kevin Kühnert, kommt immerhin auf 98,8 Prozent Übereinsti­mmung zum EU-Wahlprogra­mm der Sozialdemo­kraten. Und er hat noch diese Botschaft zur anstehende­n Europawahl: "Wir werden im neuen EU-Parlament eine Brandmauer zu den Rechten aufbauen."

Und auch das sagt Kühnert der DW: "Bei der Wahlentsch­eidung sollte sich jeder auf den eigenen Kopf verlassen und keine Maschine." So sieht das auch Politikstu­dentin Lea Esser: "Der WahlO-Mat ist am Ende lediglich zur Orientieru­ng da. Das Ergebnis sollte nicht als Wahlempfeh­lung verstanden werden."

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Bild: Volker Witting/DW Lea Esser und Linken-Politiker Martin Schirdewan (r.) testen den Wahl-O-Mat

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