Deutsche Welle (German edition)

Deutsche Politiker besorgt über "Agentenges­etz" in Georgien

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Der Grünen-Politiker und Staatssekr­etär in Bundeswirt­schafts- und Klimaschut­zministeri­um, Sven Giegold, möchte zu Beginn etwas Grundsätzl­iches sagen über Georgien. Er hat das Land in der vergangene­n Woche besucht. Der DW erklärt er: "Ich habe mich ein Stück weit in Georgien verliebt. Ich habe mich wie in Europa gefühlt, als ich dort war. Es ist wunderbar, mit den Menschen dort in Kontakt zu kommen. Für viele hier in Deutschlan­d ist Georgien weit weg, getrennt durch das Schwarze Meer. Aber kulturell sind wir uns sehr nah."

Umstritten­es Gesetz

Aktuell sind die Meldungen aus Georgien eher beunruhige­nd, das weiß auch Giegold. Am Dienstag dieser Woche beschloss das Parlament in Tiflis ein umstritten­es Gesetz, das zuvor viele tausend Menschen wochenlang auf die Straßen trieb: Organisati­onen und Medien, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland nanziert werden, müssen sich in der ehemaligen Sowjetrepu­blik künftig bei den Behörden als Organe registrier­en lassen, die "Interessen ausländisc­her Mächte verfolgen". Beobachter sehen darin eindeutige Parallelen zum Gesetz gegen "ausländisc­he Agenten" in Russland. Den Behörden erlaubt es dort, massiv gegen kritische Medien, Stiftungen und unabhängig­e Organisati­onen vorzugehen.

"Das entfernt Georgien wieder von Europa"

Giegold sagt: "Georgien ist auf dem Weg in die Europäisch­e Union. Die große Zahl der Bürgerinne­n und Bürger möchte das. Die Wirtschaft ist offen dafür. Und dieses Gesetz entfernt jetzt Georgien vom Rechtsstan­d der Europäisch­en Union." Und weiter: "Mein Eindruck war: Die große Mehrheit der Bürgerinne­n und Bürger will nach Europa, lehnt deshalb dieses Gesetz ab - nicht so sehr wegen der Details, sondern wegen seines nicht-europäisch­en Geistes."

Geld aus Steueroase­n?

Während seiner Gespräche, so Giegold, habe es grundsätzl­ich viel Wohlwollen gegeben. So hätten sowohl die mitreisend­en deutschen Wirtschaft­svertreter als auch die georgische Seite Interesse an weiteren gegenseiti­gen Investitio­nen bekundet. Aber es gebe auch fragwürdig­e Initiative­n der georgische­n Regierung: Konkret nannte Giegold ein Gesetz, das es erleichter­e, Gelder aus Steueroase­n nach Georgien zu bringen. Oder auch die Beschneidu­ng der Unabhängig­keit der Zentralban­k. Vereinbart habe er mit der Regierung eine Zusammenar­beit bei den Wettbewerb­sbehörden beider Länder: "Diese Behörde engagiert sich für einen intensiver­en Wettbewerb, wie auch unser Bundeskart­ellamt. Das braucht Georgien, etwa mit Blick auf die hohen Preise in den Supermärkt­en. Etwas mehr Wettbewerb würde hier den Menschen sicher helfen."

Der wichtigste Mann ist ein geheimnisv­oller Milliardär

Tatsächlic­h verfolgt die Regierungs­partei "Georgische­r Traum" ein Art Schaukelpo­litik zwischen Russland und der EU. Klar ist: Eine Bevölkerun­gsmehrheit möch

te sich von Russland lösen, der angestrebt­e Beitritt zur EU und zur NATO steht in der Verfassung. Seit dem vergangene­n Dezember hat das Land den Status eines EUBeitritt­skandidate­n. Aber der entscheide­nde Mann hinter der Partei "Georgiens Traum", der Gründer und Milliardär Bidsina Iwanischwi­li, ist mit dem jetzigen Gesetz den Interessen Russland entgegen gekommen. Er verfolgt einen eher autoritäre­n Kurs. Als das Parlament am Dienstag das Gesetz verabschie­dete, versammelt­en sich viele zumeist junge Leute in der Innenstadt von Tiflis. Einige versuchten, Barrikaden zu überwinden und ins Parlament zu gelangen. Die Polizei trieb sie zurück. Brisant: Auch die pro-westliche Staatspräs­identin Salome Surabischw­ili unterstütz­t den Protest, kann das Gesetz aber letztendli­ch nicht aufhalten.

Der deutsche Bundeskanz­ler sorgt sich

Auch der Vorsitzend­e des Aus

wärtigen Ausschusse­s im Deutschen Bundestag, Michael Roth (SPD), hielt sich diese Woche in Tiflis auf. Er sieht die heranrücke­nden EU-Beitrittsv­erhandlung­en als möglichen Grund für den jetzigen Kurswechse­l. Dann müsse die Regierung Reformen für mehr Rechtsstaa­tlichkeit und Freiheit einleiten, sagte er und fügte im Gespräch mit der "Deutschen Presse Agentur" (dpa) hinzu: "Offenbar hat man vor diesem Weg Angst und ist auch bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen." Und auch der Sprecher von Bundeskanz­ler Olaf Scholz, Wolfgang Büchner, mahnt: "Wir erinnern die georgische Regierung an ihre Zusagen aus 2023, ein solches Gesetz bedingungs­los zurückzuzi­ehen. Wir teilen die Sorge, dass sich die georgische Regierung mit dem Gesetz von ihrem Kurs auf eine Mitgliedsc­haft in der Europäisch­en Union entfernt."

Grünen-Politiker Giegold fügt dann noch hinzu: Trotz der vielen außenpolit­ischen Krisenherd­e,

wie dem Krieg in Gaza und dem russischen Angri auf die Ukraine, sei die Entwicklun­g Georgiens für Deutschlan­d ein immens wichtiges Thema. Daran ändere auch der jüngste Parlaments­beschluss nichts.

 ?? ?? Sven Giegold: "Ich habe mich in Georgien wie in Europa gefühlt"
Bild: Elmar Kremser/Sven Simon/picture alliance
Sven Giegold: "Ich habe mich in Georgien wie in Europa gefühlt" Bild: Elmar Kremser/Sven Simon/picture alliance

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