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Ukraine-Krieg: Warumkauft die EUweiter russisches Gas?
Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine strömt noch immer russisches Gas nach Europa. Damit nanzieren Unternehmen aus der EU den Kreml indirekt weiter - wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als noch vor dem UkraineKrieg. Rund 34 Prozent der europäischen Gasimporte stammten damals aus Russland. Länder in Mittel- und Osteuropa waren besonders abhängig.
Als die EU zu Beginn des Ukraine-Krieges ein Import-Verbot vorschlug, sprach sich der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sofort dagegen aus. Ohne Russland sei "die Versorgung Europas mit Energie für Wärmeerzeugung, Mobilität, Strom und Industrie derzeit nicht zu sichern", argumentierte Scholz.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war diese Sorge durchaus bewusst. Er drosselte die Gaseinfuhren nach Europa. Vor dem Winter 2022 befürchteten die europäischen Staats- und Regierungschefs einen Energieschock. Zwar sind diese Befürchtungen nie eingetreten - doch die Angst saß und sitzt noch immer tief. Auch deshalb hat die EU nie
wirklich Sanktionen gegen russisches Gas verhängt.
"Es gab keine Sanktion", sagt Benjamin Hilgenstock, Ökonom von der Kyiv School of Economics. "Es war eine freiwillige und kluge Entscheidung der Länder, die Versorgung zu diversi zieren und nicht länger von Russland erpressbar zu sein", sagte er der DW.
Wie russisches LNG-Gas Pipelinegas ersetzen?
Nach EU-Angaben ist der Anteil des von den Mitgliedstaaten importierten russischen Pipelinegases von 40 Prozent im Jahr 2021 auf etwa acht Prozent im Jahr 2023 gesunken.
Bezieht man jedoch ver üssigtes Erdgas (LNG) mit ein, dann lag der Anteil des russischen Gases an den Gesamteinfuhren der EU im vergangenen Jahr bei 15 Prozent. Flüssiggas; Erdgas, das in abgekühlter und ver üssigter
Form mit dem Schi transportiert werden kann.
Die EU konnte ihre RusslandAbhängigkeit nach Beginn des Ukraine-Krieges vor allem dadurch verringern, dass sie ihre LNG-Importe aus Ländern wie den Vereinigten Staaten und Katar erhöhte.
Doch damit kam auch vermehrt verbilligtes russisches LNG in die EU. Nach Angaben des Datenanbieters Kpler ist Russland jetzt der zweitgrößte FlüssiggasLieferant der EU.
2023 machten die Importe aus Russland 16 Prozent der gesamten LNG-Versorgung der EU aus. Das ist ein Anstieg von über 40 Prozent im Vergleich zu 2021 - also vor Kriegsbeginn. Daten aus dem ersten Quartal 2024 zeigen, dass die russischen FlüssiggasExporte nach Europa im Vergleich zum Vorjahr erneut um fünf Prozent gestiegen sind. Frankreich, Spanien und Belgien haben besonders viel LNG importiert. Auf diese drei Länder ent elen 87 Prozent des gesamten Flüssiggases, das im Jahr 2023 in die EU kam.
Länder wollen Verladung von LNG stoppen
Ein großer Teil des russischen Flüssiggases wird jedoch gar nicht für den europäischen Markt benötigt, sondern nur in europäischen Häfen umgeschlagen, sagt der Ökonom Hilgenstock. Das heißt, es kommt an - wird auf andere Schiffe verladen und dann in andere Länder exportiert. "Das hat also nichts mit der europäischen Erdgasversorgung zu tun. Es geht nur darum, dass europäische Unternehmen Geld damit verdienen, russische LNG-Exporte zu ermöglichen."
Einem aktuellen Bericht des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) zufolge wurde knapp ein Viertel der europäischen Flüssiggasimporte aus Russland (22 Prozent) 2023 wieder auf die globalen Märkte verschifft. Der Großteil ginge an Länder in Asien, sagte Petras Katinas, Energieexperte beim CREA, der DW.
Mehrere EU-Mitglieder wie Schweden, Finnland und die baltischen Staaten üben daher Druck