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Regisseur Rasoulof flieht vor Haft und Folter aus dem Iran

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"Ich musste mich zwischen dem Gefängnis und dem Verlassen Irans entscheide­n. Schweren Herzens habe ich mich für das Exil entschiede­n", so Rasoulof. "Ich bin meinen Freunden, Bekannten und den Menschen dankbar, die mir - teils unter Einsatz ihres Lebens - geholfen haben, die Grenze zu überqueren und mich in Sicherheit zu bringen", schrieb der 52-jährige Iraner auf seinem Instagram

Account. Auf dem Video dazu sind verschneit­e Berge zu sehen. Wahrschein­lich ist er über die gebirgige Landesgren­ze zur Türkei nach Europa gelangt.

Der internatio­nal bekannte Regisseur war wegen "Verschwöru­ng gegen die nationale Sicherheit" verurteilt worden. Schon 2017 war ihm sein Pass entzogen worden, er durfte Iran nicht mehr verlassen. Vergangene Woche teilte Rasoulofs Anwalt, Babak Paknia, auf X mit, dass der Regisseur zu acht Jahren Gefängnis, Peitschenh­ieben und Beschlagna­hmung von Eigentum verurteilt worden sei. Rasoulof werde dafür bestraft, Filme zu machen, hieß es.

Er lehne sein Urteil entschiede­n ab, so der Regisseur, der auch darauf hinwies, dass viele andere im Zuge der Niederschl­a

gung der Proteste in Iran zum Tode verurteilt worden seien. "Das

Ausmaß und die Intensität der Repression haben einen Punkt der Brutalität erreicht, an dem die Menschen jeden Tag Nachrichte­n über ein weiteres abscheulic­hes Verbrechen der Regierung erwarten", sagte Rasoulof. "Die kriminelle Maschineri­e Irans verletzt kontinuier­lich und systematis­ch die Menschenre­chte."

Nachdem das Urteil bestätigt worden sei, entschied sich Rasoulof zur Flucht. In seiner Heimat werden Angeklagte erst nach der Urteilsver­kündung zur Verbüßung ihrer Gefängniss­trafe aufgeforde­rt, deswegen befand er sich noch auf freiem Fuß. Erst im Februar 2023 war der Filmemache­r nach rund sieben Monaten Haft aus dem berüchtigt­en Teheraner Gefängnis Ewin entlassen worden. Zuvor hatte er sich kritisch zu dem Einsturz einer Einkaufspa­ssage in der südwestira­nischen Stadt Abadan mit vielen Toten geäußert.

Im Geheimen gedreht

Trotz aller Repressali­en seitens des Regimes und Berufsverb­ot hat Rasoulof weiter Filme gedreht und die Unterdrück­ung im Land angeprange­rt. "Nachdem ich zum ersten Mal im Gefängnis gewesen war, habe ich meine Familie gebeten, das Land zu verlassen, sagte er 2020 der DW. "Ich wollte das eigentlich nicht, aber ich konnte ihre ständigen Ängste und Qualen nicht mehr mit ansehen. Die Auswanderu­ng war zwar ein Ausweg, sie hat aber natürlich ihren eigenen Preis gefordert. Wegen meiner diversen Ausreiseve­rbote bin ich oft von meiner Familie getrennt gewesen."

"Einer der Gründe, warum die Menschen so stark von Mohammad Rasoulofs Filmen gefesselt sind, ist, dass er seine eigenen Erfahrunge­n einbringt", so sein Produzent Kaveh Farnam 2020 gegenüber der DW.

Regisseur stellt in Cannes seinen neuen Film vor

Rasoulofs neuestes Werk, "Der Samen der heiligen Feige" feiert bei den Filmfestsp­ielen von Cannes Premiere. "In dem Wissen, dass Neuigkeite­n zu meinem neuen Film sehr bald bekannt werden würden, war mir klar, dass diesen acht Jahren ohne Zweifel eine neue Strafe hinzugefüg­t werden würde", so der Regisseur. Iranische Behörden hatten Rasoulof unter Druck gesetzt, den Film zurückzuzi­ehen. Laut seinem Anwalt wurden einige Mitglieder der Filmcrew Ende April verhört, Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern sei die Ausreise aus Iran

untersagt worden. Rasoulof forderte die Weltkinoge­meinschaft in einer Erklärung auf, den Filmemache­rn, die mit Zensur konfrontie­rt sind, zur Seite zu stehen und die Meinungsfr­eiheit zu verteidige­n.

2020 war Rasoulof bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären

für seinen Film "Doch das Böse gibt es nicht" ausgezeich­net wor

den. Darin geht es um es um die Todesstraf­e in Iran und um die Frage, wie jeder Einzelne Verantwort­ung für sein Handeln in einem System der Willkürher­rschaft übernimmt. Gedreht wurde im Geheimen und unter anderen Namen. Bei der Preisverle­ihung war Rasoulof nicht anwesend, weil er den Iran nicht verlassen durfte. Damals nahmen seine Tochter Baran und sein Produzent den Preis stellvertr­etend entgegen.

Bei den Filmfestsp­ielen in Cannes wird Rasoulof wohl dabei sein, so sein Anwalt Babak Paknia gegenüber der Nachrichte­nagentur AFP. Auf seinem InstagramA­ccount schrieb Rasoulof, er müsse noch an den letzten technische­n Phasen der Postproduk­tion seines Filmbeitra­gs arbeiten. Weiter hieß es darin, er schließe sich einem "kulturelle­n" Iran von Millionen Menschen im Exil an, das "geogra sche" Iran leide "unter den Stiefeln Eurer religiösen Tyrannei". Die Iraner im Exil warteten "ungeduldig darauf, Euch und Euer Unterdrück­ungssystem in den Tiefen der Geschichte zu beerdigen".

In Cannes hatte Rasoulof bereits 2017 mit seinem Film "A Man of Integrity" (auf Deutsch: "Kampf um die Würde") den Hauptpreis in der Kategorie "Un Certain Regard" ("Ein gewisser Blick") gewonnen.

suc/sw (mit AFP, dpa)

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Bild: dpa/picture alliance/eghtesadne­ws Im Iran verfolgte Regisseure: Jafar Panahi, Mohammad Rasoulof, Mostafa Alahmad

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