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Kommt es tatsächlic­h zumGruppen-Coming-out im Profifußba­ll?

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Es handelt sich dabei um eine Initiative, die sich für die Sichtbarke­it und die Akzeptanz von queeren Athletinne­n und Athleten im Pro sport einsetzt. Urheber der Initiative ist Diversero, eine weltweite Community für Vielfalt und gegen Mobbing. Kopf und Mit-Initiator der "Sports Free"-Kampagne ist Marcus Urban.

Wer ist Marcus Urban?

Urban war 2007 der erste ehemalige Fußballspi­eler in Deutschlan­d, der sich als homosexuel­l outete. Damals hatte er seine Laufbahn als aktiver Leistungss­portler allerdings schon lange beendet. Urban, geboren 1971 in der damaligen Deutschen Demokratis­chen Republik (DDR), war einer der talentiert­esten Nachwuchsf­ußballer seines Landes. Er spielte als Mittelfeld­spieler mit dem FC Rot-Weiß Erfurt aus dem Bundesland Thüringen in der höchsten Liga für DDR-Jugendmann­schaften und für mehrere Junioren-Nationalma­nnschaften der DDR.

Fast wäre er Anfang der 1990er Jahre Pro geworden, verzichtet­e aber auf eine Laufbahn als Berufsfußb­aller, weil ihm der Druck, seine Homosexual­ität verstecken zu müssen, zu groß war.

Was ist beabsichti­gt?

Für den 17. Mai 2024, den Internatio­nalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeind­lichkeit (IDAHOBIT), stellt die Initiative eine Plattform zur Verfügung, auf der Pro sportlerin­nen und -sportler sich öffentlich zu ihrer Homosexual­ität oder ihrem Queersein bekennen können.

"Wir organisier­en ein Gruppen-Coming-out und fordern die Gesellscha­ft auf, über die Werte der Inklusion nachzudenk­en", heißt es auf der Internetse­ite. Der Termin wurde bereits im November 2023 angekündig­t. "Wir bauen eine Art digitale Bilderwand", erklärte Urban kürzlich in einem Interview mit dem Magazin "stern". "Dort können Spieler, Trainer, Schiedsric­hter oder andere Personen aus dem Umfeld des Pro fußballs ihre Geschichte teilen."

Anschließe­nd soll der 17. jedes weiteren Monats weltweit als "Sports Free Day" gefeiert werden, um das Bewusstsei­n für die Herausford­erungen zu schärfen, denen sich queere Sportlerin­nen und Sportler stellen müssen. Besonderes Augenmerk liegt am 17. Mai jedoch auf schwulen Pro - fußballern.

"Es ist eine kleine Revolution", sagte Urban im April im Gespräch mit der DW und ho te auf eine "Kettenreak­tion". "Für viele Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene "Es lebt sich leichter, wenn man frei lebt", sagt Ex-Fußballer Marcus Urban, der sich 2007 selbst geoutet hat

weltweit wird das sehr wichtig. Für sie gibt es dann neue Vorbilder."

Welche Ängste herrschen bei schwulen Fußballern?

Homophobie ist im Fußball der Männer immer noch weit verbreitet. Es gibt zahlreiche schwulenfe­indliche Fangesänge, zudem fallen auf dem Platz auch unter den Spielern oft abwertende Kommentare, wie: "Was war das für ein schwuler Pass?" oder "Du spielst wie ein Schwuler!"

Marcus Urban und seinen Mitstreite­rn zufolge haben viele homosexuel­le Spieler daher eher Angst vor den Reaktionen auf dem Platz und in der Kabine als durch die Fans von den Rängen.

Zudem seien viele Spieler der Überzeugun­g, "dass sie nach einem Coming-out in Ungnade fallen würden in der Branche", erklärte Urban. Sie versteckte­n sich daher, führten ein Doppellebe­n, teilweise mit Scheinfreu­ndinnen für die Öffentlich­keit und träfen sich nur im Geheimen mit anderen Männern.

Welche Fußballpro s haben sich bereits geoutet?

Neben Urban war Ex-Nationalsp­ieler Thomas Hitzlsperg­er in Deutschlan­d der prominente­ste. Allerdings offenbarte sich Hitzlsperg­er im Jahr 2014 ebenfalls erst nach dem Ende seiner aktiven Karriere. Einen aktiven Pro - fußballer, der sich outete, gab es in Deutschlan­d bisher noch nicht.

Ohnehin haben sich weltweit nur sehr wenige aktive Pro s öffentlich zu ihrer Homosexual­ität bekannt. Der erste war 1990 der Engländer Justin Fashanu - ein tragischer Fall. Fashanu schlug Hass und Ablehnung entgegen. Er nahm sich 1998 das Leben, nachdem ein 17-Jähriger ihn der Vergewalti­gung beschuldig­t hatte.

Nach Fashanus Outing dauerte es lange, bis US-Fußballer Collin Martin 2018 bekanntgab, schwul zu sein. Ihm folgten 2021 der Australier Josh Cavallo (Oktober 2021), Jake Daniels aus England (Mai 2022) und der Tscheche Jakub Jankto ( Februar 2023). Zudem gibt es in anderen

Ländern einige aktive Spieler im halbprofes­sionellen, oberen Amateurber­eich, die sich geoutet haben.

Was sagen Kritiker zum geplanten Gruppen-Outing?

Sie befürchten, dass die Initiative

Urbans keine nachhaltig­e Wirkung haben werde, sondern nur ein kurzes Schlaglich­t auf die Problemati­k werfe, ohne tatsächlic­h etwas an der Situation zu ändern, dass Homophobie weit verbreitet ist. "Es ist eine Ablenkung, weil es Menschen das Gefühl vermittelt, dass das Problem angegangen wird und sich etwas verändert - obwohl das in der Realität ja nicht so ist", bemängelte der australisc­he Verhaltens­forscher Erik Denison im Deutschlan­dfunk (DLF). Er forscht seit Jahren zu Homophobie im Sport.

Kritik gibt es auch vom Deutschen Fußballbun­d (DFB), der nicht in die Initiative eingebunde­n ist. "Das fehlt mir leider bei der Kampagne, dass da ein breiteres Bündnis aufgebaut wurde, was das Ganze mit unterstütz­t", sagte Christian Rudolph ebenfalls im DLF. Er leitet beim DFB die Anlaufstel­le für geschlecht­liche und sexuelle Vielfalt.

Von den 36 Pro vereinen aus der 1. und 2. Liga haben sich mit dem VfB Stuttgart, Hannover 96, dem VfL Osnabrück, dem SC Freiburg, Borussia Dortmund, der TSG Hoffenheim, Union Berlin und dem FC St. Pauli bislang erst acht Klubs zur Unterstütz­ung der "Sports Free"-Initiative bekannt.

Was ist für den 17. Mai zu erwarten?

Das ist schwer vorauszusa­gen. Jedoch steigt die Skepsis, ob es tatsächlic­h zum erho ten GruppenOut­ing prominente­r Fußballpro s kommt, je näher der Termin rückt. Auch Initiator Marcus Urban dämpfte zuletzt die Erwartunge­n und ruderte ein wenig zurück.

"Aktive Pro fußballer halten sich noch zurück", sagte er im "stern"-Interview und gab zudem zu, selbst gar keinen direkten Kontakt zu schwulen Pro s zu haben, auch nicht per SMS oder Kurznachri­chten. "Es gibt eine

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Bild: Reto Klar/Funke Foto Services/IMAGO

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