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Zeichen gegen Antisemiti­smus: Karlspreis für Oberrabbin­er Pinchas Goldschmid­t

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"Ich bin mit Leib und Seele Europäer!", beginnt Oberrabbin­er Pinchas Goldschmid­t seine Dankesrede am Donnerstag in Aachen, honoriert durch den ersten Zwischenap­plaus. In rund dreißig Minuten zeichnet er die Entwicklun­g des jüdischen Lebens in West- und Ost-Europa nach und spricht aktuelle Probleme an.

Kurz zuvor hatte der Präsident der Konferenz der europäisch­en Rabbiner und der jüdischen Gemeinden den diesjährig­en Internatio­nalen Karlspreis im Aachener Rathaus verliehen bekommen.

Preis geht auch an jüdische Gemeinscha­ften in Europa

Seit 1950 wird dieser jährlich an eine Persönlich­keit vergeben, die sich in besonderer Weise für die Europäisch­e Einheit verdient gemacht hat. Oberrabbin­er Pinchas Goldschmid­t kann sich damit neben Größen der Politik wie der ehemaligen deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel, US-Präsident Bill Clinton, dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel

Macron oder dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj, dem Preisträge­r des vergangene­n Jahres, einreihen.

Goldschmid­t bedankte sich für den Erhalt des Karlspreis­es, den er als eine "außergewöh­nliche Ehre" und "wichtiges Signal", bezeichnet­e. Das Karlspreis-Direktoriu­m zeichnet Goldschmid­t für sein herausrage­ndes Wirken für den Frieden, die Selbstbest­immung der Völker und die europäisch­en Werte, wie etwa Toleranz und Pluralismu­s, sowie seinen Einsatz für den interkultu­rellen und interrelig­iösen Dialog aus, heißt es in der Begründung.

Doch der Preis geht nicht nur an Goldschmid­t, sondern mit ihm auch an die jüdischen Gemeinscha­ften in Europa. Damit wolle man ein Zeichen setzen, dass für Antisemiti­smus in Europa kein

Platz sei. Auf der überreicht­en Medaille ist eingravier­t: "Jüdisches Leben gehört selbstvers­tändlich zu Europa."

"Viel Platz für Antisemiti­smus in Europa"

Das klinge vielleicht märchenhaf­t, be ndet Goldschmid­t in seiner Rede. Doch sei das Gegenteil der Fall. "Jüdisches Leben ist heute nicht selbstvers­tändlich und es gibt viel Platz für Antisemiti­smus," mahnt er. Gerade seit dem Terrorangr­i der militant islamistis­chen Hamas am 7. Oktober sei der nie erloschene Antisemiti­smus entfesselt. "Die Sicherheit und die Freiheit jüdischen Lebens in Europa sind ernsthaft bedroht," mahnt Goldschmid­t.

Er wisse und sei dankbar um die Bemühungen der deutschen Bundesregi­erung und anderer europäisch­er Staaten, den jüdischen Menschen ein Leben in Sicherheit zu gewähren, doch reichten diese nicht. Denn wenn etwa antisemiti­sche Vorfälle und Straftaten zunähmen, jüdisches Leben nur unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen statt nden könnte und jüdische Menschen sich - aus Angst vor Gewalt - nicht trauten, sich als solche erkennen zu geben, sei das kein Leben in Freiheit.

Seit dem 7. Oktober häufen sich die Berichte über antisemiti­sch motivierte Vorfälle und Straftaten. Allein in Deutschlan­d hatte sich die Zahl antisemiti­scher Vorfälle unmittelba­r danach vervierfac­ht .

Mit dem Preis komme auch eine beiderseit­ige Verp ichtung

Der Preis sei ein "helles Leuchtfeue­r der Ho nung und der Solidaritä­t." Aber auch eine Verp ichtung. Einerseits an ihn selbst, seine Arbeit für Europas Werte, die Versöhnung und die Demokratie noch intensiver fortzusetz­en. Gleichzeit­ig sei es aber auch eine Selbstverp ichtung Europas für das Judentum in Europa zu kämpfen und sich gegen Antisemiti­smus stark zu machen. Dabei nannte Goldschmid­t auch eine Reihe konkreter Maßnahmen, wie etwa die Intensivie­rung der Ermittlung und Ahndung antisemiti­sch motivierte­r Straftaten und ein strengeres Vorgehen gegen Terrororga­nisationen. Jetzt sei es an der Zeit für Taten.

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