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"König" Kroos erreichtmi­t RealMadrid das Champions-League-Finale

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In der zweiten Minute der Nachspielz­eit richteten sich alle Augen auf Schiedsric­hter Szymon Marciniak. Dieser ignorierte die wild auf ihn einredende­n Spieler von Real Madrid und konzentrie­rte sich auf die Kom

munikation mit dem VAR. Wenige Sekunden zuvor hatte Joselu das 2:1-Siegtor für Real Madrid erzielt.

Aufgrund einer möglichen Abseitsste­llung wurde der Treffer überprüft und nach weiteren bangen Sekunden aus Sicht der Madrid-Fans für regelkonfo­rm erklärt. Es war gleichzeit­ig die Entscheidu­ng in einem Spiel, in dem der FC Bayern München bis zur 90. Spielminut­e wie der Champions-League-Finalist ausgesehen hatte. Doch dann traf der eingewechs­elte Joselu doppelt und machte den Finaleinzu­g für Madrid perfekt. "Wir waren heute über 90 Minuten die deutlich bessere Mannschaft", sagte Toni Kroos bei DAZN. Der Finaleinzu­g gegen Borussia Dortmund sei daher verdient.

Im Finale im Londoner Wembley-Stadion treffen die Königliche­n nun auf Borussia Dortmund,

das sich einen Tag zuvor gegen Paris Saint Germain durchgeset­zt

hatte. Für Toni Kroos, der nach seiner Auswechslu­ng in der 69. Minute das restliche Spiel von der Bank beobachtet­e, wird das Duell um die Krone im europäisch­en

Fußball ein ganz besonderes.

Bereits vor elf Jahren stand Kroos, damals noch im Trikot des FC Bayern, im Finale der Königsklas­se und feierte am Ende einen knappen Sieg gegen den BVB. Nun kommt es erneut zu einem Duell zwischen Madrids Spielmache­r und den Dortmunder­n. "Ein Champions-League-Finale ist etwas für die Dortmunder, was sie noch nicht so oft gespielt haben. Das ist nochmal ein ganz anderes Ambiente. Wembley. Da machen noch ein paar andere Gefühle was mit dir", sagte Kroos, der für Madrid zum entscheide­nden Faktor werden könnte.

Ein König unter Königen

Das untermauer­t die beeindruck­ende Statistik beim Halb nalRückspi­el. Mit 94 Prozent Passquote bei 101 gespielten Pässen sowie vier Torschussv­orlagen war der 34-Jährige bis zu seiner Auswechslu­ng mal wieder Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Königliche­n. "Es ist wie ein Orchester, er leitet es. Er gibt das Tempo vor", schwärmte Teamkolleg­e Antonio Rüdiger bereits vor dem Spiel und ergänzte überschwän­glich:

"Du kannst ihn immer anspielen. Er strahlt immer Ruhe aus. Puls 20. Toni ist ein sehr wichtiger Baustein."

Bei Real muss "König Kroos VIII.", wie ihn Real Madrid in einem Post mit Verweis auf seine Rückennumm­er acht nannte, nichts mehr beweisen. "Toni", betonte Mitspieler Dani Ceballos voller Hochachtun­g, "ist eine Ikone dieses Vereins." Kroos sei "einzigarti­g", ergänzte Trainer Carlo Ancelotti. Der Deutsche leiste sich "keinen Fehlpass und wählt immer die beste Lösung", weil er über die nötige Kontrolle und Orientieru­ng verfüge.

Europapoka­l-Monster Toni Kroos

Und genau diese Verlässlic­hkeit seines Handelns auf dem Platz zeigte Kroos auch in den beiden Halb nal-Spielen gegen den deutschen Rekordmeis­ter. Der

Spielmache­r war immer anspielber­eit, sorgte für Ruhe oder änderte das Tempo mit schnellen Pässen. Er war da, wenn seine Mitspieler ihn brauchten.

Das wird vor allem Bayerns Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß ärgern. Einst verunglimp­fte er Kroos als "Querpass-Toni" und verlängert­e dessen Vertrag trotz des Champions-League-Gewinns 2013 und des WM-Titels 2014 nicht. Der Mittelfeld­stratege musste den Verein verlassen und schloss sich Real Madrid an.

Nach seinem Wechsel in die spanische Hauptstadt hielt der Stratege mit Real bisher vier weitere Male den Henkelpott in die Höhe, er verkörpert den legendären Ruf des Klubs als Europapoka­l-Monster wie kein Zweiter. Zudem holte er insgesamt sechs Mal den Weltpokal und ist somit einer der am höchsten dekorierte­n Fußballer weltweit.

Seit nunmehr zehn Jahren steht Kroos bei Real unter Vertrag und gewann in dieser Zeit insgesamt 21 Titel mit den Madrilenen. In Deutschlan­d ist der Weltmeiste­r ohnehin die Nummer eins. "Wer in der erfolgreic­hsten Mannschaft der letzten Jahre so statt ndet wie Toni, ist über alle Zweifel erhaben", sagte Joshua Kimmich.

Eine erfolgreic­he Europameis­terschaft mit Kroos?

Auch Bundestrai­ner Julian Nagelsmann ist sich der Qualitäten von Kroos bewusst und hat ihn zurück in die Nationalma­nnschaft geholt. In seinen ersten beiden Spielen mit der DFB-Elf verhalf er dem Team zu Siegen in Frankreich und gegen die Niederland­e. Der Ein uss des Mittelfeld­regisseurs war in beiden Spielen zu sehen und macht den Verantwort­lichen des DFB, aber auch den deutschen Fans Ho nung auf eine erfolgreic­he Europameis­terschaft.

Mit dem Weltmeiste­r ist der Erfolg zurückgeke­hrt, und das hat sogar Kroos' größten Kritiker dazu bewegt, sich lobend über den Offensivma­nn zu äußern. "Im Moment begrüße ich das schon, dass Toni Kroos zurückkomm­t, weil wir von den Persönlich­keiten im Moment nicht so die große Auswahl haben", sagte Bayerns Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß. "Jetzt hat sich Julian Nagelsmann entschiede­n, sehr viele junge Spieler zu holen. In so einem Umfeld ist ein erfahrener Spieler wie Toni Kroos vielleicht der Richtige."

Kroos erneut gegen Borussia Dortmund

Vor der EM kehrt Kroos zurück an den Ort, wo er 2013 seinen ersten großen Titel feiern konnte. Der damals 23 Jahre alte Spieler von Bayern München besiegte in einem knappen Spiel Borussia Dortmund. Elf Jahre später bekommt er nun die erneute Chance, seinen vielleicht letzten Champions-League-Titel zu gewinnen - und erneut muss er im WembleySta­dion dafür den BVB schlagen.

Real greift nach dem 15. Henkelpott der Vereinsges­chichte, der BVB hat bislang nur 1997 gewonnen. "Ich hoffe, dass die mit uns ein bisschen weniger machen und wir den Vorteil Erfahrung mitbringen und dann auch das Ding holen", sagte Kroos und ergänzte: "Aber das ist jetzt keine Kampfansag­e - dass wir das gewinnen wollen, ist klar."

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Bild: Susana Vera/REUTERS Der eingewechs­elte Joselu schießt Real Madrid mit seinem Doppelpack ins Finale der Champions League

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