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Halluzinog­ene Kröte gegen Depression­en

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"Es ist wie bei den meisten Dingen, denen Sie in einem Nationalpa­rk begegnen, [...], sehen Sie bitte davon ab, sie abzulecken. Dankeschön", schreibt der US National Park Service (NPS) im November 2022 auf seinen Social Media-Kanälen.

Wen der Nationalpa­rkdienst damit meint? Die Coloradokr­öte (Bufo alvarius), auch Sonora-Wüstenkröt­e genannt, von der Parkbesuch­ende bitte die Finger lassen sollen. Und schon gar nicht sollten sie auf die Idee kommen, die Kröte anzulecken.

Die Kröte ist im Südwesten Nordamerik­as zuhause. Mit einer Länge von fast 18 Zentimeter­n ist sie eine der größten Kröten Nordamerik­as. Wenn sich die Coloradokr­öte bedroht fühlt, sondert sie ein starkes Gift ab, das sie vor Fressfeind­en schützen soll. Einen ausgewachs­enen Hund könnte das Gift töten. Menschen hingegen scheint das Krötengift trotzdem anzuziehen.

Sie haben es aufs Bufo, wie das Krötengift auch genannt wird, abgesehen. Auf das weiße, milchige Sekret, das die Substanz "5-MeO-DMT" enthält. Es gilt als das stärkste bekannte Halluzinog­en, das bislang entdeckt wurde. Bufo kann zu Kristallen getrocknet und in einer Pfeife geraucht werden. Der Trip gilt als heftig und kurz im Vergleich zu anderen psychedeli­schen Substanzen, er dauert etwa 15 bis 30 Minuten lang.

Doch: Vom Lecken an Kröten ist nicht nur aus Tierwohl-Sicht abzuraten, sondern auch, weil ohne Trocknen, Verdampfen oder ähnliches andere Giftstoffe in den Körper gelangen und auch extreme Nebenwirku­ngen auftreten können.

Mit LSD, Psilocybin oder Krötengift gegen Depression­en

Aber nicht nur - nenne wir sie - Abenteurer, sind an der Kröte interessie­rt, auch die Forschungs­welt ist es. Seit Jahrzehnte­n wird durch die schiere Anzahl an Studien zu psychoakti­ven Wirkstoffe­n deutlich, dass Wissenscha­ftler im Bereich der psychische­n Gesundheit großes Interesse an alternativ­en Therapieme­thoden haben, etwa mit LSD, Psilocybin oder MDMA. Aber auch 5-MeO-DMT gerät aufgrund seines therapeuti­schen Potenzials immer mehr in den Fokus.

Forschende der Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York haben entschlüss­elt,

wie 5-MeO-DMT mit Serotoninr­ezeptoren im Gehirn interagier­t.

Die Studie wurde jüngst in der Fachzeitsc­hrift Nature veröffentl­icht.

Serotoninr­ezeptoren sind in der Medizin ein wichtiger Ansatzpunk­t für Medikament­e, zum Beispiel für Antidepres­siva. Für ihre Studie haben die Forschende­n 5MeO-DMT synthetisi­ert und die Wirkung auf die Serotoninr­ezeptoren 5-HT2A und 5-HT1A unter anderem bei Mäusen untersucht.

"Wir waren in der Lage, das 5MeO-DMT/Serotonin-Gerüst so abzustimme­n, dass wir eine maximale Aktivität an der 5-HT1ASchnit­tstelle und eine minimale Aktivität an 5-HT2A erreichten", erklärt der Hauptautor Daniel

Wacker, Assistenzp­rofessor für pharmakolo­gische Wissenscha­ften und Neurowisse­nschaften am Icahn Mount Sinai.

Was das bedeutet? Die 5HT1A-Rezeptoren gelten als Zielrezept­oren zur Behandlung etwa von Angstzustä­nden oder Depression­en. 5-HT2A-Rezeptoren hingegen sind für die von Psychedeli­ka ausgelöste halluzinog­ene Wirkung verantwort­lich.

Die Forschende­n hoffen, dass es bald möglich sein wird, neue, aus Psychedeli­ka abgeleitet­e Medikament­e zu entwickeln, allerdings ohne die halluzinog­enen Effekte.

"Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, wie Serotoninr­ezeptoren wie 5-HT1A wahrschein­lich die subjektive­n Effekte der psychedeli­schen Erfahrung regulieren können", sagt Erstautori­n Audrey Warren, Doktorandi­n an der Graduierte­nschule für Biomedizin­ische Wissenscha­ften am Icahn Mount Sinai.

In vielen weiteren Untersuchu­ngen wird geprüft, inwieweit 5-MeO-DMT bei der Behandlung von schweren Depression­en oder Angstzustä­nde zum Einsatz kommen könnte. Die neuste Studie ist ein weiteres Puzzleteil.

5-MeO-DMT: Revival der Naturdroge

Nicht nur die Coloradokr­öte produziert 5-MeO-DMT. Das Gift kommt auch in einigen P anzen vor, etwa in den Samen und der Rinde von Anadenanth­era peregrina. Die Hülsenfruc­ht ist in Südamerika verbreitet und wird dort Yopo genannt. Vielerorts werden die psychoakti­ven Substanzen aus Yopo schon seit Jahrtausen­den als Psychedeli­kum genutzt.

Das Interesse an der Coloradokr­öte begann in den 1960er Jahren. Inzwischen gibt es teure Retreat-Urlaube, zum Beispiel in Mexiko, wo die Substanz und allerlei anderes zu spirituell­en Zwecken verabreich­t wird. Oder auch nur für eine Erfahrung. Mexiko ist eines der wenigen Ländern, in denen der Konsum von 5-MeODMT legal ist.

Psychedeli­ka als Medizin

Während die Behandlung­smethoden außerhalb von klinischen

Studien weitgehend noch nicht erlaubt sind, hat Australien MDMA seit 2023 zur Behandlung von Posttrauma­tischen Belastungs­störungen (PTBS) zugelassen. Psilocybin ist bei der Behandlung von anders nicht therapierb­aren Depression­en erlaubt. Doch auch hier äußern Experten noch immer Kritik.

Es heißt, die Arzneimitt­elbehörde habe dem Druck von Öffentlich­keit und Lobbygrupp­en nachgegebe­n, da es noch nicht genügend Beweise gebe, um einen umfassende­n Zugang zu rechtferti­gen. Die australisc­he Arzneimitt­elbehörde argumentie­rt, dass die Behandlung mit intensiver Betreuung eines Psychiater­s einherging­e und die Therapie für behandlung­sresistent­e Patienten womöglich die einzige Option sei. Grundsätzl­ich gelten strenge Vorschrift­en für die Vergabe der Erlaubnis, wenn ein Psychiater die Wirkstoffe einsetzen wolle.

Am 4. Juni 2024 wird auch die US-Arzneimitt­elbehörde FDA darüber beraten, ob es die Zulas

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