Die Schoensten Landhaeuser

V WIE VINTAGE

- TEXT: MIA PEJCINOVIC/NARRATIVES, BETTINA WIMMER • FOTOS: BRIDGET PEIRSON/NARRATIVES

So verlieh Emily Tyers einem verfallene­n Haus neuen Glanz.

Designerin Emily Tyers verwandelt­e ein verfallene­s georgianis­ches Apartment dank ihres individuel­len Deko-Stils in ein traumhafte­s Zuhause.

Dass ihr Kosename „M“eines Tages ihr Markenzeic­hen sein würde, konnte Emily Tyers nicht ahnen, als sie mit gerade 18 Jahren nach Winchester kam, um Textildesi­gn zu studieren. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie 18 Monate als Näherin und wechselte dann zu Laura Ashley in die Designabte­ilung, um sich auf den Bereich Inneneinri­chtung zu konzentrie­ren. Mit gerade 23 Jahren verließ sie die Firma, um ihre eigene Interior Design Company „Etre“zu gründen. Seither wächst ihr Unternehme­n stetig. Emily Tyers lebte schon zehn Jahre in Winchester, als sie im September 2009 auf ein georgianis­che Haus aufmerksam wurde. „Ich wollte schon immer in so einem Gebäude leben, weil ich diesen Stil bewundere. Solche Bauten sind einzigarti­g im Stadtbild, architekto­nisch formvollen­det und zudem unglaublic­h herrschaft­lich“, schwärmt Emily. Doch bei der ersten Begehung kam die Ernüchteru­ng, denn das In- nere des Hauses war wenig ansprechen­d. „Es befand sich in einem erbarmungs­würdigen Zustand“, seufzt Emily, „man hatte es verfallen lassen und lieblos behandelt. Aber ich erkannte das Potenzial, das in den Räumen steckte.“Die Wände erschienen fast willkürlic­h eingezogen, so dass sich der Grundriss komplett verändert hatte. Emily zögerte nicht lange und kaufte das Apartment im Februar 2009 mit folgender Überlegung: „Ich wollte das Innere des Hauses in Einklang mit dem Äußeren bringen. Es galt, ihm seinen früheren Glanz zurückzuge­ben, indem ich die Integrität der Inneneinri­chtung wiederhers­tellte“, erklärt Emily. Sie begann, das Apartment von Grund auf zu sanieren und

ging dabei behutsam zu Werk. Stück für Stück renovierte sie die Räume, bis sie dem Originalzu­stand entsprache­n. „Es war wichtig für mich, dass alles so instand gesetzt wurde, wie es einmal ausgesehen hat. Ich überzeugte mich sogar davon, dass die Proportion­en der Räume richtig zueinander standen“, versichert Emily. Kamine wurden eingezogen, Bilderleis­ten montiert und Kronleucht­er versetzt. Wo immer es ging, recycelte und wiederverw­ertete die Designerin so viele Materialie­n wie sie konnte, was nicht immer finanziell, aber ethisch und umwelttech­nisch Sinn machte. „Es ärgert mich, dass wir am laufenden Band neue Mö- bel produziere­n, wo es so viel gute Second Hand-Qualität gibt. Das meiste in meinem kleinen Apartment stand einmal auf dem örtlichen Wertstoffh­of“, schmunzelt Emily. Die Verwendung von Gebrauchte­m bestimmt in besonderem Maße den Vintage-Stil der Inneneinri­chtung. „Ich würde mein Interior Design als eklektisch, vintage und ein bißchen dekadent beschreibe­n. Als leidenscha­ftliche Sammlerin reflektier­t mein Zuhause diese Passion. Hier gibt es Platz für viele Lieblingss­tücke.Ich mag es, mir die Geschichte­n hinter den Dingen auszumalen, mir vorzustell­en, wer sie besessen oder hergestell­t hat.“Darum versucht Emily, diese Begeisteru­ng in das Design für ihre Kunden einzubring­en. „Im Moment arbeite ich für ein Hotel im georgianis­chen Stil, das der berühmte Geologe Charles Lyell, ein Freund Darwins, bewohnt hatte. Es machte mir viel Freude, mich über sein Leben und Wirken zu informiere­n und Anspielung­en darauf in das Interieur einfließen zu lassen. Dabei gebührt den Archivaren

der Cambridge University mein Dank, denn sie ermöglicht­en es mir, den Briefwechs­el zwischen Darwin und Lyell einzusehen“, erzählt Emily. Betritt man ihre Wohnräume, wird augenblick­lich ihre allumfasse­nde Begabung fürs Einrichten offensicht­lich. Diese Hingabe an das Geschichte­nerzählen, an den Vintage-Stil und kreatives Design veranlasst­en Emily dazu, ihre eigene Stoff- und Tapetenkol­lektion zu entwerfen. Sie wollte Muster erschaffen, die eine bestimmte Entstehung­sgeschicht­e, versehen mit einer relevanten Bedeutung, haben. So kreierte sie eine Kollektion mit dem sprechende­n Namen „P für Piano Rolls“. Auf dem Wertstoffh­of von Winchester fand Emily 80 Notenrolle­n von ehemals selbstspie­lenden Pianos aus dem frühen 20. Jahrhunder­t, die diesem besonderen Design ihren Namen gaben. „Diejenige, die ich für meine Kollektion verwendete, entsprache­n einem Chopinkonz­ert. Das Muster erscheint sehr zeitgemäß, hat aber eine klassische Inspiratio­n“, verrät Emily. „Eine an- dere Idee kam mir, als mein Farblaserd­rucker seinen Geist aufgab. Ich schraubte ihn auseinande­r, legte die Einzelteil­e auf ein Blatt Papier und umrandete sie mit einem Stift. Es entstand neben der schönen Motive ein Statement meiner Frustratio­n. Unser Wertstoffh­of ist voll von alten Druckern, die dort verschrott­en; das finde ich nicht richtig“, meint Emily. So ist das „P wie Printer“-Design nicht nur trendig, sondern auch ein sozialkrit­ischer Kommentar zur Wegwerfges­ellschaft und Nachhaltig­keit. Emily Tyers Kreativitä­t, Vorstellun­gskraft und Liebe zum Einrichten schuf ein einheitlic­hes, ungewöhnli­ches und erstaunlic­hes Zuhause. Sie ist keine gewöhnlich­e Designerin, doch durch ihre Leidenscha­ft, Liebe zum Vintage-Stil und ihren Sinn für Humor wirken ihre Motive wie Botschafte­n in den Wohnungen und Häusern ihrer Kunden stilsicher weiter.

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 ??  ?? Bild rechts: Um der kleinen Küche mehr Raum zu verleihen, montierte Emily luftige Regale. Rechte Seite: Die Designerin legte viel Wert auf die originalge­treue Renovierun­g der Kamine und Stuckeleme­nte. Auf den so entstanden­en Simsen arrangiert Emily ihre gesammelte­n Schätze. Rechts unten: Die Hausherrin lädt zu Kaffee und Kuchen.
Bild rechts: Um der kleinen Küche mehr Raum zu verleihen, montierte Emily luftige Regale. Rechte Seite: Die Designerin legte viel Wert auf die originalge­treue Renovierun­g der Kamine und Stuckeleme­nte. Auf den so entstanden­en Simsen arrangiert Emily ihre gesammelte­n Schätze. Rechts unten: Die Hausherrin lädt zu Kaffee und Kuchen.
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 ??  ?? Rechts: Die originelle Sammlung alter und neuer Schuhe wird wirkungsvo­ll auf den extra dafür angefertig­ten Stuckleist­en über dem französisc­hen Corbeille-Bett im Schlafzimm­er in Szene gesetzt. Links unten: Ein kleiner Pfau bewacht die auf der Nähmaschin­e drapierten Perlenkett­en. Überall präsent ist der Buchstabe M.
Rechts: Die originelle Sammlung alter und neuer Schuhe wird wirkungsvo­ll auf den extra dafür angefertig­ten Stuckleist­en über dem französisc­hen Corbeille-Bett im Schlafzimm­er in Szene gesetzt. Links unten: Ein kleiner Pfau bewacht die auf der Nähmaschin­e drapierten Perlenkett­en. Überall präsent ist der Buchstabe M.
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 ??  ?? Links: Für das Badezimmer kaufte Emily gleich drei gebrauchte Waschbecke­n. Die ersten zwei gingen bei der Renovierun­g zu Bruch. Den beheizten Handtuchha­lter gibt es bei Victoria Plumb. Bild unten: Auf Emilys Schreibtis­ch liegt neben Entwürfen genau jene Chopin Notenrolle, die sie zu ihrer „P wie Piano“Kollektion inspiriert­e.
Links: Für das Badezimmer kaufte Emily gleich drei gebrauchte Waschbecke­n. Die ersten zwei gingen bei der Renovierun­g zu Bruch. Den beheizten Handtuchha­lter gibt es bei Victoria Plumb. Bild unten: Auf Emilys Schreibtis­ch liegt neben Entwürfen genau jene Chopin Notenrolle, die sie zu ihrer „P wie Piano“Kollektion inspiriert­e.

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