Manchmal ist weniger mehr
Ganz romantisch ist die Geschichte eines jungen Malers, der in einem kleinen Fischerhaus von 1710 sein Traumhaus fand und von London aufs Land zog.
Ein kleines Fischerhaus aus dem Jahr 1740 im Küstenort Shaldon hatte es dem Künstler Matthew Wright so angetan, dass er alle Warnungen seiner Freunde in den Wind schlug.
Seit Matthew Wright einen Stift halten kann, malt und zeichnet er alles, was um ihn herum geschieht. Seine Mutter motivierte den kleinen Künstler von Anfang an. Sie hängte immer eine Auswahl seiner Bilder auf und präsentierte sie stolz ihren Freundinnen. Heute kann der Brite keine Landschaft, kein Gebäude und keine Person anschauen, ohne zu überlegen, wie die Form, die Farbe, das Licht und die Atmosphäre miteinander in Bezug stehen. Das ist es wohl, was mit dem „Blick des Künstlers“gemeint ist. Wen wundert es, dass Matthew auch beruflich eine kreative Richtung einschlug. „Es begann mit einer Ausbildung zum Bühnenbildner in Birmingham“, erzählt uns Matthew. „Danach ging ich nach London, um an der Slade School of Arts zu studieren.“Nach spannenden und sehr intensiven Arbeitsjahren am Theater und beim Fernsehen hatte es Matthew geschafft, sich einen Namen zu machen. Sein Können sprach sich in der Branche schnell herum und lukrative Aufträge ließen nicht lange auf sich warten. Mit seinen Aufsehen erregenden Schaufenstergestaltungen für Unternehmen wie Harrods oder Selfridges gewann er so manchen Design Award. Inzwischen lebt er seinen persönlichen Traum. Als Vollzeitkünstler kann er seinen Tag frei einteilen und sich ganz dem Malen und Zeichnen widmen, ohne Ablenkungen. Das passende Domizil zu seinem Leben fand
IM SCHLAFZIMMER SAMMELT DER KÜNSTLER NEUE IDEEN UND LÄSST SICH INSPIRIEREN
Matthew rein zufällig, bei einem Sommerurlaub in Devon. „Vor einigen Jahren besuchte ich ein paar Freunde, die in Shaldon ein Haus am Meer gemietet hatten“, berichtet der sympathische Maler. „Ich stolperte förmlich über ein heruntergekommenes Fischerhaus, das damals zum Verkauf stand.“Diese Begegnung wurde sein Schicksal, und obwohl seine Freunde vehement versuchten, ihm den Kauf auszureden, konnte Matthew an nichts anderes mehr denken. Stimmt, das Haus war winzig, die Zimmer verschachtelt und der Zustand absolut desolat, dennoch erkannte der feinsinnige Beobachter den wahren Charakter seines neuen Domizils und kaufte es. Das Problem war allerdings: Über viele Jahre war es an Feriengäste vermietet worden, Investitionen wurden kaum getätigt. Zahllose Schichten von Tapeten ließen die sowieso schon kleinen Räume noch enger wirken, die schmuddelige Küche war ein Relikt aus den 1950er-Jahren und das Bad mit Wänden aus Melamin verkleidet. „Die ersten Wochen fühlte ich mich wie auf einer archäologischen Ausgrabungsstätte“, beschreibt Matthew seine Eindrücke. „Lage für Lage entblätterte ich das Haus bis auf die unterste Schicht.“Die Dachbalken waren marode, weil es jahrelang durch schief sitzende oder fehlende Ziegel hereingeregnet hatte. Matthew entschied sich für einen kompletten Neuaufbau des Dachstuhls und vergrößerte in diesem Arbeitsschritt auch die niedrigen Räume der ersten Etage, indem er sie bis zum Giebel öffnete. Dachflächenfenster fungieren als zusätzliche Lichtquellen. Unter Lagen von abgetretenem Linoleum schlummerte der ursprüngliche Holzboden, den Matthew sorgfältig abschliff und mit einer Lauge bleichte, bevor er ihn mit Öl einließ. Für Flur, Speisekammer, Küche und Bad wählte Matthew helle
Bodenfliesen aus Kalksandstein, die einen harmonischen Übergang zum Holzboden bilden. Die Kücheneinrichtung erforderte ein besonderes Maß an Fingerspitzengefühl. Für handelsübliche Schränke war beim besten Willen kein Platz, darum entwarf und baute sich Matthew zwei Einbauzeilen auf Maß mit gemauerten Zwischenwänden und hellgrauen Holztüren. Arbeitsplatten aus massivem Buchenholz wurden an den Ecken abgerundet und millimetergenau eingepasst. Das Tellerschränkchen und das schmale Regal mit dem Ornament stammen vom Flohmarkt. Matthew restaurierte sie gründlich und verpasste ihnen einen frischen Anstrich, bevor sie in die neue Küche durften. Der Wohnraum ist multifunktional: Sofa und Chaiselongue definieren den Sitzbereich, auf der anderen Seite positionieren sich Tisch und Stühle zur Essecke. Die maritim angehauchten Schlafzimmer liegen in der oberen Etage. Hier findet man kleine Boote in bunten Farben, die der Hausherr aus Treibholz selber baut. Flickenteppiche und Läufer sorgen für ein gemütliches Ambiente. Dank der neu gewonnenen Raumhöhe wirken die Zimmer luftig und freundlich. Vom Gästebett aus können Besucher vor dem Einschla- fen die vielen Sterne zählen, bevor sie müde von der salzigen Seeluft in tiefen Schlaf sinken. „Hier an der Küste werden die Tage vom Herzschlag des Meeres bestimmt“, sinniert Matthew. „Mal ist es aufbrausend und unbeherrscht, dann wieder ruhig und kristallklar. Ich bekomme einfach nicht genug davon, es zu malen.“Und seine Kunden können scheinbar von seinen Bildern nicht genug bekommen, denn sie sind bereits verkauft, noch bevor die Farbe getrocknet ist.