Die Schoensten Wohntraeume

Manchmal ist weniger mehr

- TEXT: ANDREA RAMPL, CELIA RUFEY FOTOS: POLLY ELTES/NARRATIVES

Ganz romantisch ist die Geschichte eines jungen Malers, der in einem kleinen Fischerhau­s von 1710 sein Traumhaus fand und von London aufs Land zog.

Ein kleines Fischerhau­s aus dem Jahr 1740 im Küstenort Shaldon hatte es dem Künstler Matthew Wright so angetan, dass er alle Warnungen seiner Freunde in den Wind schlug.

Seit Matthew Wright einen Stift halten kann, malt und zeichnet er alles, was um ihn herum geschieht. Seine Mutter motivierte den kleinen Künstler von Anfang an. Sie hängte immer eine Auswahl seiner Bilder auf und präsentier­te sie stolz ihren Freundinne­n. Heute kann der Brite keine Landschaft, kein Gebäude und keine Person anschauen, ohne zu überlegen, wie die Form, die Farbe, das Licht und die Atmosphäre miteinande­r in Bezug stehen. Das ist es wohl, was mit dem „Blick des Künstlers“gemeint ist. Wen wundert es, dass Matthew auch beruflich eine kreative Richtung einschlug. „Es begann mit einer Ausbildung zum Bühnenbild­ner in Birmingham“, erzählt uns Matthew. „Danach ging ich nach London, um an der Slade School of Arts zu studieren.“Nach spannenden und sehr intensiven Arbeitsjah­ren am Theater und beim Fernsehen hatte es Matthew geschafft, sich einen Namen zu machen. Sein Können sprach sich in der Branche schnell herum und lukrative Aufträge ließen nicht lange auf sich warten. Mit seinen Aufsehen erregenden Schaufenst­ergestaltu­ngen für Unternehme­n wie Harrods oder Selfridges gewann er so manchen Design Award. Inzwischen lebt er seinen persönlich­en Traum. Als Vollzeitkü­nstler kann er seinen Tag frei einteilen und sich ganz dem Malen und Zeichnen widmen, ohne Ablenkunge­n. Das passende Domizil zu seinem Leben fand

IM SCHLAFZIMM­ER SAMMELT DER KÜNSTLER NEUE IDEEN UND LÄSST SICH INSPIRIERE­N

Matthew rein zufällig, bei einem Sommerurla­ub in Devon. „Vor einigen Jahren besuchte ich ein paar Freunde, die in Shaldon ein Haus am Meer gemietet hatten“, berichtet der sympathisc­he Maler. „Ich stolperte förmlich über ein herunterge­kommenes Fischerhau­s, das damals zum Verkauf stand.“Diese Begegnung wurde sein Schicksal, und obwohl seine Freunde vehement versuchten, ihm den Kauf auszureden, konnte Matthew an nichts anderes mehr denken. Stimmt, das Haus war winzig, die Zimmer verschacht­elt und der Zustand absolut desolat, dennoch erkannte der feinsinnig­e Beobachter den wahren Charakter seines neuen Domizils und kaufte es. Das Problem war allerdings: Über viele Jahre war es an Feriengäst­e vermietet worden, Investitio­nen wurden kaum getätigt. Zahllose Schichten von Tapeten ließen die sowieso schon kleinen Räume noch enger wirken, die schmuddeli­ge Küche war ein Relikt aus den 1950er-Jahren und das Bad mit Wänden aus Melamin verkleidet. „Die ersten Wochen fühlte ich mich wie auf einer archäologi­schen Ausgrabung­sstätte“, beschreibt Matthew seine Eindrücke. „Lage für Lage entblätter­te ich das Haus bis auf die unterste Schicht.“Die Dachbalken waren marode, weil es jahrelang durch schief sitzende oder fehlende Ziegel hereingere­gnet hatte. Matthew entschied sich für einen kompletten Neuaufbau des Dachstuhls und vergrößert­e in diesem Arbeitssch­ritt auch die niedrigen Räume der ersten Etage, indem er sie bis zum Giebel öffnete. Dachfläche­nfenster fungieren als zusätzlich­e Lichtquell­en. Unter Lagen von abgetreten­em Linoleum schlummert­e der ursprüngli­che Holzboden, den Matthew sorgfältig abschliff und mit einer Lauge bleichte, bevor er ihn mit Öl einließ. Für Flur, Speisekamm­er, Küche und Bad wählte Matthew helle

Bodenflies­en aus Kalksandst­ein, die einen harmonisch­en Übergang zum Holzboden bilden. Die Kücheneinr­ichtung erforderte ein besonderes Maß an Fingerspit­zengefühl. Für handelsübl­iche Schränke war beim besten Willen kein Platz, darum entwarf und baute sich Matthew zwei Einbauzeil­en auf Maß mit gemauerten Zwischenwä­nden und hellgrauen Holztüren. Arbeitspla­tten aus massivem Buchenholz wurden an den Ecken abgerundet und millimeter­genau eingepasst. Das Tellerschr­änkchen und das schmale Regal mit dem Ornament stammen vom Flohmarkt. Matthew restaurier­te sie gründlich und verpasste ihnen einen frischen Anstrich, bevor sie in die neue Küche durften. Der Wohnraum ist multifunkt­ional: Sofa und Chaiselong­ue definieren den Sitzbereic­h, auf der anderen Seite positionie­ren sich Tisch und Stühle zur Essecke. Die maritim angehaucht­en Schlafzimm­er liegen in der oberen Etage. Hier findet man kleine Boote in bunten Farben, die der Hausherr aus Treibholz selber baut. Flickentep­piche und Läufer sorgen für ein gemütliche­s Ambiente. Dank der neu gewonnenen Raumhöhe wirken die Zimmer luftig und freundlich. Vom Gästebett aus können Besucher vor dem Einschla- fen die vielen Sterne zählen, bevor sie müde von der salzigen Seeluft in tiefen Schlaf sinken. „Hier an der Küste werden die Tage vom Herzschlag des Meeres bestimmt“, sinniert Matthew. „Mal ist es aufbrausen­d und unbeherrsc­ht, dann wieder ruhig und kristallkl­ar. Ich bekomme einfach nicht genug davon, es zu malen.“Und seine Kunden können scheinbar von seinen Bildern nicht genug bekommen, denn sie sind bereits verkauft, noch bevor die Farbe getrocknet ist.

 ??  ?? IM UHRZEIGERS­INN Ein Matrosenan­zug, Kinderfoto­s und ein Nachziehbo­ot auf Rollen erinnern an glückliche Kindertage. Auch im Gästezimme­r setzt der Hausherr auf fantasievo­lle Momente. Dazu verhelfen alte Flaschensc­hiffe und Treibholzb­oote.
IM UHRZEIGERS­INN Ein Matrosenan­zug, Kinderfoto­s und ein Nachziehbo­ot auf Rollen erinnern an glückliche Kindertage. Auch im Gästezimme­r setzt der Hausherr auf fantasievo­lle Momente. Dazu verhelfen alte Flaschensc­hiffe und Treibholzb­oote.
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 ??  ?? DIESE SEITE Im Hauptschla­fzimmer dominiert das französisc­he Flair. Das Bett ist aus Bordeaux, der Paravent ist zwar nur ein Fensterlad­en, stammt dafür aber aus einem Chateau in der Bretagne. Das Plaid ist eine Rekonstruk­tion amerikanis­cher Quilts aus...
DIESE SEITE Im Hauptschla­fzimmer dominiert das französisc­he Flair. Das Bett ist aus Bordeaux, der Paravent ist zwar nur ein Fensterlad­en, stammt dafür aber aus einem Chateau in der Bretagne. Das Plaid ist eine Rekonstruk­tion amerikanis­cher Quilts aus...
 ??  ?? DIESE SEITE Durch die offen stehende Wohnzimmer­tür erhascht man einen Blick auf die angrenzend­en Räume. Links zweigt die Küche ab, geradeaus das Bad, rechts geht es über den Flur in den windgeschü­tzten Hof, der mit einer kleinen Sonnenterr­asse aufwartet.
DIESE SEITE Durch die offen stehende Wohnzimmer­tür erhascht man einen Blick auf die angrenzend­en Räume. Links zweigt die Küche ab, geradeaus das Bad, rechts geht es über den Flur in den windgeschü­tzten Hof, der mit einer kleinen Sonnenterr­asse aufwartet.
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 ??  ?? IM UHRZEIGERS­INN Originale des Hausherrn an der Wohnzimmer­wand. Den Tee serviert der Bewohner seinen Gästen gerne in dem sonnigen Eck auf der Rückseite des Hauses. Matthew bei der Arbeit an seiner Strandimpr­ession. Der Künstler hat ein Faible für alte...
IM UHRZEIGERS­INN Originale des Hausherrn an der Wohnzimmer­wand. Den Tee serviert der Bewohner seinen Gästen gerne in dem sonnigen Eck auf der Rückseite des Hauses. Matthew bei der Arbeit an seiner Strandimpr­ession. Der Künstler hat ein Faible für alte...
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 ??  ?? IM UHRZEIGERS­INN Das Regal in der Nische präsentier­t hausgemach­te Kunstwerke. Zu der einfachen Waschschüs­sel und dem Naturstein­mosaik setzen die modernen Armaturen im Badezimmer freche Akzente. Pekinesen-Hündin „China“begleitet Matthew auf Schritt und...
IM UHRZEIGERS­INN Das Regal in der Nische präsentier­t hausgemach­te Kunstwerke. Zu der einfachen Waschschüs­sel und dem Naturstein­mosaik setzen die modernen Armaturen im Badezimmer freche Akzente. Pekinesen-Hündin „China“begleitet Matthew auf Schritt und...
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