„DIE AUGEN ÖFFNEN“
Mark Muschelknautz, Chief Marketing Officer der abas Software AG erläutert, warum er kleineren Mittelständlern mit der Kampagne „Digital OR Dead“kostenlose Unterstützung in Sachen Digitalisierung der Wertschöpfungskette anbietet.
Was veranlasst ein Software-unternehmen wie abas zu einer ambitionierten Aufklärungskampagne wie „Digital OR Dead“?
Wir haben festgestellt, dass im Rahmen der Digitalisierung insbesondere der kleinere und mittlere Mittelstand noch im Hintertreffen in Sachen digitaler Transformation, IOT oder Industrie 4.0 ist. Das hat uns aufgeschreckt, denn das sind rund 90 Prozent des Mittelstands - und zu einem großen Teil auch unsere potenziellen Kunden. Viele dieser Unternehmen unterschätzen zum einen die Relevanz für das eigene Geschäft oder scheuen die Investition in Berater und Transformationsprojekte. Genau in diese Bresche springen wir, indem wir diese Relevanz auch dem kleinen metallverarbeitenden Betrieb aufzeigen und dazu konkrete kostenlose Hilfestellung geben.
Sehen Sie den deutschen Mittelstand bei der Digitalisierung tatsächlich so stark im Hintertreffen?
Vor allem Experten tun das. Anlass für unsere Kampagne war eine Studie der Fachhochschule Mittelhessen, die den Digitalisierungsgrad der Geschäftsprozesse analysiert hat. Über acht wichtige Kategorien hat Professor Gerrit Sames festgestellt, dass insbesondere in KMUS eine erhebliche Diskrepanz zwischen bereits etablierten und verfügbaren Werkzeugen und ihrer konsequenten Anwendung im Unternehmen besteht. Besonders vor dem Hintergrund des sich immer weiter verstärkenden Fachkräftemangels einerseits und den Möglichkeiten von Geschäftsmodellerweiterungen andererseits, hat er den Digitalisierungsgrad vieler Organisationen sogar als bedenklich eingestuft.
Wen wollen Sie mit „Digital OR Dead“aufklären und worüber?
Wir richten uns an Abteilungsleiter aus der Produktion, an Einkäufer und kaufmännische Verantwortliche, aber auch an die Geschäftsführer, insbesondere der Eigentümer geführten Unternehmen. Die Erkenntnisse aus der erwähnten Studie haben wir aufgegriffen und daraus ein Bewertungswerkzeug auf Basis eines Fragebogens entwickelt. Jedes interessierte Unternehmen kann damit feststellen, in welchem Umfang zentrale Geschäftsprozesse schon mit Hilfe digitaler Mittel organisiert sind – und das in acht Kernbereichen entlang der Wertschöpfungskette– von der Beschaffung über Produktion, Marketing und Vertrieb bis zu Logistik und Kundendienst.
Was bekommen Mittelständler von abas konkret an die Hand in Bezug auf die Digitalisierung?
Der Kern ist eine sehr differenzierte Auswertung, wie das eigene Unternehmen in diesen acht wesentlichen Wertschöpfungsbereichen im Vergleich zu anderen Unternehmen da steht. Stellt ein Unternehmen dabei fest, dass es technologisch nicht auf dem aktuellen Stand ist, stellen wir produktneutrale Aufklärungsund Informationsmaterialien in Text und Video zur Verfügung, wie man sich in den einzelnen Prozessschritten besser aufstellen kann. Das alles ist frei verfügbar auf unserer Webseite Digital-or-dead.de. Zu guter Letzt werden sich aber viele Unternehmen auch fragen: Wie gehe ich jetzt vor und wo finde ich Technologie-experten und -Berater die mich in diesem Prozess unterstützen können? Dafür haben wir entsprechende Module geschnürt, die wir Unternehmen auf Anfrage auch weitergeben.
Viele Unternehmen sind daran interessiert, sich mit anderen Organisationen ähnlicher Größe zu vergleichen.“
Sie sind im Februar gestartet, was sind Ihre ersten Erfahrungen?
Wir stellen fest, dass viele Unternehmen daran interessiert sind, sich mit anderen Organisationen ähnlicher Größe zu vergleichen. Bin ich weiter als andere, oder habe ich mehr Nachholbedarf? Dann schauen sie sich bereitwilliger an, was sie verbessern können. Völlig entkoppelt von unserem eigenen Produktportfolio im Bereich ERP sprechen wir darüber, wie die einzelnen Geschäftsprozesse besser digitalisiert werden können. Dazu haben wir mit einem Expertenteam aus Wissenschaft und Praxis griffige, leicht verständliche Informationsbausteine erstellt, die keine größere technische Vorbildung erfordern. Das kommt gut an.
Auf der Hannover-messe gibt es im Rahmen der Aktion ein „Transformation Camp“. Für wen ist das gedacht und warum braucht es so etwas, auch über die Messe hinaus?
Wir haben diesmal keinen Verkaufsstand für unsere Produkte aufgebaut, sondern ein fiktives Unternehmen mit acht Abteilungen. Dort zeigen wir, wie man heute verfügbare digitale Technologien und Abläufe sinnvoll einsetzt. Die acht Abteilungen entsprechen den Kategorien des Online-tests. Gut möglich, dass wir mit diesem Simulationskonzept später auf anderen Messen präsent sind, das wird die Auswertung ergeben. Die Kampagne an sich wird ja auch weiterlaufen. Ein Messebesuch bei uns auf der Hannover Messe ist eine Art Studienreise, bei der die Besucher, geführt von einem Berater, zuerst den Test machen, ihnen dann anhand des fiktiven Unternehmens erklärt wird, wie wettbewerbsfähig sie aufgrund ihrer digitalen Reife sind. Nach Einschätzung der Unternehmensberatung Evolvio steht ja zu befürchten, dass 50 Prozent der mittelständischen Zulieferunternehmen in Deutschland die nächsten 15 Jahre nicht überleben werden.
Sie kritisieren Medien und Experten für Anglizismen und technische Sprache, setzen aber für die Kampagne selbst eine englischsprachige Headline ein. Macht sie das nicht ein Stück weit unglaubwürdig?
Damit ein Konzept funktioniert, brauchen wir auch effektives Marketing. Der Claim „Digital OR Dead“ist bereits einigermaßen etabliert, bleibt hängen und ist gleichzeitig leicht verständlich. Daher haben wir uns dafür entscheiden und uns hier eine kleine Inkonsequenz erlaubt. Letztendlich fahren wir diese Kampagne ja auch weltweit. Sie ist übrigens in der Du-form gewählt, weil wir dem Einzelnen klar machen wollen, dass Digitalisierung nur funktioniert, wenn jeder versteht, dass er oder sie Dinge hinterfragen und ändern muss. Digitalisierung beginnt im Kopf.