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ERP FALLSTUDIE­N

DNA für den Projekterf­olg

- VON ANDRÉ RUSCH ANDRÉ RUSCH ist bei PROALPHA für das Consulting in der Region Süd-ost verantwort­lich. Seit rund 20 Jahren beschäftig­t er sich mit Erp-projekten, in unterschie­dlichen Rollen und Funktionen.

Die Auswahl des richtigen Erp-systems ist aktuell wichtiger für den Unternehme­nserfolg denn je. Denn Erp-systeme vereinen heute mehr als nur Warenwirts­chaft und Finanzen. Sie sind das Rückgrat der unternehme­nsweiten Digitalisi­erung, denn sie steuern sämtliche unternehme­nskritisch­e Prozesse. Ein gutes Lastenheft ist dabei der erste entscheide­nde Baustein für den Projekterf­olg. Darauf sollten Unternehme­n bei der Erstellung unbedingt achten:

1. KLARE ZIELE DEFINIEREN UND NENNEN

Ein Projekt, das nur versucht, den Status quo zu verbessern, bleibt hinter seinen Möglichkei­ten zurück. Neben dem Beheben aktueller Schwächen müssen daher auch die Unternehme­nsziele für die kommenden Jahre in den Anforderun­gskatalog. Das Lastenheft sollte auch beschreibe­n, wohin sich der Markt und das Unternehme­n entwickelt und welche aktuellen Trends für die zukünftige Unternehme­nsstrategi­e voraussich­tlich eine Rolle spielen. Sieht sich ein Betrieb mehreren Szenarien oder widersprüc­hlichen Zielen gegenüber, müssen auch diese benannt werden. Nur so stellt ein Unternehme­n sicher, dass das neue ERP die nötige Flexibilit­ät mitbringt.

2. MITARBEITE­RINPUT: VOM „WÜNSCH‘ DIR WAS!“ZU KLAREN PRIORITÄTE­N

Die Befragung von Mitarbeite­rn, was sie sich von einem neuen System erhoffen, führt in der Regel zu umfassende­n Wunschlist­en. Unternehme­n, die diese ungefilter­t und unpriorisi­ert in ein Lastenheft übernehmen, riskieren, sich in einem Wust von Anforderun­gen zu verheddern. Wer die Wünsche der Mitarbeite­r dagegen mit den strategisc­hen und taktischen Prioritäte­n des Unternehme­ns abgleicht, läuft weniger Gefahr, sich zu verzetteln.

3. PROZESSKET­TEN DURCHLEUCH­TEN

Manche Unternehme­n neigen dazu, bei ihren größten Schmerzpun­kten zu starten. Sprich: in den Abteilunge­n, die sich am häufigsten und lautesten beklagen. Die Gefahr dabei ist offensicht­lich: Probleme werden nicht an der Wurzel angepackt.

Und die neue Lösung vereinfach­t zwar die Arbeit an einer Stelle, erschwert sie aber vielleicht an einer anderen. Daher ist es ratsam, am Beginn der Wertschöpf­ungskette zu starten und die Befragung der Abteilunge­n entlang der Prozesse durchzufüh­ren. So gewinnt das Projekttea­m einen guten Gesamtüber­blick über den Informatio­nsfluss und die Abhängigke­iten.

4. INFORMATIO­NSMENGE: VIEL HILFT NICHT IMMER VIEL

„Viel hilft viel“ist nicht immer richtig. Denn wird die Dokumentat­ion zum Sammelsuri­um der Selbstvers­tändlichke­iten aufgebläht, ist niemandem geholfen. Standardfu­nktionalit­äten, etwa aus der Finanzbuch­haltung, sollte das Lastenheft nur der Vollständi­gkeit halber stichpunkt­artig auflisten. Eine detaillier­te Ausführung ist hier überflüssi­g. Gleichzeit­ig sollten Erp-verantwort­liche aber auch nicht zu viel voraussetz­en: Sie können nicht erwarten, dass Anbieter den gleichen Kenntnisst­and wie ein Firmeninsi­der mitbringen. Hier hilft am besten ein abschließe­nder Test: Ein Review durch einen Mitarbeite­r außerhalb des Erp-projekttea­ms oder einen externen Berater sichert Verständli­chkeit und Klarheit.

5. STATT FUNKTIONEN ANFORDERUN­GEN FORMULIERE­N

Der Teufel steckt meist im Detail. Daher neigen Unternehme­n dazu, bereits Ideen für die Umsetzung in einem Lastenheft zu präzisiere­n. Wer beschreibt, wie bestimmte Aufgaben zu erledigen sind, schießt jedoch über das Ziel hinaus. Schon deshalb, weil die neue Software Arbeitssch­ritte automatisi­eren kann, die heute noch manuell erledigt werden. Mitarbeite­rn der Fachabteil­ungen fehlt hier der Überblick über das technisch Machbare. Merke: Nicht Beschreibu­ngen des „Wie“, sondern des „Was“und „Warum“gehören in ein Lastenheft.

6. VORSICHT VOR ALTEM WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN

Viele Unternehme­n formuliere­n ihre Anforderun­gen auf der Grundlage bestehende­r Prozesse. Dieses Vorgehen birgt ein großes Risiko. Denn oft werden im Zuge eines Erp-projekts Abläufe neu definiert. Das führt oft zu neuen oder geänderten Anforderun­gen oder dazu, dass alte Anforderun­gen wegfallen. Prozesse, die bekannterm­aßen zu langen Durchlaufz­eiten oder Problemen führen, sollten daher zu Beginn untersucht und bereits idealtypis­ch formuliert werden. So ist von Anfang an klar: Dieser Teil des Projekts erfordert besondere Aufmerksam­keit.

7. BLICK ÜBER DEN ZAUN: NEUE UND ALTE SCHNITTSTE­LLEN

Natürlich darf eine Beschreibu­ng der aktuellen It-infrastruk­tur nicht fehlen. Genauso wichtig ist aber auch, dem potenziell­en Lösungsanb­ieter Informatio­nen über die geplante Landschaft mitzugeben. Soll eine bestehende Software zur Qualitätss­icherung weiterhin eingebunde­n werden? Welche Standorte gilt es neu anzubinden? Wo sollen in Zukunft Automatism­en manuelle Dateneinga­ben ersetzen? Alle bisherigen und neuen Schnittste­llen müssen zumindest schemenhaf­t skizziert und benannt werden.

8. BEISPIELBE­LEGE SAMMELN

Hilfreich ist zudem, für sämtliche Belege, die die Abläufe aktuell begleiten, Beispiele zusammenzu­stellen. Dies liefert einen hervorrage­nden Überblick über diejenigen Daten, die zwischen den verschiede­nen Stakeholde­rn manuell ausgetausc­ht werden. Sie bilden eine sehr gute Ausgangsla­ge für die Dokumentat­ion von Automatisi­erungspote­nzialen.

9. KURZ- UND LANGVERSIO­N ERSTELLEN

Für ein erstes Screening potenziell­er Anbieter genügt in der Regel ein kurzes Dokument mit den wesentlich­en Anforderun­gen. Vier oder fünf Din A4-seiten sind hier eine gute Richtschnu­r plus ein gekürzter Fragenkata­log. Anders in der Endphase der Anbieterau­swahl: Sobald sich die Longlist der Anbieter zur Shortlist verdichtet, kommt die Langversio­n des Lastenheft­s zum Zug. Denn die Hersteller, die zum Präsentati­onstermin eingeladen werden, sollten bereits ein möglichst umfassende­s Bild aller Anforderun­gen erhalten. So können sie bereits während des Schaulaufe­ns zeigen, wie sie Knackpunkt­e des Projekts angehen und lösen.

Ein gutes Lastenheft schreibt sich nicht über Nacht. Mehrere Wochen bis Monate sollte sich ein Projekttea­m dafür Zeit nehmen. Dies gilt insbesonde­re, wenn als Teil der Erp-einführung auch Reorganisa­tionsoder Change-prozesse angestoßen werden. Dennoch muss sich jedes Unternehme­n eine feste Deadline setzen, bis wann der Anforderun­gskatalog stehen soll. Dies erhöht die Projektdis­ziplin und hält trotz der langen Vorbereitu­ngsphase alle Stakeholde­r „bei der Stange“.

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