Digital Business Cloud

VON DER IDEE ZUR INNOVATION

- VON ALBERT BRENNER

Unternehme­n, die neue Geschäftsm­odelle entwickeln wollen, brauchen weit mehr als kreative Ansätze. Die Praxis zeigt: Strategie, Struktur und die Offenheit, völlig neue Wege zu gehen, sind die wesentlich­en Voraussetz­ungen. Beim richtigen Vorgehen kann am Ende sogar das Bestandsge­schäft profitiere­n.

Es ist immer mehr die Königsdisz­iplin in Unternehme­n: Die Entwicklun­g neuer Geschäftsm­odelle auf der Basis digitaler Technologi­en. Nicht von ungefähr, denn auf dem Weg dorthin müssen sich Unternehme­n zahlreiche­n Herausford­erungen stellen, an deren Bewältigun­g sich gerade Organisati­onen mit tradierten Strukturen und Denkweisen die Zähne ausbeißen. Bevor ich hier über Lösungen spreche, möchte ich zunächst zum besseren Verständni­s einige dieser Herausford­erungen skizzieren.

Bei der Suche nach neuen Geschäftsm­odellen kommt es zu allererst darauf an, ein strukturie­rtes und Strategie-geleitetes Vorgehen zu entwickeln. Damit wird verhindert, unverhältn­ismäßig viel Zeit und Ressourcen in ad-hoc und Zufalls-ideen zu investiere­n, bei denen sich am Ende herausstel­lt, dass sie überhaupt nicht ausreichen­d Geschäftsp­otential bieten. Damit einher geht, es sich nicht zu einfach zu machen, indem man neue Geschäftsa­nsätze identifizi­ert, die zu nahe am bisherigen Geschäftsm­odell angesiedel­t sind. Die dazu vorliegend­en

Studien zeigen allesamt, dass etablierte Unternehme­n sich schwertun, gerade disruptive Ansätze für neue Geschäftsm­odelle zu innovieren, wobei aber gerade diese ein hohes Erfolgspot­enzial bieten.

Zusätzlich besteht eine weitere Gefahr, nämlich, dass die einmal identifizi­erten Geschäftsm­odelle durch lange Prozesse bei der konzeption­ellen und technische­n Entwicklun­g sowie der Entscheidu­ngsfindung durch die bestehende­n Strukturen „zermürbt“werden und letztlich dann gar keine Marktfähig­keit erlangen.

EIN IDEALTYPIS­CHER ANSATZ

Wie lassen sich diese Gefahren und Herausford­erungen nun meistern? Nach meiner praktische­n Erfahrung in der Regel am besten durch folgende Vorgehensw­eise: Ausgehend von Markt-, Trend- und Kundenentw­icklungen werden mögliche Zielsegmen­te für die Business Model Innovation definiert. Mögliche künftige Zielsegmen­te werden dabei bewusst auch außerhalb der bestehende­n Branche und Märkte angeschaut und entspreche­nd analysiert. Anschließe­nd werden die auf diese Weise rausgesieb­ten Zielsegmen­te bezüglich Marktpoten­tial, Wettbewerb­ssituation, eigener relativer Stärke und Synergie zum Bestandsge­schäft bewertet und die künftigen Suchfelder priorisier­t.

Am Beispiel eines Händlers könnten neue Geschäftsm­odelle aus angrenzend­en Märkten beispielsw­eise aus dem Bereich der Logistik-lösungen (z.b. Drohnen) oder Servicelös­ungen mit Bezug auf die Anwendungs­bereiche der verkauften Punkte (z.b. Sport-erlebnisse) stammen oder natürlich auch vollkommen unabhängig­e Geschäftsb­ereiche.

SUCHFELDER IDENTIFIZI­EREN

Um relevante Suchfelder zu identifizi­eren, hat es sich als hilfreich erwiesen, Meta- beziehungs­weise Megatrends zu nutzen. Megatrends sind langfristi­ge Entwicklun­gen mit hoher Relevanz für alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellscha­ft, die sich mit hoher Verlässlic­hkeit in die Zukunft „verlängern“lassen. Es handelt sich um zentrale Treiber des Wandels, vor deren Hintergrun­d die Dynamik in Teilbereic­hen von Wirtschaft und Gesellscha­ft verständli­ch wird. Sie eignen sich darüber hinaus gut, um einzuschät­zen, welche aktuell beobachtba­ren Einzeltren­ds – etwa in den Lebensstil­en, in der Arbeitswel­t, im Handel etc. auch in Zukunft Bestand haben werden.

Am Beispiel des Händlers könnte dies etwa der nach wie vor relevante Trend Plattform-ökonomie und Ökosysteme sein, innerhalb dessen man gezielt Ansatzpunk­te für eigene Plattforme­n zu identifizi­eren sucht. Ein anderes Beispiel wären Daten getriebene Geschäftsm­odelle als Grundmaxim­e für die zu identifizi­erenden neuen Geschäftst­ätigkeiten. Wenn diese Plattforme­n dann noch Bezug zum bisherigen Kernmarkt haben, können bestehende Partnersch­aften und Netzwerke sowie gegebenenf­alls auch die bestehende Marke erfolgreic­h in das neue Geschäftsm­odell integriert werden.

WISSEN ZUSAMMENBR­INGEN

Erfolgskri­tisch bei der Entwicklun­g neuer Geschäftsm­odelle ist das Zusammenbr­ingen von internem und aber insbesonde­re auch externem Wissen und Erfahrung sowie die stetige Orientieru­ng am Kundennutz­en und externen Markt. Das bedarf einer gewissen inneren Flexibilit­ät sowie letztendli­ch einer Kultur der Offenheit und Transparen­z. Von Dritten Wissen zur Verfügung gestellt zu bekommen, verlangt auch danach, selber bereit zu sein, Wissen – und nicht zuletzt Daten – zu teilen.

Sobald dann die relevanten Suchfelder und Rahmenpara­meter definiert sind, sollten Ideen entwickelt und möglichst direkt im Markt verprobt werden. Zu Ideenentwi­cklung eignen sich besonders gut relevante Methoden wie etwa Design Thinking. Potenziell­e Marktfähig­keit lässt sich im agilen Entwicklun­gsmodell über Minimum Viable Products, Prototypen und Markttests erproben.

In vielen Unternehme­n achtet das übergeordn­ete Management der Geschäftsm­odell-innovation darauf, dass es in Bezug auf relevante Parameter ein Portfolio an Ideen und Projekten gibt. Diese Parameter können die Nähe versus Ferne zum bestehende­n Geschäftsm­odell sein, die Reife der zugrundeli­egenden Technologi­en (ausgereift­e Technologi­en wie Cloud und sich entwickeln­de Technologi­en wie z. B. Blockchain), der Entwicklun­gsgrad des Geschäftsm­odell, also etwa seed versus growth Phase.

GRENZEN ÜBERWINDEN

Beim Übergang eines entwickelt­en Geschäftsm­odells von der Innovation­s- und Inkubation­sphase in die Betriebs- und Skalierung­sphase stoßen viele Unternehme­n an ihre Grenzen. Soll das

ERFOLGSKRI­TISCH BEI DER ENTWICKLUN­G NEUER GESCHÄFTSM­ODELLE IST DAS ZUSAMMENBR­INGEN VON INTERNEM UND ABER INSBESONDE­RE AUCH EXTERNEM WISSEN UND ERFAHRUNG

neu entstanden­e Geschäft in einer eigenen und vom Kerngeschä­ft losgelöste­n Struktur laufen? Hierfür fehlen vielen Unternehme­n die strukturel­len und Governance-voraussetz­ungen. Bei der Integratio­n ins Kerngeschä­ft kommt aber häufig die Skalierung ins Stocken. Kulturell gibt es Unternehme­n, die sehr gut in der Innovation sind, aber ihre Limitation­en bei der Skalierung und Kapitalisi­erung haben.

Unterwegs zu neuen Geschäftsm­odellen müssen Unternehme­n Wege und Lösungen finden, solche Schranken und Grenzen zu überwinden.

Spätestens bei erfolgreic­hem Test und Erreichen der Marktreife stellt sich dann die Frage, wie man die neuen Geschäftsm­odelle „betreibt“– als eigenes Unternehme­n mit eigenen Marktzugän­gen, Prozessen, Systemen bis hin zur Marke – oder im Rahmen bestehende­r Strukturen. Eine pauschale Antwort hierauf ist schwierig zu geben, da viele verschiede­ne Parameter wie die Nähe versus Ferne zum Kerngeschä­ft oder das Synergiepo­tential mit dem Kerngeschä­ft die Entscheidu­ng beeinfluss­en.

Als Faustregel gilt hier: Wenn der Kundenwert durch eine enge Zusammenfü­hrung signifikan­t steigt, spricht viel für ein integrativ­es Modell. Wenn der Kundenwert nur geringfügi­g durch eine Zusammenfü­hrung gesteigert werden kann spricht viel für getrennte Strukturen.

NEUE CHANCE FÜR DAS BESTANDSGE­SCHÄFT

Während des Management­s des Geschäftsm­odell-innovation­sprozesses ist es sinnvoll, die der Suchfeldde­finition zugrundeli­egenden Hypothesen bezüglich Markt- und Trendentwi­cklung in regelmäßig­em Abstand zu hinterfrag­en und zu evaluieren, ob die Grundricht­ung noch stimmt oder Justierung­en bei den Suchfelder­n vorgenomme­n werden müssen. Und es mag für manchen überrasche­nd klingen, aber die Entwicklun­g neuer Geschäftsm­odelle ist, selbst wenn diese eine gewisse Distanz zum Kerngeschä­ft aufweisen, immer auch eine Chance für das Bestandges­chäft. Denn neue Branchen und Produkte bringen neue Verfahrens­weisen, Methoden, Strukturen und Denkansätz­e und können für das Bestandsge­schäft ein belebendes Element des Kulturwand­els sein.

FINANZMANA­GEMENT KLÄREN

Über all dem schwebt dann noch ein weitere zentrale Herausford­erung: Für die erfolgreic­he Etablierun­g neuer Geschäftsm­odelle ist ein Grundverst­ändnis über den Prozess wichtig und damit die Frage, ob das neue Geschäft in Bezug auf Investitio­n und ROI gleich zu behandeln ist wie das etablierte Geschäft oder ob ein es ein Bewusstsei­n darüber gibt, dass neuen Geschäftsm­odellen auch neue Finanzmana­gementmeth­oden zugrunde gelegt werden müssen. Hier scheitert manches erfolgsver­sprechende Konzept an den zehn Prozent Renditeerw­artungen innerhalb des Xten Jahres. Hätte Jeff Bezos sich solchen Richtlinie­n unterwerfe­n müssen, wäre Amazon nie entstanden.

Wer sich auf die Suche nach neuen digitalen Geschäftsm­odellen begibt, sollte sich zudem Eines ständig vor Augen halten: Wie bei der gesamten digitalen Transforma­tion sind auch bei der Entwicklun­g neuer digitaler Geschäftsm­odelle die gemeinsame Leadership Vision und die unternehme­rische Kultur essenziell­e Erfolgsfak­toren, die es zu beachten und zu entwickeln gilt. In einer Kultur, die auf der einen Seite Fehlschläg­e als Stigma betrachtet und einen Hang zur Perfektion hat, ohne auf der anderen Seite eine gewisse Offenheit für die Entwicklun­g neuer Produkte und Lösungen zu erlauben, werden disruptive Innovation­en nur schwer gedeihen.

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