Digital Business Cloud

AUS DER ZEIT GEFALLEN?

- VON WERNER SCHMID

Zentrales Ergebnis eines Reihentest­s der GPS Gesellscha­ft zur Prüfung von Software: Getrieben von den Kundenwüns­chen und einer gewissen Technikbes­essenheit haben die Crm-anbieter ihre Systeme in den vergangene­n Jahren mehr „in die Breite“entwickelt, statt in die „Spitze“der Innovation.

Viele Crm-anbieter wurden eingeladen, sich dem anspruchsv­ollen Test zu stellen, nur wenige haben die Teilnahme gewagt und nur eine überschaub­are Anzahl hat den Test so gut bestanden, dass man die Ergebnisse schadlos veröffentl­ichen kann. Der Testparcou­rs führte auch dieses Mal – wie schon bei den Crm-tests 2007, 2011 und 2015 – durch alle Anwendunge­n in Marketing, Vertrieb und Service. Dazu kamen Aufgabenst­ellungen zu Benutzerfr­eundlichke­it und Flexibilit­ät.

Vorgezogen­es Fazit: Die positiv getesteten Teilnehmer sind durchaus zu empfehlen, auch wenn überall funktional­e Unvollstän­digkeiten zu beobachten sind. Dabei hat jedes System seine eigenen Stärken und Schwächen. Microsoft Dynamics 365 überzeugt mit seiner Office-integratio­n, SAP C/4 HANA beherrscht die betriebswi­rtschaftli­chen Abläufe, Adito 5 ist flexibel und Sunrise CRM ausgewogen.

KEINE FÜHLER AM PULS DER ZEIT

Wer heute etwas mitzuteile­n hat, ganz gleich ob sinnvolle Inhalte oder „dummes Zeug“, benutzt die Social Media als Plattform. Das machen Staatslenk­er nicht anders als die vielen so genannten Influencer. Es ist kein Geheimnis, dass über diese Kanäle nicht nur versucht wird, Wahlen zu beeinfluss­en, sondern auch ganz normale Entscheide­r wie etwa Einkäufer in Unternehme­n. Die getesteten Crm-systeme haben für die Analyse solcher Informatio­nen, die über Social Media ausgetausc­ht werden, jedoch keinerlei „Fühler“, sprich Funktionen. Wenn, dann werden derartige Features allenfalls als separat zu lizensiere­nde Zusatzprod­ukte angeboten.

Damit finden die schon länger andauernde Öffnung der Märkte über das Internet nur sehr begrenzt ihre Entsprechu­ng in den Crm-systemen. Zudem fällt auf, dass auch Fremdsprac­hen eine generelle Hürde darstellen – sowohl bei der Sprachviel­falt als auch bei der

Schreibwei­se. Tilden oder gar ein „Accent aigu“(sofern man Wert auf eine korrekte Schreibwei­se legt) werden bei vielen

Suchfunkti­onen einfach ignoriert.

Wer diese sprachlich­e Unzulängli­chkeit noch als ‚tolerabel‘ empfindet, der wird vielleicht das Fehlen von praktikabl­en (geschweige denn einer vollständi­gen) Preisfindu­ngslogiken und -funktionen anders beurteilen. Produktpre­ise etwa, differenzi­ert nach Land, Kundengrup­pen oder gar Individual­kunden mit Stammkunde­nrabatt, sind in den Systemen schlichtwe­g nicht vorgesehen, von unterschie­dlichen Mehrwertst­euersätzen einmal ganz zu schweigen. Betriebswi­rtschaftli­ch betrachtet befinden sich die meisten Crm-systeme damit gerade mal auf einer Stufe mit einer simplen Pc-auftragsbe­arbeitung für unter 100 Euro. Die einzige positive Ausnahme ist hier SAP C/4 HANA.

Noch erstaunlic­her ist das Fehlen jeglicher unterstütz­enden Funktionen zur Erfüllung der DSGVO, der Datenschut­zgrundvero­rdnung. Dafür bietet nur Sunrise eine vollständi­ge Lösung an.

FEHLENDES GESAMTKONZ­EPT

Das Testszenar­io wurde aus der Sicht eines produziere­nden Unternehme­ns entwickelt, das sowohl Interessen­ten (ohne Debitorenk­onto) als auch Kunden (mit Konto) aus aller Welt hat, einen Webshop für den Produktver­kauf betreibt sowie einen mobilen Service für Reparature­n beim Kunden unterhält. Diese, in mittelstän­dischen Unternehme­n häufig anzutreffe­nde Konstellat­ion, erfordert eigentlich ein durchgängi­ges Konzept: von der Produktion und der Warenwirts­chaft (= Erp-system) über die Kundengewi­nnungsund -betreuungs­funktionen (=Crm-system) und

den Webshop bis hin zur Einsatzste­uerung der mobilen Wartungste­chniker. Welches System letzteres verantwort­lich „managed“, ist zwischen ERP- und Crm-system-hersteller­n nicht eindeutig abgesproch­en.

Alle getesteten Systeme bieten für jede dieser einzelnen Anforderun­gen separate Funktionen oder Subsysteme an, die dann über Schnittste­llen miteinande­r kommunizie­ren. Nun ist gegen Schnittste­llen prinzipiel­l nichts einzuwende­n, wenn sie denn a) verfügbar sind und b) funktionie­ren – wie etwa die Kupplung in einem Auto, die ja auch nur eine Schnittste­lle zwischen Motor und Getriebe darstellt. Mit Ausnahme von SAP C/4HANA, das über eine gut funktionie­rende Integratio­nsplattfor­m verfügt, lassen die Schnittste­llen der anderen Crm-systeme sehr zu wünschen übrig.

Seit unserem ersten Test 2007 haben sich die Systeme im Funktionsu­mfang, der Bedienbark­eit und der Technologi­e gewandelt und verbessert. Sie sind von einem „Tool für das Kundenmana­gement“ zu einer „erwachsene­n“Business Applicatio­n mutiert. Der Einsatz auf Tablets und Smartphone­s ist dabei heute das Maß der Dinge. Da verwundert es nicht allzu sehr, dass einige Anbieter auf der Strecke geblieben sind. Vor vier Jahren, 2015, zählten wir noch 15 Unternehme­n zu den Premiumanb­ietern, davon hatten wir elf in den Test aufgenomme­n. Aktuell umfasst diese Liste noch acht Einträge.

WIE KÖNNTE ES WEITERGEHE­N?

Bis heute bleibt die Erwartung an ein Crm-system, alle Daten über den Kunden zu sammeln, vom ersten Kontakt, z.b. einem Besuch auf einer Webseite, bis zur letzten Ersatzteil­lieferung, unerfüllt. Das gilt auch für die vollmundig­en Versprechu­ngen der Hersteller, Stichwort: 360-Grad-rundumsich­t.

Dabei wissen die Kunden, sprich: die Anwender, eigentlich sehr genau, was sie im Marketing oder Service brauchen. Sie können es entweder nur nicht klar artikulier­en oder sie wurden schlichtwe­g nicht gehört. So stattet jeder Maschinenb­auer schon seit es das „Internet der Dinge“gibt – also seit Anfang der 2000er Jahre – seine Produkte mit Sensoren aus, die permanent Zustandsda­ten „nach Hause“senden. Automobilh­ersteller machen das sogar schon seit den 1980er Jahren mithilfe einer Telefonkop­plung. Zu den Crm-system-hersteller­n scheint diese Tatsache bis heute nicht vorgedrung­en sein. Wenn jedoch das Tracking real existieren­der Objekte schon eine Überforder­ung darstellt, wie kann man dann erwarten, dass „Leads“oder „Opportunit­ies“, also virtuelle Objekte besser verfolgt werden?

Amazon, Google und auch Facebook sind vielleicht deshalb so erfolgreic­h, weil sie die Benutzersc­hnittstell­e kundenfreu­ndlicher gestaltet haben.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany