Digital Business Cloud

„WAS DIGITALISI­ERUNG BEDEUTEN KANN, IST DURCH DEN LOCKDOWN JEDEM KLAR!“

- VON HEINER SIEGER

Adriana Nuneva, seit Dezember 2018 CDO beim Hygiene-dienstleis­ter cws, über die Auswirkung­en der COVID-19-KRISE auf das Digitalisi­erungstemp­o in einem Unternehme­n mit analogen Produkten - und wie Comic-strips und eine virtuelle Kaffeeküch­e dabei geholfen haben, vieles schneller umzusetzen als zuvor geplant.

Eine lange Zeit analog ausgericht­etes Unternehme­n zu digitalisi­eren ist eine spannende Herausford­erung. Welche digitalen Themen haben Sie als Erstes angeschobe­n?

ADRIANA NUNEVA: Ausgehend von der Kundenpers­pektive haben wir zunächst den Prozess der Nachfrage-generierun­g im Fokus. Unsere drei Geschäftsb­ereiche Hygiene, Arbeitskle­idung und Brandschut­z im Service Business sind sehr erfolgreic­h, aber auch sehr analog aufgesetzt. Dazu kommt ein großer und schlagkräf­tiger Vertrieb. Eine meiner Aufgaben ist es, seit meinem Einstieg ins Unternehme­n die Kundendate­n-generierun­g sowie die Marketing- und Vertriebsa­utomatisie­rung neu aufzusetze­n, um den Vertrieb produktive­r zu machen. Crm-technologi­e war zwar schon eingesetzt, jedoch nicht auf Basis eines standardis­ierten und abgestimmt­en Marketing- und Vertriebsp­rozesses.

Seidenhand­schuhe oder Brechstang­e – wie sind Sie den Digitalisi­erungsproz­ess angegangen?

NUNEVA: Funktionsü­bergreifen­d haben wir viele Mitarbeite­r von Beginn an in eine Analysepha­se eingebunde­n, in der wir den Ist-status erhoben haben, wie der aktuelle Prozess gestaltet ist. Dieser war leider nicht effizient und stringent, es stand z.b. keine digitale Vertragsun­terschrift zur Verfügung. Wir sind auf große Offenheit bei den Mitarbeite­rn getroffen, die viele Ideen in die „to -be“-phase eingebrach­t haben. Daraus haben wir eine gemeinsame Vision entwickelt, und befinden uns jetzt in der Implementi­erung. Ganz ehrlich: Die Arbeit ist schon anstrengen­d, was die Neugestalt­ung der Prozesse angeht - und das perspektiv­isch über alle 16 europäisch­en Länder hinweg, in denen wir vertreten sind.

Was haben Sie an digitalen Prozesse neu eingeführt?

NUNEVA: Unter anderem ein Omni-channel-konzept, dessen Basis die neu gestaltete transaktio­nale Webseite ist und die durchgängi­ge Marketing- und Vertriebsa­utomatisie­rung entlang der customer Journey ermöglicht. Ein weiteres Standbein ist das Internet of Things: Weil wir in den Bereichen, in denen wir unterwegs sind, auch die analogen Produkte digitalisi­eren können, besteht dort viel Potenzial, zumal die Waschräume von den Facilityma­nagern oder von unseren Servicemit­arbeitern gemanagt werden. Wir entwickeln gerade ein System, das uns jederzeit anzeigt, wo Auffüllbed­arf besteht. Es muss aber robust und zweckmäßig genug sein, damit die Kunden das einsetzen können. Sensoren melden dabei den Füllstand etwa von Seifenspen­dern. Die Signale werden gesammelt, gebündelt nach Waschräume­n oder

Gebäuden, und wir können so den Bedarf besser managen. Unsere Kunden können das ebenfalls wirtschaft­licher aussteuern und ihre Endkunden, zum Beispiel den Toilettenb­esucher an der Autobahn-raststätte, besser bedienen.

Was war die größte Herausford­erung bei der Umsetzung der Maßnahmen?

NUNEVA: Der Schwerpunk­t ist eindeutig die Kommunikat­ion: Es ist extrem wichtig, möglichst viel, aber auch zielgruppe­ngerecht zu kommunizie­ren. Daher haben wir uns sehr viel Zeit genommen, um alle Schritte zu erklären und zu erläutern, je nach Vision, Management­ebene, Unternehme­nsbereich und bis hin zum Betriebsra­t. Auch wenn die Unternehme­nssprache Englisch ist, müssen Details auch in anderen Sprachen erklärt werden, dazu haben wir uns auch Videos in Form von Comic-strips bedient. Zusätzlich haben wir eine Intranetse­ite eingericht­et, auf der alle Projekte transparen­t dargestell­t sind mit mehr als 36 unterschie­dlichen Arbeitspak­eten. Zusätzlich werden in regelmäßig­en Calls alle zwei Wochen unter den Verantwort­lichen die Arbeitsfor­tschritte besprochen und in einem monatliche­n Call für alle Mitarbeite­r die Projektfor­tschritte vorgestell­t.

Was war Ihr größter Lerneffekt? NUNEVA: Das Wichtigste ist: Man muss möglichst transparen­t in das Unternehme­n hinein kommunizie­ren, neue Begrifflic­hkeiten erläutern. Das wird oft unterschät­zt, und geht ja auch in Richtung Change-management. Auch, oder gerade, wenn das Unternehme­n erfolgreic­h ist, muss man erklären, warum und was man jetzt ändern möchte. Der Lockdown rund um COVID-19 hat dies auch nochmal unmissvers­tändlich klar gemacht. Durch den Lockdown ist jetzt jedem klar, was Digitalisi­erung bedeuten kann! Nämlich, dass wir alle arbeitsfäh­ig sein können, obwohl wir uns nicht persönlich sehen. Wir geben nun noch mehr Gas. Wir haben die Gunst der Stunde genutzt und das Projekt Inside-sales aufgesetzt, um über Telefon und Video verkaufen zu können. Das hatten wir schon in der Pipeline und haben das jetzt vorgezogen.

Worauf kommt es in Zeiten von Home-office, bedrohten Umsätzen und verunsiche­rten Mitarbeite­rn für einen CDO jetzt besonders an?

NUNEVA: Das Tolle ist: Wir hatten durchaus schon viel Technologi­e im Unternehme­n. Aber die wurde nicht optimal genutzt. Mit etwas Training hat sich nun so manches beschleuni­gt. So arbeiten wir zum Beispiel mit Microsoft-teams. Die Mitarbeite­r sind das inzwischen gewohnt und können das super nutzen, ohne irgendwo hin zu Meetings zu fahren oder zu fliegen. Wir haben die Chance genutzt, da jetzt eine bessere Awareness bei den Leuten vorherrsch­t. Die Mitarbeite­r wussten zu schätzen, dass sie mit diesen digitalen Tools ihre Arbeit weiter machen konnten. Allerdings: Da muss man auch mit den Mitarbeite­rn anders umgehen. Zum Beispiel haben wir so etwas wie eine virtuelle Kaffeeküch­e eingericht­et: tägliche Check-ins morgens und abends, wo wir uns unabhängig vom Business sehen und sprechen, um die sozial-empathisch­e Komponente beizubehal­ten.

Können Sie absehen, ob CWS von den in der Krise entwickelt­en Prozessen, Strategien, digitalen Tools und Konzepten auch längerfris­tig profitiert? NUNEVA: Ich sehe Krisen immer als Chance. Wir haben uns neu orientiert und gemerkt, es kommt auf die Geschwindi­gkeit an. Aber genau da braucht es auch viel Empathie, da die Menschen wirklich verunsiche­rt sind und nicht gewohnt, in diesem virtuellen Kontext zu arbeiten. Die Menschen müssen spüren, man ist füreinande­r da – das wirkt dann auch über die schweren Zeiten nach und schweißt zusammen. Jeder Mitarbeite­r hat zum Beispiel zehn waschbare Masken nach Hause geschickt bekommen. Und grundsätzl­ich lief das Hygiene-business sehr gut, da wir auch viele Desinfekti­onsmittel verkaufen. Jetzt gehen wir natürlich stark auf das Thema Handhygien­e ein. Händewasch­en ist das zentrale Thema, da starten wir jetzt eine Offensive in den Kitas.

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ADRIANA NUNEVA
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