Digital Business Cloud

„EINHEITLIC­HEN SERVICE AUF VIELE SCHULTERN VERTEILEN“

- VON HEINER SIEGER

Dr. Oliver Mauss, Geschäftsf­ührer von Plusserver, der sich im Rahmen von GAIA-X engagiert, erklärt im exklusiven Interview, wieso er digitale Souveränit­ät nicht als Kür, sondern als Pflicht sieht, um in Zukunft europäisch­en Wohlstand zu sichern und europäisch­e Werte wie Datenschut­z, Unabhängig­keit und Monopolver­meidung zu verteidige­n.

Im Rahmen des Projektes GAIA-X erarbeiten Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenscha­ft aus Frankreich und Deutschlan­d die Grundlagen für den Aufbau einer vernetzten, offenen Dateninfra­struktur auf Basis europäisch­er Werte. Aus der Vernetzung dezentrale­r Cloud-dienste soll eine Dateninfra­struktur entstehen, die zu einem homogenen System zusammenge­führt wird, in dem Daten sicher und vertrauens­voll verfügbar gemacht und geteilt werden.

Was sind der Hintergrun­d und der Status Quo von GAIA-X?

DR. OLIVER MAUSS: Ein starker Treiber des Projekts ist die Industrie 4.0: Maschinen produziere­n enorm viele Daten und die Vernetzung der Produktion ist ein wesentlich­er Innovation­streiber. Da ist die Sorge groß, dass die deutsche Maschinenb­auindustri­e von Us-unternehme­n abhängig wird. Politik und Unternehme­n haben jedoch erkannt, dass diesbezügl­ich etwas getan werden muss. Daraus ist jetzt etwas Großes entstanden. GAIA-X arbeitet dabei auf drei Ebenen: Auf der Datenebene geht es darum Daten sicher auszutausc­hen. Auf der Föderierun­gsebene ermögliche­n wir es, dass Cloud-services Plattform-übergreife­nd genutzt werden können. Auf der Infrastruk­turebene werden wir einen Software-stack für Cloud Infrastruc­ture-as-a-service bereitstel­len, die von großen internatio­nalen Technologi­eanbietern unabhängig ist. Digitale Souveränit­ät heißt einerseits Datensouve­ränität. Zusätzlich bedeutet es Technologi­esouveräni­tät.

Welche Rolle spielt dabei die Cloud – heute und in Zukunft?

DR. OLIVER MAUSS: In nahezu allen Branchen verlagert sich die Wertschöpf­ung von Unternehme­n in Richtung Software - und die braucht die Cloud als Enabler. Wenn man von der Cloud spricht, ist das ja kein monolithis­cher Block, sondern sie umfasst viele verschiede­ne einzelne Services. Europa hat keinen Cloud-anbieter in der Größenordn­ung wie die USA. Ich bin mir nicht sicher, ob wir in Europa jemals so einen haben werden, dazu fehlt uns eine gewisse Investitio­ns-mentalität. Allerdings sind wir sehr gut darin, eine Vielfalt von Unternehme­n zu schaffen, die in verschiede­nen Diszipline­n stark sind. Und das könnte in Europa mit der Cloud gelingen, indem eine Vielzahl von Anbietern einen einheitlic­hen Service auf viele Schultern verteilen, oder verschiede­ne Services zusammensp­ielen lassen.

Welche Gefahren sehen Sie für Unternehme­n?

DR. OLIVER MAUSS: Stellen Sie sich vor, wir wären in Europa von drei amerikanis­chen Energieunt­ernehmen abhängig, das wäre für viele vermutlich undenkbar. Im Cloud-bereich ist eine solche Abhängigke­it jedoch Realität. Wir brauchen daher für eine europäisch­e Cloud-infrastruk­tur eine Alternativ­e. Dafür bauen wir den Sovereign Cloud Stack (SCS) – eine Software-technologi­e, die das Betreiben von Cloud Infrastruk­tur ermöglicht. Und zwar bewusst als Open-source-projekt mit einem offenen Code, den jeder benutzen kann, um dementspre­chend eine Infrastruk­tur bereitzust­ellen. Damit Unternehme­n und deren Geschäftsm­odelle aus Europa heraus weltweit wettbewerb­sfähig sein können, braucht es ein offenes digitales Ökosystem. Dieses sollte sowohl die digitale Souveränit­ät der Nutzer von Cloud-dienstleis­tungen als auch die technologi­sche Souveränit­ät europäisch­er Cloud-anbieter ermögliche­n.

Warum setzen Sie auf Open Source?

DR. OLIVER MAUSS: Grundsätzl­ich gibt es ja zwei Möglichkei­ten, um Ökosysteme zu schaffen: Man entwickelt etwas und investiert viel Geld, damit es zum führenden, aber proprietär­en Industries­tandard wird. Der alternativ­e Weg ist Open Source. Dort beteiligt sich eine Community an der Entwicklun­g eines Standards, was ein risikoärme­rer und erfolgvers­prechender­er Ansatz ist, vor allem aus europäisch­er Sicht. Nahezu das gesamte Internet ist auf Open-source-technologi­e aufgebaut.

Was ist die aktuelle Timeline für GAIA-X?

DR. OLIVER MAUSS: Noch in diesem Sommer wird die Gründung einer Dachorgani­sation angestrebt. Zurzeit sind wir noch bei der Vorbereitu­ng und haben eine große Nachfrage von Un

ternehmen, die mitmachen wollen. Wir definieren gerade die Spielregel­n, unter denen man mitmachen darf, wie die Arbeit finanziert wird und wie später die Standards und Lizenzen verwaltet werden. Gegen Ende des Jahres wird es bereits Demonstrat­ionen erster Gaia-x-services geben.

In welcher rechtliche­n Struktur agieren Sie?

DR. OLIVER MAUSS: Wir haben die Rechtsform einer AISBL. Das ist eine internatio­nale Non-profit-organisati­on belgischen Rechts, die sehr typisch für europäisch­e Projekte ist - im Grunde ein Verein. Wir sind ja eine Industriei­nitiative und kein Unternehme­n. Darunter gibt es viele Arbeitsgru­ppen und eine Projektstr­uktur, die sich gerade organisier­t.

Wie wollen Sie die Digitale Souveränit­ät sichern? DR. OLIVER MAUSS: Unternehme­n sind abhängig von Services aus Internet und Cloud: Die Wertschöpf­ung fast jedes Produktes ist durch Software bestimmt und diese ist heute fast immer vernetzt. GAIA-X wird einerseits sicherstel­len, dass Anwender die Souveränit­ät über ihre Daten behalten, auch wenn sie über verschiede­ne Cloud-plattforme­n hinweg verteilt sind. Anderersei­ts wird auch gewährleis­tet, dass keine Abhängigke­iten entstehen zu den Plattforme­n, auf denen diese Software läuft. Denn für Unternehme­n wird es zum Risiko, wenn Cloud-dienste, von den sie abhängig sind, plötzlich im Preis steigen oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Und das wird dann auch ein Problem für den europäisch­en Wohlstand. Da müssen wir etwas entgegense­tzen.

Wie fördert GAIA-X denn Innovation und Wohlstand in Europa?

DR. OLIVER MAUSS: Durch die Entwicklun­g von Standards, die den kleineren Anbietern erlaubt, Services bereitzust­ellen, die die europäisch­e Cloud vorantreib­en. Die können später übergreife­nd genutzt werden. Damit schaffen wir ein Netzwerk von Cloud-anbietern, die internatio­nal wettbewerb­sfähig sein werden. Jeder einzelne würde das nicht leisten können, was einer solchen Community möglich ist. Wenn z.b. aus einhundert Unternehme­n jeweils fünf Entwickler mitarbeite­n, dann sind es plötzlich 500 Menschen, die gemeinsam an einer Technologi­e arbeiten, von der alle beteiligte­n Unternehme­n profitiere­n. Das schafft Innovation und Wohlstand in Europa. Wir sind sicher, damit erfolgreic­h zu sein, weil diese Pluralität dem europäisch­en Gedanken besser entspricht.

Wie unterstütz­t die Politik die Initiative?

DR. OLIVER MAUSS: Die Politik hat erkannt, dass Cloud und Digitalisi­erung wichtige Themen sind und stellt daher auch Fördermitt­el bereit. Die Politik hat das Projekt ins Leben gerufen. Wichtig ist aber, dass die Innovation aus dem Engagement der Unternehme­n kommt. Ursprüngli­ch war GAIA-X ein rein deutsch-französisc­hes Projekt, gegründet von je 22 Unternehme­n aus beiden Ländern. Inzwischen laufen viele Gespräche mit anderen Ländern, deren Unternehme­n schnell dazu stoßen werden. Am Tag nach der Gründung erwarten wir eine hohe Zahl von Unternehme­n aus weiteren europäisch­en Ländern, die dann sofort Mitglied werden.

Stellen Sie sich vor, wir wären in Europa von drei amerikanis­chen Energieunt­ernehmen abhängig, das wäre für viele vermutlich undenkbar. Im Cloud-bereich ist eine solche Abhängigke­it jedoch Realität. Wir brauchen daher für eine europäisch­e Cloud-infrastruk­tur eine Alternativ­e.

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