DIE MASCHINE MUSS LAUFEN
Technische Fehler, Maschinenausfälle, Pandemien und Umweltkatastrophen: Ursachen für Produktionsstopps bietet die moderne Welt zuhauf - durch die hochgradige Vernetzung können selbst kleine Ausfälle oder Störungen entlang von Lieferketten teure und weitreichende Produktionsunterbrechungen verursachen. Der „Innovationswettbewerb Künstliche Intelligenz“des BMWI entwickelt dagegen Lösungen speziell für den Mittelstand.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen gerade Unternehmen aus dem Mittelstand Störpotenziale möglichst früh erkennen und schnell reagieren. Die Digitalisierung ist hier Chance und Herausforderung zugleich: Es gilt, den steigenden Datenmengen von Anlagen oder Prozessen Herr zu werden. KI kann ein Schlüssel zur Lösung dieser Probleme sein und einen großen Beitrag zur Optimierung von Fertigungsprozessen und Anlagen leisten. Dies betrifft alle Bereiche der Produktion - vom Qualitätsmanagement in der Montage, der in-time-beschaffung von Rohstoffen, Zusammenstellung geeigneter Lieferketten bis hin zur Predictive Maintenance. Die Implementierung von KI hat jedoch nicht nur Vorteile, sondern es müssen auch einige Hürden überwunden werden, um sie auch flächendeckend in Unternehmen jeder Größe einsetzen zu können. Beispielweise funktioniert KI bislang nur bei großen und gut aufbereiteten Datenmengen, und gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) muss oft noch Know-how dafür aufgebaut werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) hat daher mit dem Ziel, Ki-anwendungen in die mittelständische Produktion zu bringen, den „Innovationswettbewerb Künstliche Intelligenz“ins Leben gerufen. 16 ausgewählten Förderprojekte sollen als Leuchttürme Impulse für den Einsatz von KI in der deutschen Wirtschaft setzen. Im Folgenden werden vier Projekte aus dem Wettbewerb vorgestellt, die Lösungen für die Produktion entwickeln.
BETRIEBSSYSTEM FÜR DIE FABRIK DER ZUKUNFT: FABOS
Die Anwendung von KI in Produktionsprozessen scheitert aktuell oft am Mangel an einheitlichen Standards bei der Datensammlung und Heterogenität der eingesetzten It-systeme. Zusätzlich besteht durch die marktbeherrschende Stellung von Cloud- und Kommunikations-plattformen einzelner großer Technologiekonzerne für Firmen die Gefahr, sich langfristig von deren Lösungen abhängig zu machen.
Das Projekt FABOS bietet als Antwort darauf eine offene Plattform. Diese arbeitet ähnlich wie ein Computer-betriebssystem als Schnittstelle für den Informationsaustausch zwischen Maschinen, im Unternehmen verwendeten It-systemen und Ki-diensten. Dazu setzt FABOS auf sogenannte Verwaltungsschalen, die als digitale Zwillinge für die Verbindung physischer Produkte mit digitalen Komponenten stehen. Sie sammeln damit transparent sämtliche relevante Informationen zum jeweiligen Produktionselement wie Maschinen, Sensoren oder It-anwendungen und dienen auch als Kommunikationsschnittstellen. So ermöglichen sie Vernetzung und Datenaustausch der einzelnen Komponenten untereinander.
Mit FABOS wird dieses Prinzip erstmals explizit auch auf Ki-dienste in der Produktion angewendet. Produzierenden Unternehmen ermöglicht das eine einfache Implementierung von Ki-lösungen und deren Verknüpfung zu einem intelligenten Produktions-ökosystem im Sinne von Industrie 4.0. Die technologische Offenheit von FABOS sichert den Unternehmen die Nutzung von Ki-anwendungen oder It-systemen unterschiedlicher Hersteller und verhindert die technologische Abhängigkeit von einzelnen Softwareoder Hardware-anbietern.
KI FÜR DIE MITTELSTÄNDISCHE PRODUKTION: IIP-ECOSPHERE
Besonders in KMU werden Ki-methoden aktuell kaum genutzt. Gleichzeitig halten sich kleinere wie auch größere Unternehmen damit zurück, Daten zu teilen, weil sie um die Sicherheit und ihre Datenhoheit fürchten. Dem will Iip-ecosphere mit einer stärkeren Vernetzung von Unternehmen mit Dienstleistern, Verbänden und Forschungseinrichtungen entgegentreten. Schwerpunkt des Projekts bildet die Entwicklung einer herstellerunabhängigen virtuellen Plattform, auf der die Firmen in Austausch treten können. Dort besteht auch Zugriff auf einen Ki-katalog, der neben Best-practice-beispielen komplette Lösungen für häufig auftretende Heraus
forderungen sowie Angebote zur Qualifikation der Mitarbeiter enthält. Auf dieser Basis werden dann unter anderem für Maschinenund Anlagenhersteller Lösungen für das Datenmanagement oder den Erfahrungsaustausch erarbeitet. Die beteiligten Unternehmen können damit flexibel und einfach Ki-anwendungen in verschiedene Produktionsschritte einbinden.
Teil des Projekts ist es auch, Rahmenbedingungen für das sichere Datenmanagement und Teilen von Daten über Unternehmensgrenzen hinweg zu entwickeln. Kleine und mittelständische Betriebe bekommen so auch ohne eigenes großes Datenvolumen die Möglichkeit, ihre Anwendungen zu verbessern.
MIT KI GEGEN DEN FACHKRÄFTEMANGEL: SERVICE-MEISTER
Der grundlegende Wandel in der industriellen Wertschöpfung vom Verkauf von Produkten hin zu Dienst- und Serviceleistungen führt dazu, dass Maschinenhersteller zunehmend auf „Machine-as-a-service”-geschäftsmodelle setzen müssen. Gleichzeitig übersteigt die zunehmende Komplexität von Anlagen, Geräten und Produkten oft das Wissen einzelner Mitarbeiter. Der technische Service wird immer aufwendiger und spezialisierte Fachkräfte dafür immer schwieriger zu finden. Um beide Herausforderungen zu meistern, müssen die essenziellen Service-, Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten umfassend digitalisiert und mit Ki-technologien unterstützt werden. Für viele Mittelständler ist jedoch die Auswahl und Einführung von Ki-lösungen häufig mit hohem Aufwand und Risiko verbunden.
Service-meister entwickelt eine Plattform für Ki-basierte Unterstützungsdienste, die es auch weniger spezialisierten Mitarbeitern erlauben, anspruchsvolle Aufgaben bei der Wartung und Reparatur komplexer Industrieanlagen zu übernehmen. Diese Ki-services können mögliche Störfälle vorhersagen und Handlungsoptionen vorschlagen. Sie erkennen Fehler und Abweichungen im laufenden Betrieb und alarmieren Techniker automatisch, bevor es zum Ausfall kommt. Unternehmen können schneller auf Anomalien reagieren und Wartungen vorausschauender planen. Service-technikern ist es außerdem möglich, mit Unterstützung von Ki-basierten Chatbots, auch komplexe Probleme zu lösen. So wird zum Beispiel für klassische Maschinenbaufirmen der Übergang vom reinen Produktverkauf hin zu Machine-as-a-service-geschäftsmodellen möglich, auch wenn sie über keine größere It-abteilung mit ausgewiesenen Ki-experten verfügen.
PRODUKTIONSAUSFÄLLE MIT KI VERMEIDEN: SPAICER
Produktionsketten werden immer komplexer und von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Lieferschwierigkeiten bei im Ausland produzierten Rohstoffen, Maschinenausfälle oder Umweltkatastrophen können schnell massive Störungen verursachen. Unternehmen müssen solche Fehlerpotenziale frühzeitig erkennen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Das Förderprojekt SPAICER verwendet Ki-technologien, um Produktionsunterbrechungen und Störungen von Lieferketten zu minimieren. Für dieses sogenannte Resilienzmanagement entwickelt das Projekt Smarte Resilienz-services (SRS), die von Unternehmen individuell auf ihre Bedürfnisse angepasst und ohne spezielle Programmierkenntnisse eingesetzt werden können. Sie sind in der Lage, Störungen vorherzusehen und anschließend proaktiv Vorschläge zur Produktionsanpassung zu generieren. Dafür müssen große, dynamische Datenmengen analysiert werden: Dabei werden zum einen allgemeine Trends und Muster in Politik, Wirtschaft und Umwelt identifiziert und im zweiten Schritt auch unternehmensspezifische Faktoren berücksichtigt, von spezifischen Logistikketten bis hin zu zur digitalen Werkzeugüberwachung.
Unternehmen können mit dieser Unterstützung optimal auf potenzielle Veränderungen in der gesamten Wertschöpfungskette reagieren und sich krisensicherer aufstellen.