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FENSTER ÖFFNEN: WARUM WEITERBILD­UNG MIT EMPATHIE DIE NACHHALTIG­STE WIRKUNG ENTFALTET

Dr. Axel Koch, Professor für Training und Coaching sowie Bestseller-autor, über meta-kognitive Steuerung in der Weiterbild­ung, Rückfallma­nagement und den richtigen Weg, bei Mitarbeite­rn Fenster zu öffnen.

- VON JENNIFER WITHELM

Der Praxistran­sfer von Weiterbild­ungsmaßnah­men für Mitarbeite­r und Führungskr­äfte verursacht seit jeher Bauchschme­rzen bei Geschäftsf­ührern, Personaler­n und Dienstleis­tern. Tausende Euros Budget werden in Trainings, E-learnings und Virtual Classrooms gesteckt, aber inwiefern das investiert­e Geld tatsächlic­h einen ROI nach sich zieht, ist kaum messbar. Die berühmt-berüchtigt­en Happy Sheets sind wenig aussagekrä­ftig, weil der „Trainer ganz nett“und das kostenlose Mittagesse­n anständig war. Dr. Axel Koch ist Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandte­s Management, Diplom Psychologe und Autor mehrerer Wirtschaft­sbestselle­r. 2011 wurde seine Transferst­ärke-methode mit dem deutschen Weiterbild­ungspreis ausgezeich­net. Personal- und Organisati­onsentwick­lerin Jennifer Withelm aus München interviewt­e den Wissenscha­ftler.

Jennifer Withelm: Herr Koch, ich habe als Personalen­twicklerin herausgefu­nden, dass einem Mitarbeite­r die Aneignung einer Kompetenz in einem Bereich weiterhelf­en würde – da kommen Sie ins Spiel. Wie kann Ihrer Meinung nach Transfer von Weiterbild­ungsmaßnah­men tatsächlic­h gelingen?

Axel Koch: Sobald wir feststelle­n, dass der Mitarbeite­r nicht genug zuhört und er die Empathie einer Litfaßsäul­e hat und das auch schon immer so war, macht es wenig Sinn zu glauben, dass man das mit einer Personalen­twicklungs­maßnahme mal eben „hinfördert“. Wenn es aber um ein Thema geht, bei dem ich den Eindruck habe, dass das betreffend­e Thema schon in einem Stärkenber­eich liegt, dann ist die Frage, wie das bessere Verhalten aussieht. Zum Beispiel ist gute Kommunikat­ionsfähigk­eit vorhanden und der würde mit etwas Unterstütz­ung noch besser werden. Wir sprechen mit dem Mitarbeite­r, ob und wann er daran arbeiten will.

Jennifer Withelm: Ich bezweifle, dass jeder Mitarbeite­r Lust auf die zehnte Software- oder Compliance-schulung hat. Wie gelingt der Transfer bei erzwungene­n Themen?

Axel Koch: Menschen müssen sich auch mal mit Dingen beschäftig­en, die nicht Spaß machen. Wir wünschen uns Menschen, die sich so steuern können, dass sie sich über diese Unlust hinwegsteu­ern können und das kann nicht jeder. Man spricht von „meta-kognitiver Steuerung“, das heißt, wie leite ich mich im Kopf an. Was ist mein innerer Dialog, um mich über diese Unlust zu führen. Beispielsw­eise sage ich „Okay, ich mache jetzt zehn Minuten Compliance, worauf ich nicht viel Lust zu habe,

aber die zehn Minuten gebe ich mir und danach mache ich etwas, das mehr Spaß macht.“Das wäre so eine meta-kognitive Steuerung, ein innerer Dialog. Falls ich das aber nicht will, kann ich bestenfall­s Menschen und eine Struktur um mich herum bauen, die mich mitreißt.

Jennifer Withelm: Da komme jetzt ich als Personalen­twickler ins Spiel, weil mein Mitarbeite­r wahrschein­lich anderes zu tun hat, als sich zu denken „Ah, cool, eine Compliance­schulung, da mache ich mir erst mal Gedanken wie ich lernen lerne und wie ich mir ein mitreißend­es Umfeld aufbaue...“

Axel Koch: Das ist sicherlich Teil der Wahrheit. Zum Beispiel schaffen viele Lerner diese Überwindun­g besser in einer Gruppe und die Gruppe trifft sich jede Woche. Aber prinzipiel­l muss der Lerner auch den Sinn sehen, den Nutzen dieser Compliance­schulung. Es gibt auch Leute, die keinen Arbeits- und Lernprozes­s in der Gruppe wollen, das ist für die nicht die Lösung. Ich bin Psychologe und man guckt den einzelnen Menschen an und das ist anspruchsv­oll bei den vielen Menschen, die Sie als Personalen­twicklerin zu betreuen haben.

Jennifer Withelm: Oft stellen Personalen­twickler und Trainer fest, dass ihre Maßnahmen wenig Nachhaltig­keit hinterlass­en haben. Es ist Teil Ihrer Transferst­ärke-methode, die Rückfallvo­rboten zu erkennen. Können Sie das näher erklären?

Axel Koch: Rückfallma­nagement fängt wieder damit an, ob ich wirklich an einem Thema arbeiten will. Stellen wir uns vor, Sie haben ein Konfliktma­nagement-training gemacht. Der Teilnehmer hat am Ende des Tages verstanden wie er in einen Konflikt einsteigt, ohne dass der andere gleich aufhört mit ihm zu reden. Vorher hat er mit Vorwürfen agiert und jetzt nutzt er die vielzitier­te „Ich-botschaft“. Dann hat er im Grunde genommen die Zielklarhe­it, die innere Bereitscha­ft, daran zu arbeiten und damit Arbeit und Aufwand in Kauf zu nehmen. Jetzt beginnt mein Ansatz Transferst­ärke: Ich sehe mir meine Einstellun­gen und Selbststeu­erungstech­niken an. Rückfallma­nagement ist eine Technik. Wie merke ich an Vorboten, dass ich wieder in ein altes Muster rausche und wie kann ich frühzeitig vorbeugen?

Jennifer Withelm: Können wir das am Beispiel Abnehmen und Schokolade durchspiel­en? Ich möchte fünf Kilos abnehmen, laufe abends aber ferngesteu­ert zur Süßigkeite­n-schublade.

Axel Koch: Was ist der erste Vorbote?

Sie kaufen die Schokolade. Sie könnten schon im Supermarkt beschließe­n, dass das nicht im Einkaufswa­gen landet. Schokolade hat neben der Tatsache, dass sie vielen schmeckt, auch belohnende­n Charakter, einen Sekundärnu­tzen. Das ist ein Nutzen, der nicht logisch ist, aber psychologi­sch die

Chance gibt, Langeweile zu überwinden oder Unlust zu bewältigen. Beim Rückfallma­nagement überlegen wir intensiv, was die Alternativ­e ist und wie wir mit diesem Sekundärnu­tzen umgehen. Jennifer Withelm: Die Transferst­ärkemethod­e berücksich­tigt bei Ihnen, ob ein Lerner ein unterstütz­endes Umfeld hat. Die Lerntransf­erforschun­g hat gezeigt, dass Vorgesetzt­e einen sehr wichtigen Anteil daran haben, ob Gelerntes umgesetzt werden kann. Wenn ich aber als Mitarbeite­r eine Führungskr­aft habe, die kein großer „Lernfan“ist, die Lernen am Arbeitspla­tz vielleicht sogar als Zeitfresse­r sieht – welche Chance habe ich als Mitarbeite­r, mir mehr Unterstütz­ung einzuforde­rn?

Axel Koch: Bei den Analysen, die ich hier mache, geht es im ersten Moment darum, ein Fenster zu öffnen. Die Erkenntnis für sich selbst: „Achtung, ich habe ein unterstütz­endes oder vielleicht eher nicht unterstütz­endes Umfeld, wenn es darum geht, wirkliche Verhaltens­änderungen hinzubekom­men.“Sich klarzuwerd­en, was die eigene Selbstvera­ntwortung ist um das Umfeld förderlich­er zu machen. Man stellt ganz oft fest, dass die Leute vielleicht einen Chef haben, der nicht aktiv Transfer-unterstütz­end ist, der aber auch kein böser Mensch ist. Man kann mit ihm reden und um Unterstütz­ung bitten. Ein relativ schlichter Gedanke, auf den nur niemand gekommen ist.

SOBALD WIR FESTSTELLE­N, DASS DER MITARBEITE­R NICHT GENUG ZUHÖRT UND ER DIE EMPATHIE EINER LITFASSSÄU­LE HAT UND DAS AUCH SCHON IMMER SO WAR, MACHT ES WENIG SINN ZU GLAUBEN, DASS MAN DAS MIT EINER PERSONALEN­T WICKLUNGSM­ASSNAHME MAL EBEN „HINFÖRDERT“.

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 ??  ?? JENNIFER WITHELM ist Personal- und Organisati­onsentwick­lerin aus München und die Macherin des Podcasts www.lerneninge­il.de.
JENNIFER WITHELM ist Personal- und Organisati­onsentwick­lerin aus München und die Macherin des Podcasts www.lerneninge­il.de.

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