ECKPFEILER FÜR VERTRAUEN UND VERLÄSSLICHKEIT
Neue Geschäftsmodelle, effizientere Abläufe – KI bietet Unternehmen große Chancen. Zugleich birgt die Technologie Risiken und braucht deshalb einen festen Handlungsrahmen: 300 deutsche Ki-experten erarbeiten daher jetzt Normen und Standards, die Vertrauen in die Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit von Ki-anwendungen schaffen sollen.
Eines der Ziele der Ki-strategie der Bundesregierung lautet: „Deutschland soll seine starke Position in der Industrie 4.0 ausbauen und führend bei Ki-anwendungen in diesem Bereich werden. Von Ki-anwendungen soll auch unser starker Mittelstand profitieren.“Das hat gute Gründe, denn kaum eine Technologie scheint aktuell so viel Potenzial zu haben, wie Künstliche Intelligenz. Ob beim Erkennen von Bildern oder Sprache, ob im autonomen Fahrzeug oder in Industrie 4.0-Umgebungen, die Einsatzmöglichkeiten sind umfassend. KI soll menschliche Wahrnehmung und menschliches Handeln in Maschinen abbilden, ihre Stärke liegt vor allem darin, selbstständig Rückschlüsse aus Abläufen zu ziehen und sich so fortlaufend zu verbessern.
Entsprechend sind die Erwartungen von Unternehmen, wie die zu Anfang des Jahres veröffentlichte Studie „Künstliche Intelligenz in der Unternehmenspraxis“des Fraunhofer IAO bestätigt. Die Forscher hatten mehr als 300 Unternehmen hierzulande befragt, 75 Prozent beschäftigen sich derzeit mit Fragestellungen zu Künstlicher Intelligenz – kurz gesagt: KI ist ein Top-thema bei den Entscheidungsträgern. In erster Linie erhoffen sich Unternehmen von KI, ihre Produktivität zu steigern. Allerdings zeigte sich auch: Nur 16 Prozent haben bereits praktische Anwendungen im Einsatz.
WAS DARF KI, WO SIND DIE GRENZEN?
Hindernisse werden unter anderem in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit gesehen. Das zeigt, dass KI als Chance, aber auch als Gefahr wahrgenommen werden kann. Der verstorbene Physiker Stephen Hawking brachte seine Sicht dazu plakativ auf den Punkt: „Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz könnte entweder das Schlimmste oder das Beste sein, was den Menschen passiert ist.“Klar ist eines: Ohne Vertrauen in die Sicherheit, Qualität und Zuverlässigkeit von Ki-anwendungen geht es nicht, es braucht dazu einen definierten Handlungsrahmen. Genau hier greifen Normen und Standards – in der von der Bundesregierung entwickelten Ki-strategie ist „Standards setzen“eines von zwölf Handlungsfeldern.
Doch warum sind Normen und Standards für KI so essenziell? Weshalb erarbeiten die im Deutschen Institut für Normung (DIN) engagierten Kreise aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft im Auftrag der Bundesregierung mit Hochdruck eine Normungsroadmap für Künstliche Intelligenz? Die Antwort ist naheliegend: Ohne ein einheitliches Verständnis, gemeinsame Sprache und offene Schnittstellen kann KI nicht funktionieren – spätestens dann, wenn sich Lösungen im Massenmarkt behaupten sollen oder mit anderen Systemen oder Komponenten zusammenarbeiten müssen. Normen und Standards tragen zudem dazu bei, Akzeptanz für Ki-anwendungen zu schaffen, indem sie diese erklärbar und nachvollziehbar machen.
Wichtig ist auch, Ethikfragen rund um den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu klären – zum Handlungsfeld „Standards setzen“der Bundesregierung heißt es: „Die Bundesregierung wird sich aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung in Kooperation mit Wirtschaftsvertretern auch im Ki-bereich für Standards und Normsetzung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene durch die nationalen Normungsorganisationen DIN/DKE einsetzen. Dabei geht es uns nicht nur um technische, sondern auch um ethische Fragestellungen.“Zu klären ist also ebenso: Was darf KI, wo sind ihre Grenzen?
Gesellschaft und Politik müssen definieren, welches Verhalten für eine KI ethisch korrekt ist – DIN kann schließlich mit technischen Standards dazu beitragen, diese ethischen Werte umzusetzen und so von technischer Seite etwa gegen Verzerrungen, Diskriminierungen und Manipulationen schützen. Auch aus nationaler und europäischer Sicht ist es äußerst wichtig, eigene Ki-standards zu
setzen. Behaupten sich dagegen Wettbewerber wie China oder die USA international mit ihren Regeln, besteht die Gefahr, dass deren Wertmaßstäbe und ethischen Richtlinien für Ki-systeme gelten – und diese können unseren eigenen Maßstäben durchaus widersprechen. Ohnehin gilt wie in allen Bereichen: Wer seine Interessen in die internationale Normung einbringt, profitiert. Denn dann gelten die eigenen Regeln und es lässt sich auf bestehende Lösungen aufbauen.
300 EXPERTEN ERARBEITEN DEN KI-FAHRPLAN
Den Ki-fahrplan für Deutschland, die Normungsroadmap für Künstliche Intelligenz, treiben DIN und DKE seit Herbst 2019 in einem gemeinsamen Projekt mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) voran. Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft erstellen eine Übersicht über bestehende Normen und Standards zu verschiedenen Aspekten der KI und zeigen Normungsbedarfe auf – insbesondere hinsichtlich Qualität, Nachvollziehbarkeit, Erklärbarkeit und Verlässlichkeit von Ki-systemen. Die Roadmap wird in einem transparenten, offenen Prozess erarbeitet und soll anlässlich des Digital-gipfels der Bundesregierung Ende 2020 vorgestellt werden.
Eine Steuerungsgruppe aus hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft steuert und begleitet die Normungsroadmap für KI:
Ohne ein einheitliches Verständnis, gemeinsame Sprache und offene Schnittstellen kann KI nicht funktionieren.
Sie verantwortet die inhaltliche und strategische Ausrichtung der Roadmap und ebnet so den Weg für den Ausbau des Ki-standortes Deutschland. Vorsitzender ist Prof. Wolfgang Wahlster, Mitglied des Lenkungskreises der Plattform Lernende Systeme und führender deutscher Wissenschaftler im Bereich KI. Sieben Arbeitsgruppen zu den Themen Grundlagen, Ethik, Qualität, Konformitätsbewertung und Zertifizierung, It-sicherheit bei Ki-systemen, industrielle Automation, Mobilität und Logistik sowie KI in der Medizin verfassen die Inhalte der Roadmap. Mehr als 300 Experten bringen hier ihr Fachwissen ein.
NORMUNG IST OFFEN FÜR ALLE
Steht der Fahrplan, kann es an die Erarbeitung benötigter Ki-normen gehen. Ein großer Vorteil des Normungsverfahrens ist es, dass sich jeder beteiligen kann. Weil dabei das grundsätzliche Prinzip gilt, dass nicht der Größere, sondern der Konsens entscheidet, bieten sich gerade dem deutschen Mittelstand hier große Chancen. Innovative kleine und mittelständische Unternehmen können eigene Vorstellungen in den Normungsprozess einbringen. Mit der Kommission Mittelstand (KOMMIT) haben sie zudem eine Anlaufstelle bei DIN, die sie unter anderem dabei unterstützt, sich an der Normungsarbeit zu beteiligen. Das bietet die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit großen nationalen und internationalen Konzernen an der Zukunft von KI mitzuarbeiten.