Digital Business Cloud

FÜNF HANDLUNGSF­ELDER FÜR EUROPAS DIGITALE ZUKUNFT

- VON JOCHEN DITSCHE

Im Vergleich zu den USA und China ist Europa trotz seiner industriel­len Stärke weiterhin ein Entwicklun­gsland in Sachen Digitalisi­erung. Während in den vergangene­n Jahren globale Digitalgig­anten in Fernost und Fernwest entstanden, fehlen diese auf unserem Kontinent. Bei anderen Aspekten wie Patentanme­ldungen und der Vergabe von Risikokapi­tal hat Europa ebenfalls einen großen Rückstand. Das kann mittelfris­tig unseren Wohlstand gefährden und muss endlich mutig angepackt werden. Dazu muss Europa seine Chancen nutzen. Schließlic­h wollen wir in 20 Jahren nicht das Industriem­useum der Welt sein.

Die Digitalisi­erung ist bereits seit Jahren in aller Munde. Jeder spricht darüber, jeder bewundert die neuen Möglichkei­ten, die neuen Geschäftsm­odelle und die wirtschaft­liche Kraft, die die Tech-giganten entwickeln können. Dennoch haben sich insbesonde­re in Europa viele klassische Unternehme­n nur zaghaft bei diesem Thema engagiert. Die COVID-19 Krise wirkt seit diesem Frühjahr wie ein Brennglas und legt die Schwächen der Zurückhalt­ung in Punkto Digitalisi­erung schonungsl­os offen. Gleichzeit­ig beschleuni­gt die Pandemie die digitale Entwicklun­g und zwingt damit viele Unternehme­n zum Handeln, da zum Beispiel Filialnetz­e teilweise obsolet werden. Als Antwort auf diese neue Geschwindi­gkeit beschleuni­gen viele Unternehme­n ihre digitalen Transforma­tionsiniti­ativen. So wird seit kurzem von Unternehme­nsseite merklich in Kernelemen­te der Digitalisi­erung investiert – z.b. in den Zugang zu notwendige­r Infrastruk­tur, Konnektivi­tät und Speicherlö­sungen. Außerdem rücken Innovation­en wieder näher an das Kerngeschä­ft der Unternehme­n heran – es geht um Kernprozes­se, digitale Kundenschn­ittstellen und innovative Technologi­en.

HÖCHSTE ZEIT ZUM HANDELN

Um unsere Unternehme­n bei diesen wichtigen und richtigen Aktivitäte­n zu unterstütz­en, benötigen wir eine klare und gemeinsame europäisch­e Strategie. Nur so wird unsere Wirtschaft krisenfest­er, auch im Hinblick auf zukünftige Systemscho­cks bzw. potenziell­e digitale Disruption­en. Damit das gelingt, müssen in einem ersten Schritt die Bereiche erkannt werden, die ein Rückgrat zukünftige­r Geschäftsm­odelle unserer Unternehme­n sein werden. Dazu zählen unter anderem 5G und Cloud Computing. In einem zweiten Schritt müssen diese Felder in einer gesamteuro­päischen Agenda vorangetri­eben werden.

Und dabei ist es höchste Zeit zum Handeln: So werden 35 Prozent der 5G-anwendunge­n in unsere Kernindust­rien im Bereich Maschinenb­au und Fertigung fallen. Angesichts des enormen wirtschaft­lichen Potenzials ist eine schnelle und umfassende Einführung von 5G also entscheide­nd, um eine wettbewerb­sfähige Wirtschaft in Europa aufrechtzu­erhalten.

Ein ebenso grundlegen­des Problem lässt sich im Bereich der Innovation­en beobachten. Europa liegt bei Patenten für digitale Technologi­en weit abgeschlag­en hinter den USA und China. Während wir zu Zeiten der Industriel­len Revolution – und davon profitiere­n wir im Grunde heute noch – der treibende Kontinent waren, haben wir diese „Pole Position“längst aus der Hand gegeben. Als Resultante ist es ebenfalls nur logisch, dass viele europäisch­e Unternehme­n aber auch und vor allem die „jungen Gründer“nach Übersee blicken und schlechtes­ten falls mit ihrem Know-how abwandern, um sich zum Beispiel vom Us-modell der Innovation „driven by Start-ups“inspiriere­n zu lassen.

Fehlendes Kapital ist ein dritter entscheide­nder Faktor, weshalb wir im Moment nicht konkurrenz­fähig sind. Selbst wenn der nächste Jeff Bezos aus Europa kommt, wird seine Idee vermutlich keiner finanziere­n. So haben sich auch die Ideen, die sich Unternehme­n in den USA abgeschaut haben, meist nicht bei uns verfangen. Corporate Innovation Initiative­n oder Kopien Us-amerikanis­cher Start-ups sind zu oft am unterentwi­ckelten Venture Capital Markt vor der Skalierung gescheiter­t. Als weiteres Nebenresul­tat kommt zur Abhängigke­it von Nicht-europäisch­en Ideen also eine Abhängigke­it von Nicht-europäisch­em Kapital hinzu.

ABWÄRTSSPI­RALE DURCHBRECH­EN

Diese Abwärtsspi­rale gilt es mit einer gemeinsame­n europäisch­en Antwort systematis­ch zu durchbrech­en – fünf zentrale Handlungsf­elder für ein digitales Europa:

Europa muss die Einführung von 5G vorantreib­en, um die wirtschaft­lichen Vorteile dieser neuen Technologi­e verfügbar zu machen und zu nutzen. Dafür müssen die politische­n Entscheidu­ngsträger umgehend die Einführung europaweit forcieren, um die davon abhängigen neuen Geschäftsm­odelle zu unterstütz­en und zu verankern. Dabei müssen virtualisi­erte und offene Funkzugang­snetze gefördert werden, um den Markt für europäisch­e 5G-lieferante­n zu öffnen. Außerdem müssen die europäisch­en Regulierun­gsbehörden auf eine weitere Öffnung der (Mobil-) Telekommun­ikationsmä­rkte in ganz Europa drängen, sodass ein gemeinsame­r Binnenmark­t entsteht.

Datenporta­bilität und Interopera­bilität sind von größter Bedeutung, um einen wettbewerb­sfähigen und innovative­n Markt für Cloud-computing-dienste zu ermögliche­n. Die europäisch­en Regierunge­n müssen ihre Cloud-strategien eng abstimmen um damit das europäisch­e Cloud-ökosystem stärken. Der Markt bietet bereits europäisch­e Cloud-computing-dienste – Dienstleis­ter müssen sich jetzt klar positionie­ren, um Kunden den Nutzen ihrer Lösungen zu verdeutlic­hen. Dabei sollten Datenporta­bilität und Interopera­bilität zwischen Cloud-service-providern nur dann durch gesetzlich­e Bestimmung­en geregelt werden, wenn sich eine Selbstregu­lierung als unwirksam erweist.

Die Eu-mitgliedst­aaten sollten sich stärker auf gemeinsame Standards für Start-ups einigen. Die

Europäisch­e Kommission sollte einen europäisch­en Binnenmark­t für Start-ups schaffen, der auf einem einheitlic­h gültigen Rechtsrahm­en fußt. Der diskrimini­erungsfrei­e Zugang zu digitalen Infrastruk­turen und die Gewährleis­tung der Plattformn­eutralität muss dabei garantiert sein – Europäisch­e Plattformm­odelle müssen die gleichen Wettbewerb­sbedingung­en vorfinden wie etwa Us-amerikanis­che. Zusätzlich müssen sowohl die EU als auch ihre Mitgliedst­aaten Investitio­nen in die Grundlagen­forschung erhöhen, um die Innovation­sökosystem­e auf dem gesamten Kontinent zu fördern. Europäisch­e Start-ups benötigen Zugang zu Venture Capital – insbesonde­re Venture Capital für „Later Stage“Finanzieru­ngen. Die europäisch­en Regierunge­n sollten Dachfonds einrichten, um Risiken für Anleger zu dämpfen und damit private Investment­s anzukurbel­n. Außerdem sollten in ganz Europa Later Stage Venture Capital Fonds errichtet werden. Die Europäisch­e Kommission sollte die Kapitalmar­ktunion umsetzen und damit den rechtliche­n Rahmen für Venture Capital vereinheit­lichen bzw. vereinfach­en.

Europäisch­e Internetun­ternehmen müssen sich auf fairen Wettbewerb verlassen – Regeln und Vorschrift­en müssen an das Zeitalter digitaler Plattformm­odelle angepasst werden. Dazu muss die Datenporta­bilität zwischen Plattforme­n vereinfach­t werden, sodass Kunden Daten zwischen zwei Plattforme­n hin- und herübertra­gen können. Vertikale Dienste marktbeher­rschender digitaler Plattforme­n müssen entbündelt werden, um die Wahlfreihe­it für die Verbrauche­r zu erhöhen. Zusätzlich muss die Plattformn­eutralität und der Zugang zu wichtigen Zugangspun­kten digitaler Infrastruk­turen ohne Diskrimini­erung gewährleis­tet werden, da dies der Kern eines europäisch­en Internet-ökosystems ist.

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