„DATENMARKTPLÄTZE HABEN HOHES ZUKUNFTSPOTENZIAL“
Der Bundesverband Deutsche Industrie (BDI) hat zum Thema „Industrielle Digitalwirtschaft – B2b-plattformen“eine Studie in Auftrag gegeben. Johannes Koenen, Co-autor der Studie und Geschäftsführer der wissenschaftsnahen Unternehmensberatung ARC-ECON, spricht im Interview über Wettbewerbsfähigkeit sowie Zukunftsaussichten der Netzwerke.
B2C-plattformen („business to consumer“, wie beispielsweise Facebook, Amazon oder ebay) sind im Hinblick auf Wachstum und Marktposition ein Erfolgsmodell der weltweiten Digitalisierung der Wirtschaft. B2c-plattformen sind längst im Alltag der meisten Privatpersonen angekommen, wodurch sie in der Vergangenheit auch vorwiegend im Fokus der Öffentlichkeit, Wissenschaft und Politik standen. Im Gegensatz hierzu befinden sich digitale Plattformen für Unternehmen (B2B – „business to business“) noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Für die deutsche Industrie haben digitale B2b-plattformen jedoch eine wesentliche Bedeutung. Sie stellen als Intermediäre Verbindungen her (z.b. Netzwerke oder Marktplätze) oder bieten eine intelligente Infrastruktur zum Austausch von Daten und Informationen (z.b. von Maschinen und Geräten) an. Dadurch ermöglichen sie neue Wertschöpfung durch Interaktionen ihrer Nutzer – seien es Transaktionen auf Marktplätzen oder eine datengestützte Verbesserung der Effizienz von Unternehmensprozessen. Sie bieten Firmen Zugang zur Digitalisierung, Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, neue Kanäle für den Einkauf und Vertrieb sowie neue Ansätze für innovative Geschäftsmodelle.
Erfolgreiche Plattformen in diesem Bereich entstammen in vielen Fällen der Industrie selbst oder sind eng mit ihren Prozessen verzahnt. Der Bundesverband Deutsche Industrie (BDI) hat zum Thema „Industrielle Digitalwirtschaft – B2b-plattformen“eine Studie in Auftrag gegeben. Johannes Koenen, Co-autor der Studie und Geschäftsführer der wissenschaftsnahen Unternehmensberatung ARC-ECON, erläutert Wettbewerbsfähigkeit sowie Zukunftsaussichten der Netzwerke.
Welche Bedeutung haben B2b-plattformen für die deutsche Industrie?
JOHANNES KOENEN: Die unschlagbare Stärke ist ihre Nähe zu den Produktionsprozessen. Der potenzielle Nutzen liegt damit auf der Hand: B2b-plattformen können die Produktion effizienter machen. Das kann wesentlich dazu beitragen, die Produktion in Deutschland und im benachbarten europäischen Ausland zu halten und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Was zeichnet erfolgreiche B2b-plattformen aus?
Da wo man bereits erfolgreiche Plattformen sieht, haben diese häufig einen relativ starken Dienstleistungscharakter. Aber damit haben sie nicht unbedingt dieses große Skalierungspotenzial wie die bekannten „Hyperscaler“. Weil diese Plattformen sehr stark auf Ihre Kunden zugeschnitten sein müssen, steht dieser Dienstleistungscharakter im Vordergrund.
Wo steht Deutschland bei B2bplattformen im internationalen Vergleich?
Der Markt ist unterteilt in drei Kategorien: Marktplätze, Iot-plattformen und Datenmarktplätze. Weltweit gesehen dominieren asiatische und amerikanische Marktplätze. Amazon Business und Alibaba beispielsweise drängen gerade mit massiven Investitionen und aggressivem Marketing in den europäischen Markt. In Europa können einige deutsche Marktplätze mithalten wie Mercateo und Wucato. Allerdings: Was einmal an die Großen verlorengeht an Geschäft, bleibt dann auch verloren. Netzwerkeffekte, also dass Große immer größer werden, bedeutet im Bereich der Marktplätze schon eine gewisse Gefahr.bei den Iot-plattformen stellen sich etablierte Geschäftsbeziehungen und die Nähe zur Industrie als erheblicher Vorteil heraus. Aktuelle Erhebungen durch Forrester zeigen, dass 4 von 14 –also mehr als ein Viertel der weltweit führenden Plattformen – in Deutschland liegen, nämlich Siemens-mindsphere, Sap-leonardo, Software-cumulocity und Bosch-iot. Die Datenmarktplätze sind quasi noch in der Pilotphase, haben aber ein hohes Zukunftspotenzial. Das ist ein völlig neues Feld, das noch so gut wie unbespielt ist. Hier hat die Telekom aktuell eine Vorreiterrolle. Die Grundidee ist,
dass zahlreiche Firmen zwar viele Daten haben, aber nicht unbedingt Wertschöpfung daraus ziehen. Die Daten können auf diesen spezialisierten Plattformen nur an diejenigen Käufer zur Verfügung gestellt werden, die daran Interesse haben und werden an diese vermarktet. Sie bieten die Infrastruktur für einen sicheren und berechtigten Datenaustausch: Zugriff bekommt nur, wer die Rechte dafür erworben hat.
Inwieweit sind die B2b-plattformen auch von aktuellen Regulierungen betroffen?
Das regulatorische Umfeld bei Plattformen verschärft sich gerade, in den USA, aber jetzt auch zeitlich ca. ein halbes Jahr hinterher in Deutschland und Europa. Die Regulatoren tun sich aus unserer Sicht schwer, zwischen B2B- und B2c-plattformen zu unterscheiden, bei denen es schon einige Oligopolisten gibt. Einige B2c-plattformen spielen tatsächlich schon eine sehr dominante Rolle, wie etwa die von Amazon. Im B2b-bereich herrscht aber überwiegend ein harter, starker Wettbewerb. In vielen Fällen ist dort noch überhaupt nicht klar, wie und wann ertragreiche Umsätze getätigt werden und die endgültigen Geschäftsmodelle aussehen sollen. Im IOT- und Iiot-bereich gibt es bereits spezialisierte Geschäftsmodelle, die aber zum Teil noch eine kritische Masse an Nutzern benötigen, um ihre Vorteile ausspielen zu können. Manche sind aber schon sehr erfolgreich wie etwa Ondeso, die spezialisierte, dienstleistungsnahe Angebote für Anlagenbetreiber bietet. Hier ist die Skalierbarkeit in Richtung Monopolisierung aber nicht gegeben.
Der Wettbewerb im Bereich der B2b-plattfomen ist wesentlich größer als bei den Consumer-plattformen, wo einige Monopolisten komplette Märkte dominieren. Ist das gut oder gefährlich?
Das kommt auf die Perspektive an: Für Kunden und Regulierer ist der Wettbewerb gut. Aus Sicht der Anbieter ist es aber schwieriger, die Investitionen zu amortisieren. Viele Iot-plattformen sind noch in einem frühen Lebenszyklus, in dem viel experimentiert wird und Angebote weit unter den Kosten liegen. Dieser harte Wettbewerb, wie er derzeit herrscht, ist auf Dauer nicht nachhaltig. Einige der großen Akteure wie Ge-predix sind gerade schon dabei, sich zurückzuziehen.
Wie schwierig ist es für potenzielle Nutzer, die für sie richtige Plattform zu finden?
Plattformen erfolgreich zu nutzen, hat großes Potenzial. Es erfordert aber Investitionen in das technische Know-how und die Funktionsweise der jeweiligen Plattformen. Große Unternehmen sind als Nutzer auf mehreren Plattformen aktiv. Die wollen sich natürlich das Beste rauspicken. Für kleine Unternehmen ist die Wahl der richtigen Plattform eine enorme Herausforderung. Manche Plattformbetreiber verstehen das auch und stellen sich mit ihrer Strategie darauf ein: Zum einen bieten sie mehr Funktionalitäten, zum anderen bieten sie sofort nutzbare Produkte quasi von der Stange. Solche out-of-thebox-lösungen erleichtern den Kunden den Einstieg. Ein gutes Beispiel ist hier das Zählermanagement, wo Analyse und Wartungstools vorprogrammiert als Suite zur Verfügung stehen, was die Investition des Kunden massiv verringern soll.
Wie können B2b-plattformen im Wettbewerb besser bestehen?
Aus Sicht der Anbieter ist es schwieriger, die Investitionen zu amortisieren. Viele Iot-plattformen, sind noch in einem frühen Lebenszyklus, in dem viel experimentiert wird und Angebote weit unter den Kosten liegen.
Erfolgsfaktoren im Iot-bereich sind vor allem funktionierende Beziehungen, die dem Kunden Mehrwert schaffen. Also etwa die punktgenaue Lieferung an eine Maschine statt an das Fabriktor. Das erfordert Spezialisierung und maßgeschneiderte Lösungen für bestimmte Kunden. Bei einer Lösung für die Chemieindustrie etwa ist es zentral, zu verstehen, welche speziellen Auflagen diese Industrie hat und wie dadurch die Prozesse bedingt sind. Außerdem: Viele Maschinen in der Industrie sind 30 bis 40 Jahre alt. Wer die Online bringen kann, hat große Vorteile. Hier zahlt sich beispielsweise die Industrienähe einer Plattform wie Mindsphere aus.
Wie wichtig ist es für den Erfolg von B2b-plattformen, dass Unternehmen ihre Daten diesen sicher vor ungewolltem Zugriff anvertrauen können?
Grundvoraussetzung ist eine neutrale und sichere Infrastruktur. Es darf niemand unberechtigt reinschauen, der eigene Interessen hat. Das ist bisweilen ein heikler Punkt: Viele Anbieter von Plattformen sind ja zugleich Wettbewerber der diese Plattform nutzenden Unternehmen. Das steigert die Bedeutung der Neutralität auf ein Höchstmaß.