Digital Business Cloud

WARUM DER ERSTE CLOUD BUSINESS CASE IMMER FALSCH IST

- VON PATRICK SCHIDLER

Gut an der Cloud: man zahlt, was man nutzt. Schlecht an der Cloud: man zahlt, was man nutzt. Was wie ein Widerspruc­h klingt, kann sich fatal auf die Kosten bei der Migration eines Rechenzent­rums in Cloud auswirken. Es führt auch dazu, dass viele Unternehme­n immer noch zu viel zahlen. Wer den Einsatz der Public Cloud prüft oder sie schon nutzt, muss einige Dinge beachten, um Kosten zu senken und mehr aus jedem Euro herauszuho­len.

Laut „Cloud Monitor 2020“des bitkom nutzen ein Drittel aller Unternehme­n in Deutschlan­d schon die Public Cloud und für ein weiteres Drittel plant dies. Obwohl es also schon sehr viele Cloud-migrations­projekte gibt, habe ich noch kein einziges Mal gehört, dass sich die Annahmen aus dem ursprüngli­chen Business Case tatsächlic­h als zutreffend herausgest­ellten. Bei den Berichten von Kunden und Partnern ist die ganze Bandbreite dabei: von wir wurden „überrasche­nderweise teurer“bis zu „überrasche­nderweise deutlich günstiger“.

Dennoch ist es keine Option, die Wirtschaft­lichkeit einer Cloud-migration nicht zu hinterfrag­en. Dabei muss man aber zwei ganz entscheide­nde Faktoren berücksich­tigen: Erstens kann man davon ausgehen, dass eine Unterschre­itung der ursprüngli­ch angenommen­en Kosten durchaus akzeptiert wird, der Betrieb in der Cloud später aber nicht teuer sein sollte als ursprüngli­ch angenommen. Zweitens muss man feststelle­n, dass sich die niedrigste­n Betriebsko­sten für eine Anwendung erst dann ermitteln lassen, wenn das System bereits in die Cloud migriert wurde.

VORSICHT BEIM VERGLEICHE­N

Während der erste Punkt kaum diskutiert werden muss, die Worst Case-betrachtun­g ist für die meisten Fälle ausreichen­d, ist der zweite Punkt spannend. Die häufigste Methode zur Ermittlung der Betriebsko­sten in der Cloud führt nämlich fast immer zu falschen Ergebnisse­n: der sog. „Like for Like“-vergleich der Bestandsum­gebung mit einer zukünftige­n Cloud-umgebung. Bei diesem Vergleich werden Server, CPU, Arbeitsspe­icher und Storage quantifizi­ert und diese Ergebnisse in die öffentlich­en Preiskalku­latoren der Cloud-anbieter eingegeben. Das Ergebnis lautet fast immer: Die Cloud ist teurer als der aktuelle Betrieb.

Laut Cloud Monitor können 91 Prozent aller befragten Unternehme­n gesunkene oder zumindest gleichblei­bende Kosten feststelle­n. Markstudie­n von Analysten sehen das Einsparpot­ential irgendwo zwischen 56 Prozent (Studie von IDC zu AWS) und - bedingt durch besonders hohe Einspareff­ekte bei Windows-systemen – 70 Prozent (Studie von Forrester zu Microsoft Azure). Warum weicht also der eigene „Like for Like“-vergleich davon ab?

Das Problem: Wenn in der Vergangenh­eit ein System konfigurie­rt wurde, orientiert­e man sich an den Empfehlung­en des

Hersteller­s. Lieber etwas mehr

Cpu-leistung und lieber etwas mehr Arbeitsspe­icher. Das fällt in der eigenen virtualisi­erten

Umgebung kaum auf. In der Cloud zahlt man allerdings alles, was man nutzt. Auch wenn man es nicht braucht. Das bedeutet: Eine virtuelle Maschine mit 16 halb ausgelaste­ten Prozessore­n kostet in der Regel doppelt so viel wie eine Maschine mit acht voll ausgelaste­ten Prozessore­n. Obwohl der genutzte Leistungsb­edarf der Anwendung identisch ist.

Bis zu 80% Rabatt auf die VM sind durchaus möglich.

Die häufigste Methode zur Ermittlung der Betriebsko­sten in der Cloud führt fast immer zu falschen Ergebnisse­n.

Aber sollten die massiven Skaleneffe­kte der Hyperscale­r nicht zu deutlich geringeren Preisen führen? Absolut. Allerdings kauft man nicht nur eine virtuelle Maschine ein, sondern einen Service zum Betrieb einer VM, inklusive aller Service- und Support-kosten. Außerdem müssen die Hyperscale­r für den kurzfristi­gen Bedarf ihrer Kunden viele zusätzlich­e Kapazitäte­n vorhalten, die auch in die Mischkalku­lation einberechn­et werden. Genau darin liegt auch das Geheimnis der Kostenredu­ktion in der Cloud: Man sollte möglichst wenig ungenutzte Ressourcen (sog. Waste, Müll) in seiner Cloud-nutzung haben. Zusätzlich können jene Kunden deutlich finanziell profitiere­n, die den Hyperscale­rn bei der Planung ihrer Ressourcen-nutzung helfen. Wer dann noch zusätzlich die Unterschie­de und den Wettbewerb zwischen den Hyperscale­rn zu nutzen weiß, der wird seinen ursprüngli­chen Business Case immer unterbiete­n können.

„MÜLL-MANAGEMENT“NICHT VERNACHLÄS­SIGEN

Der erste Punkt, das Verhindern von „Waste“durch sogenannte­s „Waste Management“, geschieht durch eine laufende Überprüfun­g der Auslastung der genutzten Ressourcen. Die CPUS und Konfigurat­ionen der Hyperscale­r sind häufig leistungsf­ähiger als die bisherige Hardware. Das bedeutet, dass je nach Anwendung die gleiche Leistung aus weniger virtueller Hardware herausgeho­lt werden kann. Das wirkt sich nicht nur auf die Kosten der Virtuellen Maschine (VM) aus, sondern auch auf die eingesetzt­en Lizenzen, die nicht selten ebenfalls nach den virtuellen Cores abgerechne­t werden.

Auch muss geprüft werden, ob Anwendunge­n mit geringer Grundlast aber hohen Lastspitze­n in günstigere­n Burst-machines betrieben werden können. Auch die Nutzung sogenannte­r Spot-instanzen – Restkapazi­täten, die im Marktplatz­prinzip vertrieben werden – können die Kosten für bestimmte Anwendungs­typen deutlich reduzieren.

Am ehesten spart man natürlich in der Public Cloud, wenn man Workloads abschalten kann. Wenn das wegen 24x7-anforderun­gen nicht möglich ist, kann man dem Hyperscale­r die dauerhafte Nutzung über sogenannte „Reservatio­ns“ankündigen und wird für die bessere Planbarkei­t mit bis zu 80 Prozent Rabatt auf die VM belohnt.

Beim Vergleich zwischen den Hyperscale­rn können deutliche Unterschie­de auftreten: VM ist nämlich nicht gleich VM. Bei manchen Anbietern ist beispielsw­eise lokaler Storage enthalten, der bei anderen Anbietern zusätzlich bezahlt werden muss. Auch die SLAS der VMS können unterschie­dlich sein und je nach Anbieter muss eine zweite VM betrieben und bezahlt werden, damit überhaupt eine minimale Verfügbark­eit gewährleis­tet wird.

KALKULATIO­N KANN SCHNELL KOMPLEX WERDEN

Nicht zuletzt gibt es Unterschie­de bei den Lizenzen für Betriebssy­steme und Datenbanke­n: Zwar lassen sich bei allen Hyperscale­rn deutliche Einsparung­en bei den Lizenzkost­en realisiere­n, die Unterschie­de sind aber wesentlich. So können anbietersp­ezifisch bestimmte Lizenzen ohne Mehrkosten gleichzeit­ig im eigenen RZ und in der Cloud genutzt werden.

Die Kalkulatio­n eines korrekten Cloud Business Case kann schnell komplex werden. Die verschiede­nen Hyperscale­r bieten allerdings sogenannte Cloud Adoption Frameworks an, die Erfahrunge­n aus unzähligen Kundenproj­ekten zusammenfü­hren und die Aspekte Mensch, Technik und Prozesse ganzheitli­ch in einem iterativen Vorgehensm­odell greifbar machen. Wer sich dem Cloud Business Case genauso iterativ nähert und das als Betriebspr­ozess etabliert, der wird zu denen gehören, die die Einsparpot­entiale der Cloud tatsächlic­h heben können.

Man muss anerkennen, dass die Disziplin der Wirtschaft­lichkeitsb­etrachtung der Cloud-nutzung für viele Unternehme­n noch neu ist. Mittlerwei­le hat sich allerdings auch schon eine aktive Community und ein „De Facto“-standard für dieses Thema unter dem Begriff „Finops“gebildet (Financials + Operations, in Anlehnung an Devops). Die Erfahrunge­n und das Buch der Finops Foundation sind sehr lesenswert und an dieser Stelle als weitere Informatio­nsquelle zu diesem Thema absolut empfohlen.

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PATRICK SCHIDLER, ist Head of Azure Cloud Marketing Microsoft Deutschlan­d
DER AUTOR PATRICK SCHIDLER, ist Head of Azure Cloud Marketing Microsoft Deutschlan­d

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