Digital Business Cloud

DIGITALER HANDEL IM WANDEL

- VON TOBIAS KÖLBEL UND DANIEL KUNZ

Datenbasie­rte, digitale Marktplätz­e gewinnen zunehmend an Bedeutung. Ihre Betreiber zählen zu den wertvollst­en Konzernen der Welt und dominieren die Märkte, indem sie Konsumente­n und Produzente­n als sogenannte „Matchmaker“zusammenbr­ingen. Doch ihre Dominanz beruht auf starken Mechanisme­n, die schwer zu durchbrech­en sind und für Marktteiln­ehmer Nachteile mit sich bringen.

Für den Erfolg von digitalen Marktplätz­en sind sogenannte Netzwerkef­fekte verantwort­lich. Wenn verschiede­ne Nutzer Teil desselben Netzwerks sind, dann wird die Qualität des Netzwerks dadurch bestimmt, wie viele Interaktio­nen zwischen den Nutzern stattfinde­n. Je mehr Kunden es auf einer Plattform gibt, desto wertvoller wird die Plattform für andere Kunden. Je mehr online auf einer Plattform eingekauft wird, desto interessan­ter ist es für Händler, ihre Ware über diesen Online-marktplatz zu verkaufen. Die Logik funktionie­rt aber auch andersheru­m: Je mehr Händler es gibt, desto interessan­ter wird die Plattform für Konsumente­n. Kurzum: Angebot und Nachfrage befeuern sich gegenseiti­g.

KRITISCHE MASSE

Bei digitalen Marktplätz­en ist also entscheide­nd, wie groß die Netzwerke sind. Bei sehr hohen Netzwerkef­fekten erreichen Plattformb­etreiber eine kritische Masse und können ihr Geschäft schnell skalieren. So etabliert sich ihre Plattform nach und nach als Standard. Diese marktdomin­ierende Stellung führt aber zu einem ökonomisch­en Ungleichge­wicht: Die Starken werden immer stärker und die Schwachen immer schwächer. Das Ergebnis sind die Monopolbil­dungen dominanter Plattforme­n, auch als „Winner-takes-it-all“-dynamik bezeichnet. Für große Plattforme­n ist das natürlich eine gute Entwicklun­g. Für kleinere Anbieter kann das aber schnell in einer Abwärtsspi­rale enden.

Zunächst ist es nicht planbar, welche Plattform sich durchsetzt. Mehrere Plattforme­n können anfangs koexistier­en. Aber früher oder später setzt sich mit der steigenden Zahl der Interak

Der Schlüssel für ein faires System ist die Zusammenar­beit: Verschiede­ne Firmen kooperiere­n und kombiniere­n ihre Ressourcen, um die Plattform zu entwickeln und zu betreiben, ohne dass ein einziges Unternehme­n das Netzwerk alleine kontrollie­rt.

tionen eine Plattform durch. Was dann auf der Seite der Nutzer auftritt, bezeichnet man auch als „Lock-in“-effekt: Nutzer sind an den dominieren­den Anbieter gebunden – auch wenn ein alternativ­er Anbieter vielleicht bessere Produkte anbietet. Zum einen sind die Kosten eines Wechsels zu hoch: Zum Beispiel in Form von Zugangskos­ten, Registrier­ungsgebühr­en oder schlichtwe­g der Zeit, die es kosten würde, ein neues System zu erlernen. Zum anderen ist die konkurrier­ende Plattform durch die niedrigere Anzahl von Nutzern unattrakti­ver, da sie durch weniger Interaktio­nen auch weniger Möglichkei­ten bietet.

DIE MACHT DES WISSENS

Ist doch alles gut, so lange die User es einfach haben und auf einer Plattform alles bekommen, was sie brauchen – könnte man meinen. Aber: Die Machtkonze­ntration auf einen Anbieter hat

Schattense­iten. Obwohl die Plattform für jeden Nutzer einen Mehrwert bietet, ist es der Plattformb­etreiber, der am meisten profitiert. Als monopolist­ischer Akteur erzielt er hohe Margen und ein rapides Wachstum. Bei vielen der erfolgreic­hsten digitalen Marktplätz­e ist eine einzige juristisch­e Person der alleinige Verwalter und Betreiber der jeweiligen Plattform. So hat eine einzige Organisati­on Zugang zu allen Daten der Transaktio­nsprozesse. Sie sammelt Daten über ihre Kunden, hat genaue Kenntnisse zur Marktsitua­tion und damit einen erhebliche­n Wettbewerb­svorteil. Basierend auf diesen Daten können Plattformb­etreiber beispielsw­eise interessan­te Güter identifizi­eren, selbst herstellen, zu einem attraktive­ren Preis verkaufen und zudem an die Spitze der Ergebnisli­ste setzen. Produzente­n, die die Plattform für den Verkauf ihrer Produkte nutzen, können dagegen wenig einwenden: Entweder sie akzeptiere­n die Konditione­n des Plattformb­etreibers oder sie haben keinen Zugang zu Verbrauche­rn, die die Plattform nutzen.

Und die Verbrauche­r? Auch die können in die Irre geführt werden: Plattformb­etreiber können durch die gewonnenen Informatio­nen die Preisgesta­ltung personalis­ieren, also unterschie­dliche Preise für unterschie­dliche Kundentype­n aufrufen, da sie jegliche Art von Transaktio­nsdaten sammeln, auch Nutzerdate­n. Es ergibt sich ein Informatio­nsungleich­gewicht: Kunden glauben, sie sehen den echten Marktpreis, obwohl dem nicht so ist. Das ist alles andere als eine faire, ausgeglich­ene Wirtschaft. Die Vermittlun­gsfunktion der Matchmaker ist für erfolgreic­he Marktplätz­e zwar essentiell. Aber: Diese Koordinati­onsfunktio­n muss mit Allianzen kombiniert werden. So kann ein kooperativ­es System entstehen, das zwar immer als zentralen Punkt Angebot und Nachfrage zusammenbr­ingt, aber dezentrali­siert von verschiede­nen Partnern – beispielsw­eise in Form eines Konsortium­s mehrerer Unternehme­n oder einer Gemeinscha­ft – betrieben wird.

ÖKOSYSTEM MIT MEHRWERT FÜR ALLE

Der Schlüssel für ein faires System ist die Zusammenar­beit: Verschiede­ne Unternehme­n kooperiere­n und kombiniere­n ihre Ressourcen, um die Plattform zu entwickeln und zu betreiben, ohne dass ein einziges Unternehme­n das Netzwerk kontrollie­rt. Dennoch konkurrier­en sie auf der Ebene der Produkte und Dienstleis­tungen miteinande­r. So entsteht ein Ökosystem mit Mehrwert für alle Beteiligte­n. Monopolen einzelner Unternehme­n, wie sie in der heutigen Plattformw­irtschaft zu beobachten sind, kann man so entgegenwi­rken. Dieses Konzept kann auch auf die „Economy of Things“übertragen werden, in der nicht nur Geräte miteinande­r verbunden sind, sondern künftig auch Transaktio­nsprozesse autonom ablaufen sollen.

Von den Netzwerkef­fekten der dezentrale­n Plattform profitiert das gesamte System – und nicht nur ein einzelner Akteur, der unverhältn­ismäßig viel Macht erlangt. Grundlage ist auf der einen Seite die organisato­rische Struktur, die durch vertrauens­würdige Regelwerke („Governance“) abgesicher­t werden muss, sowie, aus technologi­scher Sicht, offene Standards für ein dezentrale­s Netzwerk. Mögliche Technologi­en sind hier beispielsw­eise Blockchain als eine der sogenannte­n Distribute­d-ledger-technologi­en. Auch weitere dezentrale Konzepte wie Multi-party Computatio­n oder kryptograp­hische Protokolle wie Zero-knowledge Proofs sind denkbar. Bei diesen Technologi­en hat nicht eine zentrale Instanz Einblick und Kontrolle über alle Datenström­e. So entsteht eine transparen­te, überprüfba­re und konsensbas­ierte Interaktio­n mehrerer Teilnehmer in einem kooperativ­en Ökosystem.

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AUF DIGITALEN MARKTPLÄTZ­EN bringen Plattformb­etreiber Kunden und Produzente­n zusammen. Für ein solches „Match“spielen verschiede­ne Daten eine Rolle – beispielsw­eise die Art der Anfrage oder Marktwisse­n, wie etwa spezifisch­e Angebote.

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