Wer schweigt, verliert!
In seinem kritischen Buch „PRISM“zeigt Autor Bernd Liske beängstigende Parallelen im Umgang mit Netzspionage und der Nsa-affäre 2013 und der Bewältigung der aktuellen Corona-pandemie in Wirtschaft und Gesellschaft auf. Eine Aufforderung zur Reflektion.
Die deutsche Geschichte kennt viele ● Geschichten des Versagens. Ob die Geschichte einmal die gegenwärtige Corona-pandemie hinzuzählen wird, ist noch nicht entschieden. Wenn es heißt, Geschichte wiederholt sich, dann gibt es dafür einen systemischen Grund: Verhaltensmuster wiederholen sich. Insofern ist es immer wieder hilfreich, Geschichte zu reflektieren, schreibt Bernd Liske in seinem Buch „Prism – ein Lehrstück für unsere Demokratie“. Im August 2020 trifft er die Entscheidung, seine im Juli/ August 2013 niedergeschriebenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der von Edward Snowden aufgedeckten Spionage der USA (Nsa-affäre) in Deutschland und der EU (PRISM) zu veröffentlichen – nicht zuletzt, da er in der politischen Bewältigung der Corona-krise auffällige, ihn erschreckende, Parallelen entdeckt. Denn für Liske ist die Nsa-affäre von 2013 eine Geschichte des Versagens.
„Kehren vor den Türen anderer“
Ausgehend von einem von ihm ursprünglich im Arbeitskreis Verteidigung des BITKOM entwickelten Konstrukt eines Redesigns der Netze schildert Bernd Liske seine persönlichen Erfahrungen bei dem Bemühen, das Ausspähen der deutschen Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt zu verhindern. Er schildert, wie er sich an die politische Elite in Deutschland wandte und dabei auf eine Mauer des Schweigens traf. Aus eigenem Erleben beschreibt der Autor Ereignisse, die von der Verteufelung der eigenen Person, über den persönlichen Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Engagement bis hin zur Negierung von tatsächlich stattfindenden gesellschaftlichen Umbrüchen reichen.
Seine Schlussfolgerung:
Dieser Zustand, der letztendlich von der Politik gefördert werde, lasse seit Jahren den substanziellen Wert Deutschlands in der Welt sowohl wirtschaftlich als auch politisch und gesellschaftlich sinken. Den schleichenden Verfall der Demokratie geißelt er unter Hinweis auf zunehmende Verhaltensweisen wie „Mehr Schein als Sein“, „Kehren vor den Türen anderer“, „den Schmutz vor der eigenen Haustür schönreden“, und „Rohheit und Gewalt bedauern, aber nicht Front dagegen machen“.
Ernüchternde Erkenntnisse
Wie seinerzeit die Nsa-affäre biete heute der Umgang mit der Corona-pandemie einen tiefen Einblick in die gesellschaftliche Verfasstheit, die Bernd Liske zu ernüchternden Erkenntnissen führt: „Wir verlernen zunehmend, uns auseinanderzusetzen, weil wir es vermeiden, uns auseinanderzusetzen… Deutschland verfällt immer mehr in eine Agonie und ist auf einem Entwicklungspfad, auf dem es seine Stellung bald nicht mehr innehaben wird, wenn es nicht gelingt, die der Gesellschaft innewohnende Kraft zu aktivieren… Probleme werden oft ausgesessen und erst in Angriff genommen, wenn es zu spät ist… Die Wirtschaftspolitik ist zunehmend von kurzfristigen Reaktionen anstelle langfristiger strategischer Überlegungen gekennzeichnet… Deutsche sind nicht so schnell: Sie haben gute Ideen, aber sie lassen sie in kleinbürgerlichen Mühlen erst Jahre auf ihre Überlebensfähigkeit testen, ehe sie sich dann vielleicht mal als gute Ideen durchsetzen lassen. Wenn sie bis dahin überlebt haben… Selbstgefällig schauen sie auf sich und kritisch auf den Anderen, statt kritisch auf sich selbst und mit Gefallen auf den Anderen zu schauen.“ Wer Schmerzen aushält, die beim Lesen dieser offenen Gesellschaftskritik unweigerlich hochkommen, wer bereit ist zu reflektieren, zu begreifen, nachzudenken und zur Veränderung beizutragen, für den ist „PRISM“eine wertvolle Inspiration und Aufforderung zu mehr Zivilcourage. Wer noch tiefer einsteigen will, dem bietet das Verzeichnis von 127 Quellen reichlich Gelegenheit dazu.