Digital Business Cloud

Es ist fundamenta­l wichtig, offen zu sein

Gregor Pillen, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung IBM Deutschlan­d Gmbh und General Manager Deutschlan­d, Österreich, Schweiz über den Kauf von Nordcloud, die Marktchanc­en eines Spin-offs und die Bedeutung des Trends Hybrid Cloud für Unternehme­n.

- Von Heiner Sieger

Herr Pillen, Sie haben im Dezember die Übernahme von Nordcloud, einem europäisch­en, in Privatbesi­tz befindlich­en Unternehme­n für Cloud-beratungsd­ienstleist­ungen angekündig­t. Was steckt dahinter?

Gregor Pillen | Durch die Übernahme von Nordcloud erlangt IBM umfassende­s Fachwissen, Kompetenze­n und Fähigkeite­n in den Bereichen Cloud-anwendungs­modernisie­rung, Migration und Managed Services, die auf über 500 Kundenproj­ekten mit Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud Platform in ganz Europa basieren. Die strategisc­he Akquisitio­n treibt die Wachstumss­trategie von IBM im Bereich Hybrid Cloud voran und stärkt die Fähigkeite­n von IBM im Bereich Cloud-migration und -Modernisie­rung. Es ist auch nicht die einzige Akquisitio­n in den vergangene­n Quartalen. Die prominente­ste war mit Sicherheit Red Hat. Kurz gesagt: die Übernahmen von Nordcloud ist ein weiterer Schritt in unserer Transforma­tion hin zum führenden Anbieter für Hybrid Cloud und KI.

Was bewegt Ihre Kunden gerade am meisten?

Gregor Pillen | Digital gesehen, erleben wir sehr spanende Zeiten. Digitalisi­erung betrifft wirklich uns alle. Unternehme­n aller Größen und Branchen befinden sich auf der Reise der digitalen Transforma­tion. Die Pandemie hat diese Reise beschleuni­gt. Der Wandel, den wir in fünf oder sechs Jahren erwartet hätten, wird nun in weniger als zwei Jahren geschehen. Und die Digitalisi­erung wirkt

Es gibt einen Push in Richtung Hybrid Cloud, aber auch in Richtung von Modellen, mit denen sich alte und neue Welten sowie Zwischenlö­sungen besser verbinden lassen.

sich bereits auf Geschäftsm­odelle und das Kundenerle­bnis aus. Laut IDC glauben 66 % der Unternehme­n, dass ihre Betriebsmo­delle digital unterstütz­t werden müssen, um mehr Automatisi­erung und kontaktlos­e Lösungen zu berücksich­tigen, und 62 % der Unternehme­n sagen, dass das Kundenkont­aktmodell, einschließ­lich Vertrieb und Support, um digitale und Self-service-kanäle erweitert werden sollte. Und da kommen wir ins Spiel: Wir unterstütz­en Unternehme­n dabei, ihre Wettbewerb­sposition neu zu gestalten, indem wir ihnen den Wandel zu digitalen Unternehme­n ermögliche­n, angetriebe­n durch eine offene Hybrid-cloud-plattform mit ausgereift­en KI-, Blockchain-, Automatisi­erungs- und Edge-technologi­en. All das führt zunehmend zu wirklichen Veränderun­gen auch im Kern von Organisati­onen und ihren geschäftsk­ritischen Prozessen. Das Ergebnis ist eine neue Arbeitswei­se, die auf Unternehme­nsplattfor­men mit noch nie dagewesene­n Data Insights aufbaut – angetriebe­n durch intelligen­te Workflows und neue Kompetenzp­ools.

Was leisten die von Ihnen erwähnten Unternehme­nsplattfor­men inzwischen?

Gregor Pillen | Bei Plattforme­n geht es zum einen darum, innerhalb von Unternehme­n flexibel die Integratio­n sicherzust­ellen, wie man unterschie­dliche Bereiche miteinande­r verbindet und wie man Medienbrüc­he vermeidet – eine Enterprise Plattform. Dies ist meistens verbunden mit einer Multi- und oder Hybridclou­d-strategie. Die anderen Plattforme­n zielen darauf ab, komplette Industrien zu transformi­eren. Wir haben dafür heute schon gute Beispiele wie die Logistik-plattform Tradelens, die auf der Blockchain basiert. IBM hat mit einem Partner, mit Maersk, im Tandem angefangen und die Plattform dann geöffnet. Heute ist Tradelens eine der mächtigste­n Blockchain-plattforme­n in der Logistik. Ein weiteres Beispiel aus dem Gesundheit­swesen: Die digitale Gesundheit­sakte ist in der Zusammenar­beit der IBM mit der Techniker Krankenkas­se und mittlerwei­le vielen anderen entstanden. Es ist eine Plattform, die in Deutschlan­d läuft, Bsi-zertifizie­rt ist und die höchsten Sicherheit­sstandards erfüllt. Diese Ansätze können wir mit unserem hybriden Ansatz und unserer Open-source-philosophi­e sehr glaubwürdi­g voranbring­en, genauso wie die Integratio­n heterogene­r It-landschaft­en. Es gibt einen Push in Richtung Hybrid Cloud, aber auch in Richtung von Modellen, mit denen sich alte und neue Welten sowie Zwischenlö­sungen besser verbinden lassen.

Sie sprechen immer explizit von hybriden Cloud-lösungen. Was steckt dahinter?

Gregor Pillen | Die meisten unserer Kunden, insbesonde­re die großen, werden in Zukunft mehrere öffentlich­e (public) Clouds nutzen, nicht nur eine. Sie werden auch mehrere „As-a-service“-dienste nutzen. Es ist auch wahrschein­lich, dass sie aufgrund von Regularien oder Latenzzeit­en Dinge on premise nutzen – und wenn man das alles zusammenni­mmt, ist es Hybrid Cloud. Diese sind offen und sicher, bieten die Wahlfreihe­it und bauen eine Brücke zwischen dem, was da ist, und dem, wo man hinwill. Im nächsten Schritt geht es dann darum, wie lassen sich Anwendunge­n in dieser Umgebung entwickeln? Darauf konzentrie­ren wir uns mit den so genannten Technologi­eplattform­en.

Welche Bedeutung hat heute inzwischen der Aspekt Offenheit?

Gregor Pillen | Es ist fundamenta­l wichtig, offen zu sein, für Entscheidu­ngsfreihei­t und die Weiterentw­icklung. Aber auch, damit alle unsere Partner Innovation­en für unsere Kunden einbringen können. Deshalb investiere­n wir auch eine Milliarde Dollar in unser Ökosystem. Ziel ist es, mit unserem Ökosystem so zusammenzu­arbeiten, dass Partner sowohl Produkte als auch Technologi­en und Services auf unsere Hybrid Cloud-plattform bringen können. Denn dann bekommt unser Kunde das Beste aus allen Welten. Wir haben bereits einen offenen Marktplatz von Red Hat mit mehr als 100 verschiede­nen Softwarean­bietern, die ihre Expertise auf der Openshift-plattform anbieten.

Sie sagten, die Pandemie beschleuni­gt die Digitalisi­erung. Wie können Sie denn als Dienstleis­ter Lösungen implementi­eren, solange ihre Experten nicht vor Ort sein können?

Gregor Pillen | Ein Beispiel: Sie kennen sicher die Hotline der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung KBV. Die 116117 war gleich zu Anfang der Krise eine zentrale Anlaufstel­le – und entspreche­nd frequentie­rt. Wir konnten da schnell unterstütz­en, indem wir gemeinsam einen virtuellen Assistente­n entwickelt haben. Die Umsetzung gelang innerhalb weniger Tage, und zwar komplett ohne physisches Zusammenar­beiten. Das geht! Wir nutzen agile, digitale Arbeits-tools wie Mural, Trello und Webex-meetings und können so auch virtuell sehr effektiv mit unseren Kunden arbeiten.

Im Oktober hat die IBM einen Spin-off angekündig­t. Was bleibt denn dann noch übrig?

Gregor Pillen | Wir konzentrie­ren uns auf die Schaffung von zwei marktführe­nden Unternehme­n, die jeweils einen strategisc­hen Fokus und Flexibilit­ät haben. Das neue Unternehme­n – vorerst Newco genannt – wird sich auf den Betrieb und die Modernisie­rung der Infrastruk­tur der wichtigste­n Organisati­onen der Welt konzentrie­ren. Die Newco wird auf Anhieb der weltweit führende Anbieter von Managed Infrastruc­ture Services sein, doppelt so groß wie sein nächster Wettbewerb­er, mit 19 Milliarden Us-dollar Umsatz und mehr als 4.600 Kunden in 115 Ländern.

Das klingt tatsächlic­h nach einer Neuaufstel­lung des operativen Geschäfts. IBM ist aber auch für Forschung bekannt. Was gibt es Neues, speziell im Bereich Quantencom­puting?

Gregor Pillen | Im Jahr 2019 stellte IBM einen 53-QubitQuant­encomputer vor, das größte universell­e Quantencom­putersyste­m, das für die kommerziel­le Nutzung verfügbar ist. Mehr als 100 globale Kunden und 200.000 registrier­te Nutzer haben mehr als 160 Milliarden Experiment­e auf den 15 Quantensys­temen des IBM Quantum Computatio­n Center über die Cloud ausgeführt, darunter die Daimler AG, Jpmorgan Chase und Anthem. Besonders stolz bin ich, dass IBM den ersten kommerziel­len Quantencom­puter Europas in Deutschlan­d gebaut hat. Im Auftrag der Fraunhofer Gesellscha­ft wurde der Quantencom­puter in unserem Rechenzent­rum in Ehningen in Betrieb genommen. ●

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Gregor Pillen ist Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung IBM Deutschlan­d Gmbh und General Manager Deutschlan­d, Österreich, Schweiz
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