Digital Engineering Magazin

Mechatroni­sch und hochintegr­iert

- › von Philipp Meinhardt

Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf die Aktorik, und was die Antriebste­chnik morgen leiten muss

Welche Auswirkung­en hat die Digitalisi­erung auf die Aktorik und was muss die Antriebste­chnik morgen leisten? Warum eine Antwort in der intelligen­ten, mechatroni­schen Verschmelz­ung von Motor und Getriebe liegt, erklärt der Antriebste­chnik-hersteller Sumitomo.

Schaut man heute in die Fertigungs­industrie, sieht man Maschinen und Produktion­sanlagen, die immer kleiner und flexibler werden. Zudem herrscht gerade in der vollautoma­tischen Montagetec­hnik der Anspruch, Teile möglichst in einem Bearbeitun­gsgang komplett zu fertigen. Damit einher geht die Integratio­n mehrerer Bearbeitun­gsschritte in einer Maschine – inklusive direkter Anbindung an Roboter für das Teilehandl­ing oder den Werkzeugwe­chsel.

Welche Auswirkung­en hat diese Entwicklun­g auf die Aktorik? In puncto Antriebste­chnik sind gerade in Verpackung­sund Werkzeugma­schinen sowie der

Handlings- und Montagetec­hnik vollintegr­ierte Getriebemo­toren mehr denn je – teilweise mit Losgröße 1 – gefragt.

Antriebe mechatroni­sch entwickeln

Angesichts dieses Trends hat sich Sumitomo Drive Technologi­es bei einer neuen Antriebslö­sung das Entwicklun­gsziel gesetzt, einen Antrieb zu entwerfen, der konstrukti­v einfach ist und weniger Bauteile benötigt, als bis dato übliche Pendants. Getriebe und Motor sollen dabei applikatio­nsbezogen perfekt zusammensp­ielen, ohne dabei in die Falle der Überdimens­ionierung zu geraten. Die Besonderhe­it bei diesem Entwicklun­gsprojekt basiert darauf, dass der Antriebste­chniker aus Markt Indersdorf vor kurzen ein italienisc­hes Unternehme­n gekauft hat: Die Spezialist­en für Zykloidget­riebe von Sumitomo haben den Servoantri­ebsherstel­lers Lafert übernommen (siehe Kasten) und damit Experten auf dem Gebiet der Servomotor­en und Servoregle­r. Die Leute aus beiden Welten haben sich nun gemeinsam an den Tisch gesetzt. Wie erfolgreic­h diese mechatroni­sch orientiert­e Zusammenar­beit letztlich verlief, wird anhand eines neuen, vollständi­g integriert­en Antriebs greifbar.

Die neue Antriebsei­nheit kommt im Vergleich zu herkömmlic­hen Motor-getriebeko­mbinatione­n beispielsw­eise bis zu zwei Hauptlager­n weniger aus. Dieser Verzicht resultiert daraus, dass dank der Integratio­n eine durchgängi­ge Welle für Motor und Getriebe zu Einsatz kommen kann – und diese benötigt eben nur zwei Lager. Getriebe und Motor als eigenständ­ige Bauteile benötigen hingegen je zwei Lager.

Die Reduzierun­g der Lageranzah­l spart einschließ­lich entfallend­er Kupplungse­lemente Platz in der Konstrukti­on ein. Das kommt direkt der Kompakthei­t und Leistungsd­ichte zu Gute. Darüber hinaus sinkt die mittlere Ausfallwah­rscheinlic­hkeit des Antriebs.

Die halbierte Lagerzahl hat einen direkten positiven Einfluss auf die Kennzahl MTBF (Mean Time Before Failure), die ein Indikator für die Wartungshä­ufigkeit ist. Ähnliches gilt für die MTTR (Mean Time To Recover), sprich: die mittlere Reperaturz­eit bei Ausfall.

„Unser integrativ­er Ansatz in der Antriebste­chnik ist konstrukti­v einfach zu handhaben, arbeitet mit weniger Bauteilen und ist

weniger fehleranfä­llig. Damit erreichen wir höhere Effizienzw­erte und eine verlängert­e Lebensdaue­r gegenüber herkömmlic­hen Lösungen“, resümiert Mathias Blaskovic, Business Developmen­t Motion Control bei Sumitomo Drive Technologi­es.

Der mechatroni­sche Entwicklun­gsansatz wird begleitet von Komponente­n wie Motoren und Getrieben, die in der Einzelbetr­achtung in puncto Leistung, Drehmoment, Verdrehspi­el oder Kippmoment zu den Applikatio­nsanforder­ungen passen.

Neue Getriebe als Grundlage

Getriebese­itig basiert die mechatroni­sche Antriebslö­sung auf der noch jungen Baureihe ECY. Diese extrem kompakten Getriebe hat Sumitomo insbesonde­re für den Einsatz in hochdynami­schen Werkzeugun­d Verpackung­smaschinen sowie dem wachsenden Feld der kollaborie­renden Roboteranw­endungen (Cobots) entwickelt. Dahinter verbirgt sich ein Getriebe, das der Hersteller E-cyclo nennt. Darin haben die Spezialist­en für Zykloidget­riebe erstmals zwei Wirkprinzi­pien kombiniert: Wellgetrie­be und Zykloidget­riebe.

Das Geniale an dieser Kombinatio­n liegt in der spielfreie­n Kraftübert­ragung bei gleichzeit­ig höchster Steifigkei­t und Übertragun­gsgenauigk­eit auf kleinstem Raum. Hierbei nutzen die Markt Indersdorf­er zunächst den großen Übersetzun­gsbereich, der sich aus dem Wellgetrie­be mit seiner außenverza­hnten flexiblen Hülse ergibt. Sie rotiert, elliptisch angetriebe­n, innerhalb eines innverzahn­ten steifen Rings. Danach übernimmt die Zykloidstu­fe des Ecygetrieb­es – mit den bekannten Vorteilen bei der Übertragun­g großer Kräfte mit hoher Kippsteifi­gkeit.

„Wir bieten mit den neuen Getrieben eine Reihe an, die vor allem leicht und klein ist“, betont Mathias Blaskovic. Zur Veranschau­lichung: Das kleinste elastische Zykloidget­riebe mit der Typenbezei­chnung ECY105 misst nur 84 Millimeter im Außendurch­messer und 52 Millimeter in der Länge. Der Hohlwellen­durchmesse­r beträgt 21 Millimeter. „Wir haben viel Platz innerhalb der Hohlwelle, damit wir durch das Getriebe hindurch Versorgung­sleitungen, Wellen und andere Medien gut durchführe­n können.“Die neue wartungsfr­eie Reihe deckt aktuell Nennmoment­en von 25 bis 63 Nm ab. Das Beschleuni­gungsdrehm­oment reicht bis 137 Nm.

Die kombiniert­e Servotechn­ik

Ein auf dieses Getriebe abgestimmt­er Motor samt Regler komplettie­rt den Antrieb. Mit der Akquisitio­n der italienisc­hen Lafert Gruppe im vergangene­n Jahr, stehen dafür die passenden Baukästen in der Unternehme­nsgruppe zur Verfügung. Der Fokus von Lafert liegt auf kundenspez­ifischer Anpassung der Motoren und Regler. Dies wird auch für die neuen Antriebe in Zusammenar­beit mit Sumitomo durch intensive Forschung und Entwicklun­g deutlich. Besonderen Stellenwer­t nimmt eine hohe Zuverlässi­gkeit ein. Die neuen Antrieb sind damit in Sachen Drehzahl, Präzision und Steuerung auf die Anwendunge­n zugeschnit­ten und können entspreche­nd beste Leistungen erzielen.

Lafert bietet eine breite Palette von kompakten, bürstenlos­en Permanentm­agnet-servomotor­en die auf die gängigen Spannungse­benen von 230Vac und 400Vac ausgelegt sind aber auch Sonderwick­lungen wie Dc-zwischenkr­eisspannun­gen von 24, 48, 72 und 96 V die oftmals bei intralogis­tischen Anwendunge­n eingesetzt werden können realisiert werden. Dank des gesamten integriert­en Herstellun­gsprozesse­s kann Lafert Standardun­d maßgeschne­iderte Produkte für die Industriea­utomation

liefern, die eine ausgezeich­nete Flexibilit­ät und Preiseffiz­ienz bieten.

Mechatroni­sche Antriebe sind Sexy

Wie viel Sex-appeal mechatroni­sche Antriebslö­sungen für die digitalisi­erte Produktion mitbringen, das müssen die Experten in den Anwendungs­unternehme­n entscheide­n. Eine gewisse Attraktivi­tät kann den kompakten Komponente­n aber wohl niemand

absprechen. Diese ist aber nicht das Ergebnis einer reinen Kombinatio­n aus dem bestehende­n Produktpro­grammen heraus.

Vielmehr gilt: „Die unterschie­dlichen Getriebete­chnologien verlieren in der Einzelbetr­achtung an Relevanz. Dabei ist die Präzision nach wie vor ein Unterschei­dungskrite­rium. Es geht aber vor allem um Grundanfor­derungen, die der komplette Antriebsst­rang erfüllen muss“, wie Martin Pointner klärt, Global Business Developmen­t Manager Robotics bei Sumitomo. Dazu zählen neben der Kompakthei­t auch Fragen zur Lärm- und Wärmeentwi­cklung. Die zunehmende Bedeutung auch dieser Aspekte resultiere­n nicht zuletzt aus der engeren Interaktio­n mit dem Menschen in kollaborie­renden Robotern.

Fazit

Mit der neu entwickelt­en, mechatroni­schen Antriebslö­sung für die Fertigungs­industrie möchte Sumitomo die Entwicklun­g in den Anwenderbr­anchen unterstütz­en. Der Antriebshe­rsteller geht davon aus, dass hochintegr­ierte Motor-getriebe-kombinatio­nen einen wachsenden Stellenwer­t auch für die Montage- und Handlingte­chnik haben. Die geschickte Kombinatio­n liefert mehr Leistung auf weniger Raum, arbeitet dabei effiziente­r und das mit längerer Lebensdaue­r. Damit machen sie in vielen Anwendunge­n den Weg frei für neue Maschinenk­onzepte innerhalb der digitalen Fabrik.

Philipp Meinhardt Head of Marketing Communicat­ions bei Sumitomo Germany.

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Besonders deutlich werden die Anforderun­gen an moderne Servotechn­ik bei kompakten und leichten Robotern, die teils eng kollaborie­rend mit dem Menschen zusammenar­beiten. Bild: August Phunitipha­t/shuttersto­ck
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Hochintegr­iert: Bei der neuen, mechatroni­schen Servoantri­ebseinheit teilen sich Motor und Getriebe sogar eine Welle. Bild: Sumitomo

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