Mechatronisch und hochintegriert
Auswirkungen der Digitalisierung auf die Aktorik, und was die Antriebstechnik morgen leiten muss
Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Aktorik und was muss die Antriebstechnik morgen leisten? Warum eine Antwort in der intelligenten, mechatronischen Verschmelzung von Motor und Getriebe liegt, erklärt der Antriebstechnik-hersteller Sumitomo.
Schaut man heute in die Fertigungsindustrie, sieht man Maschinen und Produktionsanlagen, die immer kleiner und flexibler werden. Zudem herrscht gerade in der vollautomatischen Montagetechnik der Anspruch, Teile möglichst in einem Bearbeitungsgang komplett zu fertigen. Damit einher geht die Integration mehrerer Bearbeitungsschritte in einer Maschine – inklusive direkter Anbindung an Roboter für das Teilehandling oder den Werkzeugwechsel.
Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Aktorik? In puncto Antriebstechnik sind gerade in Verpackungsund Werkzeugmaschinen sowie der
Handlings- und Montagetechnik vollintegrierte Getriebemotoren mehr denn je – teilweise mit Losgröße 1 – gefragt.
Antriebe mechatronisch entwickeln
Angesichts dieses Trends hat sich Sumitomo Drive Technologies bei einer neuen Antriebslösung das Entwicklungsziel gesetzt, einen Antrieb zu entwerfen, der konstruktiv einfach ist und weniger Bauteile benötigt, als bis dato übliche Pendants. Getriebe und Motor sollen dabei applikationsbezogen perfekt zusammenspielen, ohne dabei in die Falle der Überdimensionierung zu geraten. Die Besonderheit bei diesem Entwicklungsprojekt basiert darauf, dass der Antriebstechniker aus Markt Indersdorf vor kurzen ein italienisches Unternehmen gekauft hat: Die Spezialisten für Zykloidgetriebe von Sumitomo haben den Servoantriebsherstellers Lafert übernommen (siehe Kasten) und damit Experten auf dem Gebiet der Servomotoren und Servoregler. Die Leute aus beiden Welten haben sich nun gemeinsam an den Tisch gesetzt. Wie erfolgreich diese mechatronisch orientierte Zusammenarbeit letztlich verlief, wird anhand eines neuen, vollständig integrierten Antriebs greifbar.
Die neue Antriebseinheit kommt im Vergleich zu herkömmlichen Motor-getriebekombinationen beispielsweise bis zu zwei Hauptlagern weniger aus. Dieser Verzicht resultiert daraus, dass dank der Integration eine durchgängige Welle für Motor und Getriebe zu Einsatz kommen kann – und diese benötigt eben nur zwei Lager. Getriebe und Motor als eigenständige Bauteile benötigen hingegen je zwei Lager.
Die Reduzierung der Lageranzahl spart einschließlich entfallender Kupplungselemente Platz in der Konstruktion ein. Das kommt direkt der Kompaktheit und Leistungsdichte zu Gute. Darüber hinaus sinkt die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit des Antriebs.
Die halbierte Lagerzahl hat einen direkten positiven Einfluss auf die Kennzahl MTBF (Mean Time Before Failure), die ein Indikator für die Wartungshäufigkeit ist. Ähnliches gilt für die MTTR (Mean Time To Recover), sprich: die mittlere Reperaturzeit bei Ausfall.
„Unser integrativer Ansatz in der Antriebstechnik ist konstruktiv einfach zu handhaben, arbeitet mit weniger Bauteilen und ist
weniger fehleranfällig. Damit erreichen wir höhere Effizienzwerte und eine verlängerte Lebensdauer gegenüber herkömmlichen Lösungen“, resümiert Mathias Blaskovic, Business Development Motion Control bei Sumitomo Drive Technologies.
Der mechatronische Entwicklungsansatz wird begleitet von Komponenten wie Motoren und Getrieben, die in der Einzelbetrachtung in puncto Leistung, Drehmoment, Verdrehspiel oder Kippmoment zu den Applikationsanforderungen passen.
Neue Getriebe als Grundlage
Getriebeseitig basiert die mechatronische Antriebslösung auf der noch jungen Baureihe ECY. Diese extrem kompakten Getriebe hat Sumitomo insbesondere für den Einsatz in hochdynamischen Werkzeugund Verpackungsmaschinen sowie dem wachsenden Feld der kollaborierenden Roboteranwendungen (Cobots) entwickelt. Dahinter verbirgt sich ein Getriebe, das der Hersteller E-cyclo nennt. Darin haben die Spezialisten für Zykloidgetriebe erstmals zwei Wirkprinzipien kombiniert: Wellgetriebe und Zykloidgetriebe.
Das Geniale an dieser Kombination liegt in der spielfreien Kraftübertragung bei gleichzeitig höchster Steifigkeit und Übertragungsgenauigkeit auf kleinstem Raum. Hierbei nutzen die Markt Indersdorfer zunächst den großen Übersetzungsbereich, der sich aus dem Wellgetriebe mit seiner außenverzahnten flexiblen Hülse ergibt. Sie rotiert, elliptisch angetrieben, innerhalb eines innverzahnten steifen Rings. Danach übernimmt die Zykloidstufe des Ecygetriebes – mit den bekannten Vorteilen bei der Übertragung großer Kräfte mit hoher Kippsteifigkeit.
„Wir bieten mit den neuen Getrieben eine Reihe an, die vor allem leicht und klein ist“, betont Mathias Blaskovic. Zur Veranschaulichung: Das kleinste elastische Zykloidgetriebe mit der Typenbezeichnung ECY105 misst nur 84 Millimeter im Außendurchmesser und 52 Millimeter in der Länge. Der Hohlwellendurchmesser beträgt 21 Millimeter. „Wir haben viel Platz innerhalb der Hohlwelle, damit wir durch das Getriebe hindurch Versorgungsleitungen, Wellen und andere Medien gut durchführen können.“Die neue wartungsfreie Reihe deckt aktuell Nennmomenten von 25 bis 63 Nm ab. Das Beschleunigungsdrehmoment reicht bis 137 Nm.
Die kombinierte Servotechnik
Ein auf dieses Getriebe abgestimmter Motor samt Regler komplettiert den Antrieb. Mit der Akquisition der italienischen Lafert Gruppe im vergangenen Jahr, stehen dafür die passenden Baukästen in der Unternehmensgruppe zur Verfügung. Der Fokus von Lafert liegt auf kundenspezifischer Anpassung der Motoren und Regler. Dies wird auch für die neuen Antriebe in Zusammenarbeit mit Sumitomo durch intensive Forschung und Entwicklung deutlich. Besonderen Stellenwert nimmt eine hohe Zuverlässigkeit ein. Die neuen Antrieb sind damit in Sachen Drehzahl, Präzision und Steuerung auf die Anwendungen zugeschnitten und können entsprechend beste Leistungen erzielen.
Lafert bietet eine breite Palette von kompakten, bürstenlosen Permanentmagnet-servomotoren die auf die gängigen Spannungsebenen von 230Vac und 400Vac ausgelegt sind aber auch Sonderwicklungen wie Dc-zwischenkreisspannungen von 24, 48, 72 und 96 V die oftmals bei intralogistischen Anwendungen eingesetzt werden können realisiert werden. Dank des gesamten integrierten Herstellungsprozesses kann Lafert Standardund maßgeschneiderte Produkte für die Industrieautomation
liefern, die eine ausgezeichnete Flexibilität und Preiseffizienz bieten.
Mechatronische Antriebe sind Sexy
Wie viel Sex-appeal mechatronische Antriebslösungen für die digitalisierte Produktion mitbringen, das müssen die Experten in den Anwendungsunternehmen entscheiden. Eine gewisse Attraktivität kann den kompakten Komponenten aber wohl niemand
absprechen. Diese ist aber nicht das Ergebnis einer reinen Kombination aus dem bestehenden Produktprogrammen heraus.
Vielmehr gilt: „Die unterschiedlichen Getriebetechnologien verlieren in der Einzelbetrachtung an Relevanz. Dabei ist die Präzision nach wie vor ein Unterscheidungskriterium. Es geht aber vor allem um Grundanforderungen, die der komplette Antriebsstrang erfüllen muss“, wie Martin Pointner klärt, Global Business Development Manager Robotics bei Sumitomo. Dazu zählen neben der Kompaktheit auch Fragen zur Lärm- und Wärmeentwicklung. Die zunehmende Bedeutung auch dieser Aspekte resultieren nicht zuletzt aus der engeren Interaktion mit dem Menschen in kollaborierenden Robotern.
Fazit
Mit der neu entwickelten, mechatronischen Antriebslösung für die Fertigungsindustrie möchte Sumitomo die Entwicklung in den Anwenderbranchen unterstützen. Der Antriebshersteller geht davon aus, dass hochintegrierte Motor-getriebe-kombinationen einen wachsenden Stellenwert auch für die Montage- und Handlingtechnik haben. Die geschickte Kombination liefert mehr Leistung auf weniger Raum, arbeitet dabei effizienter und das mit längerer Lebensdauer. Damit machen sie in vielen Anwendungen den Weg frei für neue Maschinenkonzepte innerhalb der digitalen Fabrik.
Philipp Meinhardt Head of Marketing Communications bei Sumitomo Germany.