Elektroautos mit Köpfchen
Die Uniti Sweden hat für die Entwicklung eines neuen Elektrofahrzeugs die Software Siemens NX genutzt
Hohe Kosten, eine geringe Auswahl an Modellen und die Suche nach einer Ladestation: Das sind nach wie vor die größten Problemfelder, wenn es um Elektrofahrzeuge geht. Die Uniti Sweden hat jetzt ein neues Elektrofahrzeug-konzept entwickelt. Neben der Konstruktionssoftware Siemens NX und einer Virtual-reality-lösung nutzte das Start-up auch die digitale Innovationsplattform von Siemens.
Innerhalb von zwei Jahren hat Uniti Sweden das Elektroauto neu erfunden und gebaut. In Zusammenarbeit mit Siemens Digital Industries Software wurde Uniti Sweden zu einem Pionier in der Konstruktion, Entwicklung und Fertigung von digitalisierten Fahrzeugen. Uniti Sweden war ursprünglich als offenes Innovationsprojekt der Universität in Lund angedacht. Die Stadt gilt als eines der aktivsten Innovationszentren Skandinaviens mit einer pulsierenden Start-up-szene. Das kleine Projektteam rund um Lewis Horne startete nicht mit der Idee, ein Auto zu entwerfen. Ursprünglich untersuchte das Team Mobilitätsprobleme.
„Wenn zu viele Menschen in großen SUVS auf den Straßen unterwegs sind, kommt es zwangsläufig zu Stausituationen und einer enormen Umweltbelastung“, erklärt Lewis Horne, CEO von Uniti Sweden. „Um das zu ändern, bringt es nichts, mit erhobenem Zeigefinger darauf hinzuweisen, dass ein kleines Auto die bessere Wahl wäre. Als Unternehmen muss man mit einem Produkt auf den Markt kommen, das attraktiv genug ist, damit sich die Leute ändern wollen. Das streben wir mit dem Uniti One an: Unser Elektroauto ist geräumig, sicher, cool und ausgefallen.“
Innovatives Konzept für ein Elektrofahrzeug
Das Projektteam der Universität entwickelte sich zu einem kleinen Start-up-team und stellte fest, dass der klassische Viersitzer mit Dieselmotor für moderne Stadtverkehrsmodelle wie Carsharing und Abonnementdienste nicht ideal ist. Im Schnitt sitzen in Schweden 1,2 Personen in einem Auto. Daher handelt es sich beim Uniti One um einen Zweisitzer. „Unser Motto lautet: Wir bauen ein Elektroauto, aber eines, das auch effizient ist. Wiegt die Batterie schon zwei Tonnen, ergibt das keinen Sinn“, erklärt Horne.
Zu Beginn des Konstruktionsprozesses wurde klar, dass sich die digitale Innovationsplattform von Siemens mit der Nxsoftware für die Konstruktion sowie die konzeptionellen Realize-shape-modellierungsfunktionen mit der Virtual-realitylösung von Uniti verbinden müssen. Das Team nutzte einen Prozess, der auf ausfallsicheren Iterationen und kollektivem Feedback zu Skizzen, 3D-gedruckten Modellen, Cad-netzen und Virtual-reality-erfahrungen basiert. Dabei wurden typische Entwicklungstools auf sehr unterschiedliche Weise eingesetzt. Begonnen wurde mit Skizzen auf Papier, die dann in die Nx-cadsoftware eingefügt wurden. Anschließend wurde ein Gittermodell erstellt, das mithilfe einer Gaming-engine exportiert wurde.
In-drive-benutzeroberfläche auf dem Tablet
Nun musste das Team eine Lösung für die größte Schwachstelle von Elektrofahrzeugen finden: die Batterie. Der Prototyp des Uniti One wiegt etwa 500 Kilogramm, hat einen extrem niedrigen Rollwiderstand und einen niedrigen Luftwiderstandswert. Das Fahrzeug ist so konzipiert, dass es auch mit einer kleinen Batterie eine lange Strecke zurücklegen kann. Es gibt eine geräumige Kabine für den Fahrer. Eine einzigartige In-drive-benutzeroberfläche auf dem Tablet macht das traditionelle Armaturenbrett überflüssig, und anstelle eines Lenkrads gibt es einen Joystick.
„Einer der Hauptvorteile von NX besteht darin, dass alle Werkzeuge einfach funktionieren. Konstrukteure müssen keine Oberflächenmodelle aus anderen Programmen importieren und versuchen sie zusammenzufügen. Mit der parametrischen Logik in NX können sie später Änderungen vornehmen, ohne von vorne beginnen zu müssen“, erklärt Pontus Karlsson, Produktentwicklungsingenieur bei Uniti Sweden. „Bei der Verwendung von NX in Kombination mit der Teamcenter-software für das Produktlebenszyklusmanagement begann das Team, die Entwicklungsvorteile einer einheitlichen Lösung zu erkennen. Die Mit
arbeiter konnten nicht nur von der Entwurfsphase in NX zu Engineering-analyse- und Simulationsarbeiten innerhalb des Simcenter-portfolios übergehen, sondern dasselbe Modell konnte auch zur Entwicklung der Produktionslinie mit dem Tecnomatix-portfolio digitaler Fertigungslösungen verwendet werden.
Bei der Nutzung von Teamcenter können die Konstrukteure während des gesamten Produktlebenszyklus miteinander kommunizieren und ihre Daten teilen“, so Karlsson. Das Engineering-team begann mit speziellen Simulationswerkzeugen aus dem Simcenter-portfolio, die Leistung des Entwurfs während der Entwicklung zu überprüfen. So wurden beispielsweise die Lösungen Femap und NX Nastran genutzt, um die Belastung der virtuellen Prototypen zu berechnen, die Konstruktion zu überprüfen und zu verbessern. Nach der Konstruktionsphase hat Uniti Sweden die Komponenten zur Produktion geschickt. Ein kleines Team arbeitete rund um die Uhr im Schichtbetrieb. In nur vier Monaten bauten sie drei Prototypen des Uniti One.
Künftige Nutzer bestimmen den Designprozess mit
„Wir haben potenzielle Kunden frühzeitig über Social Media, Crowdfunding und unsere Virtualreality-erfahrungen in den Designprozess eingebunden“, erklärt Horne. „Es waren sehr viele Menschen in die Entwicklung involviert, und unser Team hat ihre Reaktionen beobachtet. Wir wollten sehen, ob die Handhabung des Fahrzeuges intuitiv ist. Basierend auf diesen Erkenntnissen haben unsere Konstrukteure das Fahrzeug weiterentwickelt.“Als Start-up musste Uniti Sweden sicherstellen, dass zukünftige Käufer langfristige finanzielle Verpflichtungen eingehen. Beim ersten Testlauf erhielt das Unternehmen bereits 2.500 Bestellungen. Derzeit können Interessenten einen Uniti One mit einer Anzahlung von 149 Euro online reservieren. Dem Unternehmen liegen aktuell Vorbestellungen im Wert von über 60 Millionen Euro vor.
Entwicklung eines serienreifen Fahrzeugs
Mit dem Eingang der Aufträge musste das Unternehmen umdenken: Die Entwicklung eines serienreifen Fahrzeugs stellte eine ganz neue Herausforderung dar. Sally Povolotsky, Fahrzeugentwicklungsdirektorin bei Uniti Sweden, brachte viel Erfahrung im Bereich der Fahrzeugherstellung mit. Besonders gefiel ihr, dass Uniti Sweden keine Angst hatte, Regeln neu zu erfinden: „Uniti Sweden ist die Art von Unternehmen, das dich zum Umdenken bringt. Es ist eine aufregende Zeit in der Automobilindustrie. Wir haben bahnbrechende Technologien und Innovationen in der Konstruktion. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um ein neues Unternehmen in der globalen Automobilbranche zu werden. Der Uniti One spiegelt den Zeitgeist einer modernen Gesellschaft wider.“
Ziel ist es, dass der Uniti One eine vollständige Zulassung erhält. Deshalb muss er sich in verschiedenen Märkten Zertifizierungsverfahren für die Verkehrssicherheit unterziehen. „Das Siemens-ökosystem ist für Ingenieure wie eine große Schachtel Pralinen. Es gibt viele tolle Werkzeugezurauswahl:fibersimfürhybrid-compositearbeiten, NX zur Gewährleistung der Gesamtfunktionalität, die Simcenter-tools für fortgeschrittenes Engineering“, erläutert Povolotsky.
Wie gelingt es einem kleinen Start-up, den Sprung zu einem digitalisierten Automobilhersteller zu schaffen? „Der wertvollste Teil in der Fahrzeugherstellung, ist der digitale Bauplan mit seinen Daten und dem Wissen, wie man von der Cad-datei über die Simulationsarbeit bis zur digitalen Fabrik und der Kostenmodellierung gelangt “, ist Horne überzeugt. Das Team plant, einen interaktiven digitalen Zwilling jedes Fahrzeugs und der Fabriken zu erstellen. „Stellen Sie sich einmal vor, wie viel straffer wir die weltweite Produktion gestalten könnten, wenn es eine Mutterfabrik und Satellitfabriken gäbe. Durch die Simulation der Mutterfabrik kann eine Kostenmodellierung durchgeführt und die Logistik geprüft werden, bevor Ausgaben für einen Neubau anfallen“, ist Horne überzeugt.