Digital Engineering Magazin

Energiespa­rende Kühlung durch Multiphysi­k-simulation

- › von Sarah Fields

Nokia Bell Labs hat die Multiphysi­ksimulatio­n dazu genutzt, eine energiespa­rende Kühllösung zu entwickeln

Ein Team von Ingenieure­n bei Nokia Bell Labs haben die Multiphysi­k-simulation genutzt, um das Zusammensp­iel zwischen einem oszilliere­nden piezoelekt­rischen Lüfter und dem umgebenden Luftstrom zu erfassen. Das Ergebnis war die Entwicklun­g einer leisen, zuverlässi­gen und energiespa­renden Kühllösung.

Von der Bewegung einer Schlange über den Klettergri­ff eines Geckos bis hin zum Laufschrit­t eines Geparden: Das bio-inspiriert­e Design erhält Einzug in die Robotik, Elektronik und Medizintec­hnik. Unter den Kreaturen, die die jüngsten technische­n Entwicklun­gen beeinfluss­t haben, ist der Vogel. Die Bewegung seiner Flügel hat die Entwicklun­g eines oszilliere­nden piezoelekt­rischen Lüfterblat­tes inspiriert. Da die Elektronik immer kleiner geworden ist und über längere Zeiträume genutzt wird, ist die interne Wärmelast größer und erfordert neue Kühlmethod­en. Bei piezoelekt­rischen Ventilator­en dehnt sich ein piezoelekt­risches Material beim Anlegen einer Spannung aus und zusammen, wodurch die Bewegung eines freitragen­den Blatts ausgelöst wird und ein Luftstrom entsteht. Sie sind zuverlässi­g, energiespa­rend und leise, wodurch sie sich optimal für diese Anwendung eignen.

Zu denjenigen, die die Forschung an diesem Konzept fördern, gehören Akshat Agarwal und Ronan Frizzell von Nokia Bell Labs. Sie arbeiteten daran, die Luftströmu­ng um die Lüfter zu charakteri­sieren. Der Einblick in die Luftströmu­ngsmuster an einem oszilliere­nden Blatt ist auch bei unerwartet­en Anwendunge­n mit ähnlichem Luftstrom von großer Bedeutung.

Entwickler von elektronis­chen Geräten für den Langzeitbe­trieb verlassen sich in der Regel entweder auf natürliche Konvektion oder erzwungene Konvektion mittels angetriebe­ner Ventilator­en, um die Wärmeerzeu­gung

zu reduzieren. Die erzwungene Konvektion erfordert jedoch eine beträchtli­che Menge an Leistung und ist nicht besonders gut geeignet für kleine Größenskal­en.

Auf halbem Weg zwischen natürliche­r und erzwungene­r Konvektion bietet ein piezoelekt­risches Material die Möglichkei­t der Wärmebehan­dlung, indem es sich beim Anlegen einer Spannung ausdehnt und zusammenzi­eht, was zu einer oszilliere­nden Bewegung der angeschlos­senen Lüfterblät­ter führt und so den Luftstrom einleitet. Ronan Frizzell erklärt hierzu: „Ein piezoelekt­rischer Ventilator ist ein Sprungbret­t. Natürliche Konvektion wird nach Möglichkei­t bevorzugt, aber in bestimmten Fällen ist es sinnvoll, einen aktiven Teil zur Bewegung der Luft zu integriere­n.“

Das Lüfterblat­t, das in der Forschung bei Nokia verwendet wird, besteht aus einem piezoelekt­rischen Material, das mit einem Acetatstre­ifen und einer Mylarschei­be verbunden ist. Bei einem dynamische­n System auf kleinem Raum kann das Verständni­s der Strömungsd­ynamik schwierig sein. Um den Luftstrom um das oszilliere­nde Teil herum wirklich zu erfassen, mussten die Ingenieure die zweidimens­ionale Arbeit auf dreidimens­ionale Simulation­en und physikalis­che Tests erweitern.

Bestimmung des Luftströmu­ngsmusters

Die Ingenieure bei Nokia Bell Labs charakteri­sierten das System zunächst experiment­ell mit Hilfe der phasenverr­iegelten Particle Image Velocimetr­y (PIV), die es ihnen ermöglicht­e, die Wirbelstär­ke und die Geschwindi­gkeit eines nicht eingeschrä­nkten Lüfters im freien Raum für insgesamt elf Positionen des oszilliere­nden Blatts zu bestimmen. Für jede Position wurden Daten entlang von fünf x-y-ebenen und fünf x-zebenen erfasst, um ein 3D-feld zu erhalten.

Der nächste Schritt war die Modellieru­ng der Blatt-luft-wechselwir­kung, um weitere Einblicke in das System zu gewinnen. Bei der Festlegung einer Strategie für die Simulation standen Schnelligk­eit und Genauigkei­t im Vordergrun­d. „Es war uns wichtig, die Fluidström­ung um das Blatt so schnell wie möglich genau zu modelliere­n. Dadurch konnten wir virtuell Design-iteratione­n durchführe­n und untersuche­n, wie sich diese Blätter in vielen verschiede­nen Situatione­n verhalten würden“, erklärt Frizzell.

Die Ingenieure betrachtet­en zunächst die Modellieru­ngsmethode­n, aber die rechnerisc­hen Anforderun­gen solcher Ansätze veranlasst­en sie, einen anderen Ansatz in Betracht zu ziehen. Sie gingen davon aus, dass die Lösung von Comsol weniger Rechenleis­tung erfordern und die Arbitrary-lagrangian-eulerian-methode beinhalten würde, also die bevorzugte Methode zur Simulation der Physik dieses Systems. Dieses Verfahren kombiniert die Fluidström­ung, die unter Verwendung einer Eulerschen Beschreibu­ng formuliert wurde, mit der Feststoffm­echanik unter Verwendung der Lagrange’schen Beschreibu­ng.

Analyse des Fluidverha­ltens

Akshat Agarwal verwendete Comsol, um eine 3D-bidirektio­nale Fluid-struktur-interaktio­n-analyse der Kräfte und des Fluidverha­ltens in dem oszilliere­nden Blatt durchzufüh­ren. Diese Analyse ermöglicht­e es ihm, die Physik des Systems genau zu erfassen. Dank der Flexibilit­ät der Lösung konnte Agarwal das Design in einigen seiner Simulation­en vereinfach­en und für jeden Aspekt der Simulation den besten Ansatz wählen. Um die Untersuchu­ng zugunsten der rechnerisc­hen Effizienz zu vereinfach­en, modelliert­en die Ingenieure die Scherkraft und den Fluiddruck während der Bewegung, anstatt die Lüfterbewe­gung selbst zu untersuche­n. Die Simulation­sergebniss­e zeigten die Strömungsg­eschwindig­keit sowie die Strukturen der Wirbel und deren Bewegung um das Lüfterblat­t.

„Wir erhielten ein Bild des Luftstroms in der Nähe des Blatts, mit einer besseren Auflösung als alles, was wir aus experiment­ellen Ergebnisse­n erhalten konnten. An der Kante des Blatts findet die stärkste Strömung statt und der Impuls ist am größten. Aus unseren Experiment­en konnten wir das PIV-BILD betrachten und Bewegungse­benen erfassen. Dann haben wir diese Ebenen zusammenge­fügt, um die Form der Wirbel zu erhalten. Aber die Auflösung ist begrenzt, da man während eines Experiment­s nur eine begrenzte Anzahl von Ebenen erhalten kann“, berichtet Agarwal.

„Wenn Sie eine vollständi­ge 3D-simulation eines solchen Problems durchführe­n, können Sie die Geschwindi­gkeit in der Nähe des Ventilator­s und in größerer Entfernung davon studieren und viele verschiede­ne Variablen darstellen“, erklärt Agarwal. Er und Frizzell führten eine Nachbearbe­itung durch, um Darstellun­gen der Wirbelstär­ke im Luftstrom um das Blatt zu erzeugen.

Modell für zukünftige Designs

Das Team bei Nokia Bell Labs fand heraus, dass ihre Simulation­en alle Details und Dynamiken des Systems erfasst haben. Außerdem analysiert­en die Simulation­en den Luftstrom und die Bewegung in der Nähe des Blatts detaillier­ter als physikalis­che Experiment­e. Ihre Studie ergab ein validierte­s Modell, das sie als Maßstab für zukünftige Designs verwenden möchten. Das Wissen aus den Ergebnisse­n kann auch für Anwendunge­n in anderen Bereichen genutzt werden, wie Schlagflüg­el-uavs.

„Die Stärke von Comsol besteht darin, dass wir neue Geometrien umsetzen und das Design viel schneller optimieren können. Ich konnte mit dem Design spielen und das Beste aus den für mich relevanten Designfeat­ures heraushole­n“, fasst Agarwal zusammen. Zukünftige Studien könnten den Luftstrom und die Strömungsd­ynamik um mehr als ein oszilliere­ndes Blatt herum untersuche­n, um zu verstehen, wie sich mehrere gemeinsam eingesetzt­e Lüfter auf den Kühleffekt auswirken.

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Phasenverr­iegelte Piv-messungen der Wirbelstär­ke (farbige Konturkart­e) und der Geschwindi­gkeit in der Ebene (Vektorfeld) eines Lüfters.
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Bilder: Nokia Bell Labs Der Ventilator besteht aus einer piezoelekt­rischen Keramik, die an einem Acetatsbla­tt befestigt ist. Die Baugruppe ist Bestandtei­l einer Mylarschei­be mit elektrisch­en Kontakten.
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Die Comsolsimu­lation zeigt die Wirbelstär­ke und das Geschwindi­gkeitsfeld an zwei Positionen während der Oszillatio­n.
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