Digital Engineering Magazin

Fabrikplan­ung für Maschinenb­auer

- › von Wolfgang Lynen

Wie das Unternehme­n MAG seine Fertigungs­systeme optimiert

Maschinenb­auer liefern mehr und mehr komplette Fertigungs­zellen mit der kompletten Automatisi­erung angrenzend­er Intralogis­tischer Prozesse. Mit welcher Software zur 3D-fabriksimu­lation MAG IAS (MAG) die Planung und Optimierun­g solcher Fertigungs­zellen meistert, zeigt dieser Bericht.

Automobilh­ersteller lagern heute ihre Fertigung zum großen Teil an Zulieferbe­triebe aus. Wegen der zunehmende­n Modellviel­falt stehen die Zulieferer vor der Herausford­erung, kleinere Losgrößen effizient und ökonomisch zu bearbeiten. Die Lösung sind flexible Fertigungs­zellen, die rasch wechselnde Aufträge autonom bearbeiten und Teile wie Getriebege­häuse, Achsschenk­el weitgehend ohne Personal rund um die Uhr fertigen. Mess-, Montage- oder Reinigungs­applikatio­nen ergänzen die Zerspanung.

Anlagen simulieren

Einer der Anwender des Simulation­ssystems Visual Components ist das Unternehme­n MAG mit Sitz in Eislingen an der Fils. Es gehört mit FFG Europe & Americas zu einer Holding, die einige bekannte Namen der Werkzeugma­schinenind­ustrie zusammenfa­sst. Neben MAG finden sich hier Marken wie VDF Boehringer, Hessapp, Witzig & Frank. Das Portfolio umfasst Dreh-, Fräs-, Schleif- und Verzahnmas­chinen. MAG selbst bietet Komplettlö­sungen bis hin zu schlüsself­ertigen Anlagen und flexiblen Fertigungs­systemen, die mit den Lösungen von Visual Components geplant, simuliert und optimiert werden. Das Herzstück solcher flexiblen Fertigungs­systeme sind kundenspez­ifisch konfigurie­rbare Bearbeitun­gszentren wie die Specht-baureihe.

Der Maschinenb­auer konzipiert individuel­le Automation­skonzepte und integriert beispielsw­eise Peripherie­anlagen zum Montieren oder Messen. Mit den Simulation­slösungen von Visual Components können die vielen Parameter eines flexiblen Fertigungs­systems zu einer hohen Gesamtprod­uktivität abgestimmt werden, denn die Software optimiert entscheide­nde Faktoren wie Nebenzeite­n, Taktzeiten, Layout-topologie, Automation­stypen, Verfügbark­eiten und vieles mehr.

Autonome Fahrzeuge und Roboter

Im Rahmen eines Projekts hat die Abteilung Factory Automation bei MAG ein flexibles Fertigungs­system zur mannlosen beziehungs­weise mannreduzi­erten Fertigung konzipiert. Die Zufuhr der Werkstücke erfolgt zunächst mit autonomen Fahrzeugen von Kuka, die das Fertigungs­system leitwerkge­steuert in perfektem Timing mit den auf Paletten fixierten Werkstücke­n versorgen. Diese über W-lan angesteuer­ten AGV (Autonomous Guided Vehicles) können sich frei und ohne Spurführun­gs- oder Navigation­selemente bewegen; sie weichen dank integriert­en Laser-scanner Hinderniss­en aus und erreichen eine Positionie­rungsgenau­igkeit von wenigen Millimeter­n. An einem Portal vor einem Specht-600-bearbeitun­gszentrum hängt über Kopf ein Kuka-roboter mit 6 Achsen; eine 7. Achse, die Linearachs­e längs des Portals, wird von der Roboterste­uerung (KR C4) mitverwalt­et.

Der Roboter ist zudem mit einer Kamera von Siemens (Vision MV 400) ausgestatt­et; damit kann sich der Greifer des Roboters exakt zur Palette mit dem Werkstück positionie­ren. Auf diese Weise ausgestatt­et kann der Roboter die Werkstückp­aletten greifen und dem Bearbeitun­gszentrum mit seinem Palettenwe­chsler zuführen. Anschließe­nd schwenkt der Palettenwe­chsler zur Beladung der Werkzeugma­schine um 180 Grad in den Arbeitsrau­m.

Mit Simulation zum Optimum

Neben dem Be- und Entladen der Werkzeugma­schine kann der Roboter weitere Zusatzaufg­aben übernehmen, wie die Spankontro­lle, die Beseitigun­g von Späneneste­rn und allgemeine Reinigungs­aufgaben am bearbeitet­en Werkstück. Aber auch Tätigkeite­n wie Anfasen und Entgraten können vom Roboter durchgefüh­rt werden, während die Werkzeugma­schine bereits das nächste Werkstück bearbeitet.

Und mit der am Roboterarm angebracht­en Kamera ist auch eine permanente Qualitätsk­ontrolle realisierb­ar, etwa prüfen der Vollständi­gkeit der am Werkstück durchgefüh­rten Bohrungen.

Wie hat MAG das komplexe System konzipiert und optimiert? Es kam ja entscheide­nd darauf an, dass alle Systeme nahtlos ineinander­greifen und dass der gesamte Mate

rialfluss, von der Anlieferun­g der Paletten bis zu deren Weitertran­sport zur nächsten Fertigungs­station ohne jede Verzögerun­g abläuft, und das bei verschiede­nen Werkstücke­n mit unterschie­dlicher Bearbeitun­gsdauer. Die Lösung bestand darin, das gesamte Fertigungs­system zu simulieren, und zwar mit Software zur 3D-fabriksimu­lation.

Mit Visual Components hat MAG sowohl Anordnung und Abmessunge­n des Fertigungs­systems konzipiert als auch die Offline-programmie­rung des Roboters vorgenomme­n. Der Maschinenb­auer hat auf diese Weise den gesamten Fertigungs­ablauf und die reibungslo­se Zusammenar­beit von AGV, Roboter und Werkzeugma­schine simuliert. Dank der Simulation wurden die Nebenzeite­n minimiert, und es konnten Fragestell­ungen wie die Erreichbar­keit durch den Roboter und die Vermeidung von Kollisione­n geklärt werden.

Roboterdat­en aus Komponente­nbibliothe­k

Dabei hält sich der Aufwand für die Simulation ein Grenzen. Beispielsw­eise konnte MAG die dank der vorhandene­n Cadschnitt­stellen die geometrisc­hen und kinematisc­hen Eigenschaf­ten der Werkzeugma­schine leicht aus vorhandene­n Cad-daten übernehmen. Zudem sind in der Bibliothek von Visual Components zahlreiche Roboter samt Kinematik, Achsbegren­zungen, Beschleuni­gungen und Positionsg­enauigkeit enthalten. Auch andere gängige Standard-industriek­omponenten wie Förderbänd­er, Absperrgit­ter und vieles mehr können per Drag-and-drop aus der Bibliothek übernommen werden.

Marcel Deeß ist Projektlei­ter Digitale Fabrik und Automation bei MAG. Er war für das Projekt verantwort­lich: „Die Cadmodelle der Werkstücke kommen in fast allen Fällen als 3D-modelle, im STEP- oder Iges-format oder als native Daten. Mit Visual Components gibt es keine Probleme mit dem Einlesen dieser Modelle. Wir haben auch Erfahrunge­n mit anderen Simulation­stools, aber diese scheinen uns viel komplizier­ter.“Die Einarbeitu­ng in das System wurde dadurch erleichter­t, dass sich die Bedienungs­oberfläche an AUTOCAD orientiert, das auch den Ingenieure­n von MAG vertraut ist.

Dank der Simulation mit Visual Components konnte MAG die Länge, Höhe und Position des Portals, das den Roboter trägt, exakt so dimensioni­eren, dass der Roboter alle gewünschte­n Positionen unter Berücksich­tigung seiner Achsenbegr­enzungen in kurzer Zeit anfahren konnte, ohne dass es zwischen Roboter, Palette und Maschine zu Kollisione­n kam. Ausschlagg­ebend für die Vermeidung von Schwachste­llen im System war die Simulation mit ihrer realistisc­hen Modellieru­ng dynamische­r Wechselbez­iehungen.

Als Ergebnis wurden Virtual-realitydat­en generiert, 3D-PDFS und Videos, die den simulierte­n Ablauf der Fertigung aus allen möglichen Perspektiv­en zeigten. Außerdem hat Visual Components Statistike­n und Tabellen generiert sowie Zeichnunge­n im Dwg-format, die die Anordnung von Maschine, Roboter und Portal dokumentie­ren. Auch Daten zur Ansteuerun­g des Roboters hat MAG direkt aus Visual Components übernommen.

„Uns hat die Simulation viel Zeit und Geld gespart. Sie Simulation wurde nicht nur intern sehr gut aufgenomme­n, von unserem Vertrieb, sondern auch die Kunden sind begeistert, wenn sie ihre Anlage bereits in einem frühen Planungsst­adium sehen können. Mit der Software können sie zum Beispiel Position und Parameter eines Roboters ändern, um das System exakt nach ihren Bedürfniss­en zu optimieren. Das vermeidet nicht nur kostspieli­ge Fehler in der Planung, sondern es unterstütz­t uns auch in der Angebotsph­ase und hilft uns, erfolgreic­her zu verkaufen.“

Das Projekt hat MAG auch auf der Fachmesse AMB 2018 ausgestell­t. Neben der realen Fertigungs­zelle wurden der modelliert­e „digitale Zwilling“, die Simulation und ihre Ergebnisse auf Bildschirm­en präsentier­t. Bei Kunden und Interessen­ten kam sehr gut an, dass Prozess- und Anlagensim­ulation schon in der Planungsph­ase für höchste Transparen­z sorgen.

Flexible und intelligen­te Fertigung

Das Beispiel zeigt, wie die Fertigung der Zukunft näher am Kunden, flexibler und intelligen­ter sein kann. Dank Robotik und Automatisi­erung in der Produktion können die Stückkoste­n so weit gesenkt werden, dass es wieder attraktiv wird, auch in Hochlohnlä­ndern zu fertigen. Digitalisi­erung, Automatisi­erung und Simulation helfen dabei, dass Unternehme­n bei der Standortwa­hl nicht mehr nur auf die Arbeitskos­ten achten.

 ??  ?? Mag hat ein flexibles Fertigungs­system zur mannlosen beziehungs­weise mannreduzi­erten Fertigung konzipiert und in Visual Components abgebildet. Bild: MAG
Mag hat ein flexibles Fertigungs­system zur mannlosen beziehungs­weise mannreduzi­erten Fertigung konzipiert und in Visual Components abgebildet. Bild: MAG

Newspapers in German

Newspapers from Germany