Fabrikplanung für Maschinenbauer
Wie das Unternehmen MAG seine Fertigungssysteme optimiert
Maschinenbauer liefern mehr und mehr komplette Fertigungszellen mit der kompletten Automatisierung angrenzender Intralogistischer Prozesse. Mit welcher Software zur 3D-fabriksimulation MAG IAS (MAG) die Planung und Optimierung solcher Fertigungszellen meistert, zeigt dieser Bericht.
Automobilhersteller lagern heute ihre Fertigung zum großen Teil an Zulieferbetriebe aus. Wegen der zunehmenden Modellvielfalt stehen die Zulieferer vor der Herausforderung, kleinere Losgrößen effizient und ökonomisch zu bearbeiten. Die Lösung sind flexible Fertigungszellen, die rasch wechselnde Aufträge autonom bearbeiten und Teile wie Getriebegehäuse, Achsschenkel weitgehend ohne Personal rund um die Uhr fertigen. Mess-, Montage- oder Reinigungsapplikationen ergänzen die Zerspanung.
Anlagen simulieren
Einer der Anwender des Simulationssystems Visual Components ist das Unternehmen MAG mit Sitz in Eislingen an der Fils. Es gehört mit FFG Europe & Americas zu einer Holding, die einige bekannte Namen der Werkzeugmaschinenindustrie zusammenfasst. Neben MAG finden sich hier Marken wie VDF Boehringer, Hessapp, Witzig & Frank. Das Portfolio umfasst Dreh-, Fräs-, Schleif- und Verzahnmaschinen. MAG selbst bietet Komplettlösungen bis hin zu schlüsselfertigen Anlagen und flexiblen Fertigungssystemen, die mit den Lösungen von Visual Components geplant, simuliert und optimiert werden. Das Herzstück solcher flexiblen Fertigungssysteme sind kundenspezifisch konfigurierbare Bearbeitungszentren wie die Specht-baureihe.
Der Maschinenbauer konzipiert individuelle Automationskonzepte und integriert beispielsweise Peripherieanlagen zum Montieren oder Messen. Mit den Simulationslösungen von Visual Components können die vielen Parameter eines flexiblen Fertigungssystems zu einer hohen Gesamtproduktivität abgestimmt werden, denn die Software optimiert entscheidende Faktoren wie Nebenzeiten, Taktzeiten, Layout-topologie, Automationstypen, Verfügbarkeiten und vieles mehr.
Autonome Fahrzeuge und Roboter
Im Rahmen eines Projekts hat die Abteilung Factory Automation bei MAG ein flexibles Fertigungssystem zur mannlosen beziehungsweise mannreduzierten Fertigung konzipiert. Die Zufuhr der Werkstücke erfolgt zunächst mit autonomen Fahrzeugen von Kuka, die das Fertigungssystem leitwerkgesteuert in perfektem Timing mit den auf Paletten fixierten Werkstücken versorgen. Diese über W-lan angesteuerten AGV (Autonomous Guided Vehicles) können sich frei und ohne Spurführungs- oder Navigationselemente bewegen; sie weichen dank integrierten Laser-scanner Hindernissen aus und erreichen eine Positionierungsgenauigkeit von wenigen Millimetern. An einem Portal vor einem Specht-600-bearbeitungszentrum hängt über Kopf ein Kuka-roboter mit 6 Achsen; eine 7. Achse, die Linearachse längs des Portals, wird von der Robotersteuerung (KR C4) mitverwaltet.
Der Roboter ist zudem mit einer Kamera von Siemens (Vision MV 400) ausgestattet; damit kann sich der Greifer des Roboters exakt zur Palette mit dem Werkstück positionieren. Auf diese Weise ausgestattet kann der Roboter die Werkstückpaletten greifen und dem Bearbeitungszentrum mit seinem Palettenwechsler zuführen. Anschließend schwenkt der Palettenwechsler zur Beladung der Werkzeugmaschine um 180 Grad in den Arbeitsraum.
Mit Simulation zum Optimum
Neben dem Be- und Entladen der Werkzeugmaschine kann der Roboter weitere Zusatzaufgaben übernehmen, wie die Spankontrolle, die Beseitigung von Spänenestern und allgemeine Reinigungsaufgaben am bearbeiteten Werkstück. Aber auch Tätigkeiten wie Anfasen und Entgraten können vom Roboter durchgeführt werden, während die Werkzeugmaschine bereits das nächste Werkstück bearbeitet.
Und mit der am Roboterarm angebrachten Kamera ist auch eine permanente Qualitätskontrolle realisierbar, etwa prüfen der Vollständigkeit der am Werkstück durchgeführten Bohrungen.
Wie hat MAG das komplexe System konzipiert und optimiert? Es kam ja entscheidend darauf an, dass alle Systeme nahtlos ineinandergreifen und dass der gesamte Mate
rialfluss, von der Anlieferung der Paletten bis zu deren Weitertransport zur nächsten Fertigungsstation ohne jede Verzögerung abläuft, und das bei verschiedenen Werkstücken mit unterschiedlicher Bearbeitungsdauer. Die Lösung bestand darin, das gesamte Fertigungssystem zu simulieren, und zwar mit Software zur 3D-fabriksimulation.
Mit Visual Components hat MAG sowohl Anordnung und Abmessungen des Fertigungssystems konzipiert als auch die Offline-programmierung des Roboters vorgenommen. Der Maschinenbauer hat auf diese Weise den gesamten Fertigungsablauf und die reibungslose Zusammenarbeit von AGV, Roboter und Werkzeugmaschine simuliert. Dank der Simulation wurden die Nebenzeiten minimiert, und es konnten Fragestellungen wie die Erreichbarkeit durch den Roboter und die Vermeidung von Kollisionen geklärt werden.
Roboterdaten aus Komponentenbibliothek
Dabei hält sich der Aufwand für die Simulation ein Grenzen. Beispielsweise konnte MAG die dank der vorhandenen Cadschnittstellen die geometrischen und kinematischen Eigenschaften der Werkzeugmaschine leicht aus vorhandenen Cad-daten übernehmen. Zudem sind in der Bibliothek von Visual Components zahlreiche Roboter samt Kinematik, Achsbegrenzungen, Beschleunigungen und Positionsgenauigkeit enthalten. Auch andere gängige Standard-industriekomponenten wie Förderbänder, Absperrgitter und vieles mehr können per Drag-and-drop aus der Bibliothek übernommen werden.
Marcel Deeß ist Projektleiter Digitale Fabrik und Automation bei MAG. Er war für das Projekt verantwortlich: „Die Cadmodelle der Werkstücke kommen in fast allen Fällen als 3D-modelle, im STEP- oder Iges-format oder als native Daten. Mit Visual Components gibt es keine Probleme mit dem Einlesen dieser Modelle. Wir haben auch Erfahrungen mit anderen Simulationstools, aber diese scheinen uns viel komplizierter.“Die Einarbeitung in das System wurde dadurch erleichtert, dass sich die Bedienungsoberfläche an AUTOCAD orientiert, das auch den Ingenieuren von MAG vertraut ist.
Dank der Simulation mit Visual Components konnte MAG die Länge, Höhe und Position des Portals, das den Roboter trägt, exakt so dimensionieren, dass der Roboter alle gewünschten Positionen unter Berücksichtigung seiner Achsenbegrenzungen in kurzer Zeit anfahren konnte, ohne dass es zwischen Roboter, Palette und Maschine zu Kollisionen kam. Ausschlaggebend für die Vermeidung von Schwachstellen im System war die Simulation mit ihrer realistischen Modellierung dynamischer Wechselbeziehungen.
Als Ergebnis wurden Virtual-realitydaten generiert, 3D-PDFS und Videos, die den simulierten Ablauf der Fertigung aus allen möglichen Perspektiven zeigten. Außerdem hat Visual Components Statistiken und Tabellen generiert sowie Zeichnungen im Dwg-format, die die Anordnung von Maschine, Roboter und Portal dokumentieren. Auch Daten zur Ansteuerung des Roboters hat MAG direkt aus Visual Components übernommen.
„Uns hat die Simulation viel Zeit und Geld gespart. Sie Simulation wurde nicht nur intern sehr gut aufgenommen, von unserem Vertrieb, sondern auch die Kunden sind begeistert, wenn sie ihre Anlage bereits in einem frühen Planungsstadium sehen können. Mit der Software können sie zum Beispiel Position und Parameter eines Roboters ändern, um das System exakt nach ihren Bedürfnissen zu optimieren. Das vermeidet nicht nur kostspielige Fehler in der Planung, sondern es unterstützt uns auch in der Angebotsphase und hilft uns, erfolgreicher zu verkaufen.“
Das Projekt hat MAG auch auf der Fachmesse AMB 2018 ausgestellt. Neben der realen Fertigungszelle wurden der modellierte „digitale Zwilling“, die Simulation und ihre Ergebnisse auf Bildschirmen präsentiert. Bei Kunden und Interessenten kam sehr gut an, dass Prozess- und Anlagensimulation schon in der Planungsphase für höchste Transparenz sorgen.
Flexible und intelligente Fertigung
Das Beispiel zeigt, wie die Fertigung der Zukunft näher am Kunden, flexibler und intelligenter sein kann. Dank Robotik und Automatisierung in der Produktion können die Stückkosten so weit gesenkt werden, dass es wieder attraktiv wird, auch in Hochlohnländern zu fertigen. Digitalisierung, Automatisierung und Simulation helfen dabei, dass Unternehmen bei der Standortwahl nicht mehr nur auf die Arbeitskosten achten.