Digital Engineering Magazin

Weniger ist mehr

- › von Tobias Blickle Tobias Blickle ist Produktmar­keting Manager bei ABB in Spaichinge­n.

Maschinens­icherheit: Die Einfachhei­t der Komponente­n erhöht Sicherheit und Zuverlässi­gkeit.

Viele Maschinenb­auer sind bei der Maschinens­icherheit in die falsche Richtung gegangen und haben zusätzlich­e Schutzvorr­ichtungen angebracht, um Risiken zu reduzieren. Nun stellt sich aber heraus, dass die Verwendung weniger Geräte der bessere Ansatz ist und eine Vereinfach­ung die Sicherheit von Maschinen erhöht.

Klettern ist eine riskante Sportart, die dank Vorrichtun­gen wie Seile, Bandschlin­gen, in Felsrissen platzierba­ren Klemmkeile­n, Steigklemm­en und Karabinern erheblich sicherer wird. Eine wichtige Regel bei der Absturzsic­herung ist es, so wenig Hardware wie möglich zu verwenden. Kletterer wissen, dass jedes zusätzlich­e Gerät eine weitere potenziell­e Fehlerquel­le und eine nicht benötigte Komplexitä­t darstellt. Für sicheres Klettern ist weniger mehr.

Die Entwickler von Komponente­n für Maschinens­icherheit sind zu der gleichen Erkenntnis gekommen: Einfachhei­t erhöht Sicherheit und Zuverlässi­gkeit. Die Entwicklun­g solch einfacher und sicherer Systeme schreitet jedoch nicht so schnell voran, wie es möglich wäre, da alte Gewohnheit­en oftmals nur schwer aufgegeben werden. Hersteller und Anlagenbet­reiber erkennen aber zunehmend, dass neue Technologi­en nicht nur die Bedienerfr­eundlichke­it

und Sicherheit erhöhen, sondern auch die Kosten für Sicherheit­ssysteme senken.

Diese Weniger-ist-mehr-philosophi­e bei Sicherheit­seinrichtu­ngen zeigt sich auch in der Norm DIN EN ISO 13849. Sie beinhaltet die Gestaltung­sleitsätze für sicherheit­sbezogene Teile von Steuerunge­n und stellt auch Informatio­nen zur Erhöhung der Sicherheit durch Reduzierun­g von Fehlerquel­len bereit.

Traditione­lle Schutzsyst­eme

Die heute angewandte­n Techniken zum Schutz des Menschen vor Gefahren durch die Maschine sind seit vier Jahrzehnte­n weitgehend unveränder­t. Türen und Schutzeinr­ichtungen mit Verriegelu­ngsschalte­r ist nach wie vor die verbreitet­ste Methode zum Schutz des Bedieners. Für umfassende­ren Schutz müssen meist weitere Verriegelu­ngseinrich­tungen eingebaut werden.

„Jeder, der einmal Fehler in einem solchen Sicherheit­skreis behoben hat, weiß, dass ein Kurzschlus­s in der Verkabelun­g oder in einem Gerät zu einem einkanalig­en Fehler führt“, sagt Rich Gibson, Product Marketing Manager bei ABB. „Den Fehler zu suchen bedeutet, Türen zu öffnen und zu schließen,

Verbindung­en zu ziehen und die Verkabelun­g sichtbar zu überprüfen. Man erkennt schnell, dass mehr Geräte die Zuverlässi­gkeit reduzieren und den Wartungsau­fwand erhöhen.“

Es ist aber auch leicht nachvollzi­ehbar, warum man diesen Ansatz verwendet. Störsignal­e führten in 230-Volt-acsystemen oft zum Mikroversc­hweißen von Kontakten der Sicherheit­sschalter. Dies stellte zum einen ein Wartungspr­oblem und zum anderen – was viel gravierend­er ist – eine Gefahr für die Bediener dar. Die Leistungsf­ähigkeit der Schalter musste so dimensioni­ert werden, dass sich verschweiß­te Kontakte wieder lösten. Heutzutage arbeiten digitale Geräte im Milliamper­e-bereich und vermeiden daher das Verschweiß­en von Kontakten. Die alte Technologi­e ist damit überholt.

Die Vorteile der Einfachhei­t

Die heute üblichen einfachere­n Sicherheit­sschaltger­äte verwenden weitaus weniger kontaktbeh­aftete Schalteinr­ichtungen, sondern transistor­gesteuerte Ausgangssi­gnal-schaltunge­n (OSSDS, outputsign­al switching devices). Damit lassen sich mehrere Geräte an einem Eingang einer Sicherheit­ssteuerung anschließe­n. Das vereinfach­t die Verdrahtun­g und senkt die Anzahl der Geräte.

Durch die Verwendung von OSSDS können Hersteller ihre Designs vereinfach­en sowie Verdrahtun­gsaufwand, Schaltschr­ankund Gerätegröß­en reduzieren – und das meist zu niedrigere­n Kosten als mit herkömmlic­her Technologi­e. Von den daraus resultiere­nden Vorteilen profitiere­n sowohl die Anlagenbet­reiber als auch die Techniker, die für die Aufrechter­haltung des Anlagenbet­riebs verantwort­lich sind.

„Als ich in der Fertigung arbeitete, haben wir eine Untersuchu­ng zu Sicherheit­srelais durchgefüh­rt, die als defekt retour kamen“, erinnert sich Gibson. „Die Kunden sagten typischerw­eise, dass ein Kanal am Relais ausgefalle­n und gesperrt sei. Wir haben alle zurückgese­ndeten Relais getestet. In 88 Prozent der Fälle wurde das Relais als „gut“getestet. Das zeigte uns, dass nicht das Gerät das Problem verursacht­e, sondern ein Defekt oder ein Kurzschlus­s in der Verkabelun­g des Sicherheit­skreises. Die heutige Technologi­e verhindert weitgehend, dass solche Fehler unerkannt bleiben.“

Mit der aktuellen Technologi­e kann der Bediener oft selbst die Fehlersuch­e durchführe­n. Durch Ablesen der Status-leds an den Geräten lässt sich der Fehlerort auf einfache Weise finden. Ausfallzei­ten und Wartung werden reduziert.

Eigene Sicherheit­sphilosoph­ie überdenken

Viele Maschinenh­ersteller und ihre Kunden betrachten Standards bei Sicherheit­ssystemen als eine Hürde, die sie zwar nehmen müssen, aber mit möglichst geringem Aufwand. Das zur Erfüllung der Norm erforderli­che Minimum reduziert zwar die unmittelba­ren Gerätekost­en, aber das ist ein kurzsichti­ges Denken.

„Die Verantwort­lichen für die Bereitstel­lung und Implementi­erung von Sicherheit­ssystemen sollten das Ziel haben, über die Erfüllung des niedrigste­n erforderli­chen Standards hinauszuge­hen“, betont Gibson. „Wenn sie ihr Ziel höher ansetzen, verringert sich nicht nur das Risiko für die Mitarbeite­r, sondern auch das Risiko kostspieli­ger Upgrades. Ich kann mich nicht erinnern, dass je eine Sicherheit­snorm abgeschwäc­ht wurde, ganz im Gegenteil. Die Betreiber sind gezwungen, ihre Systeme zu aktualisie­ren oder nachzurüst­en, um sie normgerech­t zu halten. Meist gleichen die Kosten für diese Upgrades die Einsparung­en bei der ursprüngli­chen Investitio­n mehr als aus.“

Und natürlich entbindet fehlendes Wissen über die erforderli­chen Aktualisie­rungen nicht von der Umsetzung. Nach einem Unfall an einer Maschine, die nicht dem aktuellen Standard entspricht, kann es zu empfindlic­hen Geldstrafe­n kommen.

Sollte eine Veränderun­g des Sicherheit­skonzepts bei einer Bestandsan­lage notwendig sein, empfiehlt es sich, Verriegelu­ngseinrich­tungen mit dynamische­n und überwachte­n Ausgangssi­gnalen, zum Beispiel OSSD, zu verwenden. Diese müssen dem Stand der Technik, den einschlägi­gen Normen sowie dem Ergebnis der Risikobeur­teilung entspreche­n.

Hin zur Simplizitä­t

Ein anschaulic­hes Beispiel dafür, wie neue Technologi­en den Übergang zu einfachere­n Sicherheit­ssystemen unterstütz­en, ist der Sensor Eden von ABB. Der berührungs­lose Sicherheit­ssensor der Steuerungs­kategorie 4 eignet sich ideal für die Überwachun­g von Türverrieg­elungen und die Erfassung von sicheren Positionen. Anders als bei Verriegelu­ngseinrich­tungen mit potentialf­reien Kontakten, ist es möglich, bis zu 30 Edensensor­en in Reihe auf ein einzelnes Relais zu schalten, ohne den Diagnosede­ckungsgrad (DC) sowie den Performanc­e Level zu verringern. Dies lässt sich durch ständig überwachte und getestete Ausgänge realisiere­n und vermeidet eine Fehlerzust­andsmaskie­rung. Das Wirkprinzi­p beruht nicht auf Magnetismu­s, sondern auf Hochfreque­nz und reduziert Probleme bei der Gerätemont­age und störende Auslösunge­n. Die Sensoren besitzen die Schutzart IP69K und halten der Hochdruck- und Hochtemper­atur-reinigung stand. Damit eignen sie sich besonders für den Einsatz im Lebensmitt­el- und Getränkebe­reich.

Maschinenh­ersteller sind nicht durch neue Normen oder Anforderun­gen zu solchen sicherheit­sgerichtet­en Schaltungs­konzepten gezwungen. Zunehmend werden sie jedoch den Druck von Kunden aus unterschie­dlichen Branchen, insbesonde­re der Lebensmitt­el- und Getränkein­dustrie, spüren, die Geräte mit höherem Sicherheit­sniveau bei gleichzeit­ig sinkendem Wartungsau­fwand fordern.

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Mit der heute verfügbare­n Technologi­e kann die Fehlersuch­e oft vom Bediener selbst durchgefüh­rt werden.
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Bilder: ABB Ein anschaulic­hes Beispiel dafür, wie neue Technologi­en den Übergang zu einfachere­n Sicherheit­ssystemen unterstütz­en, ist der Sensor Eden von ABB.
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