Weniger ist mehr
Maschinensicherheit: Die Einfachheit der Komponenten erhöht Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Viele Maschinenbauer sind bei der Maschinensicherheit in die falsche Richtung gegangen und haben zusätzliche Schutzvorrichtungen angebracht, um Risiken zu reduzieren. Nun stellt sich aber heraus, dass die Verwendung weniger Geräte der bessere Ansatz ist und eine Vereinfachung die Sicherheit von Maschinen erhöht.
Klettern ist eine riskante Sportart, die dank Vorrichtungen wie Seile, Bandschlingen, in Felsrissen platzierbaren Klemmkeilen, Steigklemmen und Karabinern erheblich sicherer wird. Eine wichtige Regel bei der Absturzsicherung ist es, so wenig Hardware wie möglich zu verwenden. Kletterer wissen, dass jedes zusätzliche Gerät eine weitere potenzielle Fehlerquelle und eine nicht benötigte Komplexität darstellt. Für sicheres Klettern ist weniger mehr.
Die Entwickler von Komponenten für Maschinensicherheit sind zu der gleichen Erkenntnis gekommen: Einfachheit erhöht Sicherheit und Zuverlässigkeit. Die Entwicklung solch einfacher und sicherer Systeme schreitet jedoch nicht so schnell voran, wie es möglich wäre, da alte Gewohnheiten oftmals nur schwer aufgegeben werden. Hersteller und Anlagenbetreiber erkennen aber zunehmend, dass neue Technologien nicht nur die Bedienerfreundlichkeit
und Sicherheit erhöhen, sondern auch die Kosten für Sicherheitssysteme senken.
Diese Weniger-ist-mehr-philosophie bei Sicherheitseinrichtungen zeigt sich auch in der Norm DIN EN ISO 13849. Sie beinhaltet die Gestaltungsleitsätze für sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen und stellt auch Informationen zur Erhöhung der Sicherheit durch Reduzierung von Fehlerquellen bereit.
Traditionelle Schutzsysteme
Die heute angewandten Techniken zum Schutz des Menschen vor Gefahren durch die Maschine sind seit vier Jahrzehnten weitgehend unverändert. Türen und Schutzeinrichtungen mit Verriegelungsschalter ist nach wie vor die verbreitetste Methode zum Schutz des Bedieners. Für umfassenderen Schutz müssen meist weitere Verriegelungseinrichtungen eingebaut werden.
„Jeder, der einmal Fehler in einem solchen Sicherheitskreis behoben hat, weiß, dass ein Kurzschluss in der Verkabelung oder in einem Gerät zu einem einkanaligen Fehler führt“, sagt Rich Gibson, Product Marketing Manager bei ABB. „Den Fehler zu suchen bedeutet, Türen zu öffnen und zu schließen,
Verbindungen zu ziehen und die Verkabelung sichtbar zu überprüfen. Man erkennt schnell, dass mehr Geräte die Zuverlässigkeit reduzieren und den Wartungsaufwand erhöhen.“
Es ist aber auch leicht nachvollziehbar, warum man diesen Ansatz verwendet. Störsignale führten in 230-Volt-acsystemen oft zum Mikroverschweißen von Kontakten der Sicherheitsschalter. Dies stellte zum einen ein Wartungsproblem und zum anderen – was viel gravierender ist – eine Gefahr für die Bediener dar. Die Leistungsfähigkeit der Schalter musste so dimensioniert werden, dass sich verschweißte Kontakte wieder lösten. Heutzutage arbeiten digitale Geräte im Milliampere-bereich und vermeiden daher das Verschweißen von Kontakten. Die alte Technologie ist damit überholt.
Die Vorteile der Einfachheit
Die heute üblichen einfacheren Sicherheitsschaltgeräte verwenden weitaus weniger kontaktbehaftete Schalteinrichtungen, sondern transistorgesteuerte Ausgangssignal-schaltungen (OSSDS, outputsignal switching devices). Damit lassen sich mehrere Geräte an einem Eingang einer Sicherheitssteuerung anschließen. Das vereinfacht die Verdrahtung und senkt die Anzahl der Geräte.
Durch die Verwendung von OSSDS können Hersteller ihre Designs vereinfachen sowie Verdrahtungsaufwand, Schaltschrankund Gerätegrößen reduzieren – und das meist zu niedrigeren Kosten als mit herkömmlicher Technologie. Von den daraus resultierenden Vorteilen profitieren sowohl die Anlagenbetreiber als auch die Techniker, die für die Aufrechterhaltung des Anlagenbetriebs verantwortlich sind.
„Als ich in der Fertigung arbeitete, haben wir eine Untersuchung zu Sicherheitsrelais durchgeführt, die als defekt retour kamen“, erinnert sich Gibson. „Die Kunden sagten typischerweise, dass ein Kanal am Relais ausgefallen und gesperrt sei. Wir haben alle zurückgesendeten Relais getestet. In 88 Prozent der Fälle wurde das Relais als „gut“getestet. Das zeigte uns, dass nicht das Gerät das Problem verursachte, sondern ein Defekt oder ein Kurzschluss in der Verkabelung des Sicherheitskreises. Die heutige Technologie verhindert weitgehend, dass solche Fehler unerkannt bleiben.“
Mit der aktuellen Technologie kann der Bediener oft selbst die Fehlersuche durchführen. Durch Ablesen der Status-leds an den Geräten lässt sich der Fehlerort auf einfache Weise finden. Ausfallzeiten und Wartung werden reduziert.
Eigene Sicherheitsphilosophie überdenken
Viele Maschinenhersteller und ihre Kunden betrachten Standards bei Sicherheitssystemen als eine Hürde, die sie zwar nehmen müssen, aber mit möglichst geringem Aufwand. Das zur Erfüllung der Norm erforderliche Minimum reduziert zwar die unmittelbaren Gerätekosten, aber das ist ein kurzsichtiges Denken.
„Die Verantwortlichen für die Bereitstellung und Implementierung von Sicherheitssystemen sollten das Ziel haben, über die Erfüllung des niedrigsten erforderlichen Standards hinauszugehen“, betont Gibson. „Wenn sie ihr Ziel höher ansetzen, verringert sich nicht nur das Risiko für die Mitarbeiter, sondern auch das Risiko kostspieliger Upgrades. Ich kann mich nicht erinnern, dass je eine Sicherheitsnorm abgeschwächt wurde, ganz im Gegenteil. Die Betreiber sind gezwungen, ihre Systeme zu aktualisieren oder nachzurüsten, um sie normgerecht zu halten. Meist gleichen die Kosten für diese Upgrades die Einsparungen bei der ursprünglichen Investition mehr als aus.“
Und natürlich entbindet fehlendes Wissen über die erforderlichen Aktualisierungen nicht von der Umsetzung. Nach einem Unfall an einer Maschine, die nicht dem aktuellen Standard entspricht, kann es zu empfindlichen Geldstrafen kommen.
Sollte eine Veränderung des Sicherheitskonzepts bei einer Bestandsanlage notwendig sein, empfiehlt es sich, Verriegelungseinrichtungen mit dynamischen und überwachten Ausgangssignalen, zum Beispiel OSSD, zu verwenden. Diese müssen dem Stand der Technik, den einschlägigen Normen sowie dem Ergebnis der Risikobeurteilung entsprechen.
Hin zur Simplizität
Ein anschauliches Beispiel dafür, wie neue Technologien den Übergang zu einfacheren Sicherheitssystemen unterstützen, ist der Sensor Eden von ABB. Der berührungslose Sicherheitssensor der Steuerungskategorie 4 eignet sich ideal für die Überwachung von Türverriegelungen und die Erfassung von sicheren Positionen. Anders als bei Verriegelungseinrichtungen mit potentialfreien Kontakten, ist es möglich, bis zu 30 Edensensoren in Reihe auf ein einzelnes Relais zu schalten, ohne den Diagnosedeckungsgrad (DC) sowie den Performance Level zu verringern. Dies lässt sich durch ständig überwachte und getestete Ausgänge realisieren und vermeidet eine Fehlerzustandsmaskierung. Das Wirkprinzip beruht nicht auf Magnetismus, sondern auf Hochfrequenz und reduziert Probleme bei der Gerätemontage und störende Auslösungen. Die Sensoren besitzen die Schutzart IP69K und halten der Hochdruck- und Hochtemperatur-reinigung stand. Damit eignen sie sich besonders für den Einsatz im Lebensmittel- und Getränkebereich.
Maschinenhersteller sind nicht durch neue Normen oder Anforderungen zu solchen sicherheitsgerichteten Schaltungskonzepten gezwungen. Zunehmend werden sie jedoch den Druck von Kunden aus unterschiedlichen Branchen, insbesondere der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, spüren, die Geräte mit höherem Sicherheitsniveau bei gleichzeitig sinkendem Wartungsaufwand fordern.