Digitale Zwillinge der Produktionsprozesse
Die Konstruktionssoftware NX unterstützt die Ausbildung von Fertigungstechnikern
Die Konstruktionssoftware NX von Siemens Digital Industries Software unterstützt beim Umwelt-campus Birkenfeld der Hochschule Trier die Ausbildung von Fertigungstechnikern mittels digitaler Zwillinge der Produktionsprozesse. Damit werden die Studierenden fit gemacht für die hochautomatisierte, digitalisierte Entwicklung und Produktion.
Der Umwelt-campus Birkenfeld gehört zur Hochschule Trier und befindet sich in Neubrücke, nahe der Grenzen zu Luxemburg, Belgien und Frankreich. In drei der 14 Bachelor-studiengänge sowie in vier dualen Bachelor-studiengängen und zwölf Master-studiengängen lernen die Studierenden den Umgang mit aktuellen Produktionstechnologien.
„Jährlich belegen 30 bis 50 Studierende unsere Bachelor-studiengänge und dualen Bachelor-studiengänge für Produktionstechnik und Maschinenbau sowie Master-studiengänge für digitale Produktentwicklung. Sie lernen, mit durchgängiger Digitalisierung den Produktentstehungsprozess nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten“, berichtet Stefan Hirsch, Lehrkraft für besondere Aufgaben am Umwelt-campus.
Cnc-ausbildung mit der Software NX
Im Rahmen ihrer Diplomarbeiten müssen die Studierenden sowohl an einem fachspezifischen als auch an einem fachübergreifenden Projekt mitarbeiten. Ab dem zweiten Semester nutzen sie für die computergestützte Konstruktionssoftware NX von Siemens Digital Industries Software, einem Anbieter für das Produktlebenszyklusmanagement (PLM). Im dritten und vierten Semester verwenden sie dieselbe Software auch für Festigkeitsanalysen mit der Finite Elemente Methode (FEM). Anschließend werden die Studierenden mit Werkzeugmaschinen vertraut gemacht und erlernen Grundbegriffe der Nc-programmierung. In den Master-studiengängen schließt dies auch das Erzeugen von Programmen mittels computergestützter Fertigung (CAM) und das Durchführen mehrachsiger Maschinensimulationen ein.
Industrieroboter für die spanabhebende Bearbeitung nutzbar zu machen, ist einer der Ausbildungsschwerpunkte am Umwelt-campus. Ein weiterer ist die Integration von additiver und spanabhebender Fertigung. Ziel ist in beiden Fällen, den gesamten Prozess in nur einem einzigen Nc-programm abzubilden. Das Abdecken der gesamten Cad/cam-prozesskette einschließlich der Robotik und additiven Fertigung innerhalb der Software-suite beschleunigt die Studiengänge für digitale Produktentwicklung und Maschinenbau.
Nx-elearning-plattform unterstützt Studierende
Wenn die Studierenden beginnen, mittels CAM für Werkzeugmaschinen Nc-programme zu entwickeln, sind sie bereits mit Struktur und Handhabung von NX vertraut. Wir kommen daher viel weiter, als wenn sie sich erst an eine neue Software gewöhnen müssten“, betont Hirsch. Das ermöglicht Studierenden im Master-studiengang, bei ihrer Ausbildung Cam-postprozessoren für komplexe Werkzeugmaschinen zu programmieren.
Studierende am Umwelt-campus entwickelten einen Editor zur Steuerung des digitalen Zwillings einer echten Werkzeugmaschine in der 3D-simulation in NX CAM. Er bietet eine Online-hilfe und einen Postprozessor für die Common Simulation Engine (CSE) in NX CAD/CAM. Die Studierenden haben ein auf NX basierendes Softwaretool entwickelt, mit dem Ausbildungseinrichtungen kompatibles Wissen vermitteln können. Es ermöglicht das Programmieren und Simulieren von Cnc-maschinen mit dem Befehlssatz G-code der herstellerneutralen Programmiersprache PAL. Dieses Plugin für NX hat ein großes Nutzenpotenzial in der Cnc-ausbildung für Maschinenführer im dualen Bildungssystem.
Die Grenzen der Cam-simulation verschieben
NX CAM wird neben dem Erzeugen von Programmen für Nc-maschinen auch zum Simulieren des Verhaltens komplexer Maschinen verwendet. Sie dient der Kollisionsvermeidung, dem Sicherstellen eines sicheren, ausschussfreien Betriebs und der Überprüfung der Zerspanungsleistung in
einem virtuellen Prozess. NX wird in der Produktentstehung zum Aufbau einer virtuellen Umgebung genutzt, die den Betrieb unabhängig von der verwendeten Hardware macht. Das versetzt Studierende und Lehrende am Umwelt-campus in die Lage, die Grenze zwischen Softwaremodellen und der Realität dort zu ziehen, wo sie am besten zur jeweiligen Aufgabenstellung passt. Die Ergebnisse solcher Forschungs- und Entwicklungsarbeiten führen manchmal zum Entstehen neuer Softwareprodukte.
Mit dem NX Mechatronics Concept Designer haben Studierende am Umwelt-campus in einem interdisziplinären Projekt eine physikbasierte Prozesssimulation mit einer virtuellen Steuerung Simatic S7-PLCSIM von Siemens verbunden. Hierbei mussten Sensoren und Aktoren sowie das Steuern und Überwachen von deren Zeitverhalten definiert werden. Die Sps-simulation und Physiksimulation tauschen permanent Daten aus, was den Weg zu einer Komplettsimulation unter Verwendung der digitalen Zwillinge von Mechanik und Steuerung der Maschine ebnete. Mit dieser können die Projektteilnehmer Fehler frühzeitig erkennen und eliminieren, ohne teure Prototypen bauen zu müssen.
Realistischere Simulationen
In einem anderen Projekt schufen Studierende durch Integration des virtuellen Nckerns (VNCK) für die Nc-code-simulation in NX CAM eine Maschinensimulation von Nc-code. Diese Integration ermöglicht realistischere Simulationen als andere Methoden ohne VNCK, wie die Common Simulation Engine (CSE). NX CAM bietet die Benutzerschnittstelle der Sinumerikncsteuerungssoftware in der Simulationsumgebung. Das erleichtert das Erzeugen von Nc-programmen aus 3D-modellen mit NX CAM in der digitalen Prozesskette. Dennoch erfüllte es nicht die hohen Erwartungen des Umwelt-campus, berichtet Hirsch: „Wir erweiterten die Simulationsmöglichkeiten. Diese beinhalten nicht nur die Bildschirminhalte, sondern auch mechanische Bedienelemente wie Knöpfe oder Tasten. Diese Erweiterung ermöglicht maschinenidentes Bedienen und Beobachten.“
Additive Fertigung voll kompatibel integriert
In der additiven Fertigung wird die Teilegeometrie meist durch Stereolithographie (STL) Dateien repräsentiert. Diese beschreiben nur die Oberflächengeometrie dreidimensionaler Objekte ohne Darstellung von Farbe, Struktur oder anderer Attribute von Cad-modellen. Sie basieren auf Formbeschreibungen von Dreiecken, sodass ihre Verwendung bei runden Oberflächen zu suboptimalen Ergebnissen führt. Zudem werden die erforderlichen Stützstrukturen meist erst durch die Software der additiven Fertigungsmaschine erzeugt. Diese Daten können daher nicht für andere Zwecke wiederverwendet werden. Fem-festigkeitssimulationen wären jedoch realistischer, da die verwendeten Volumenmodelle auch die Stützstrukturen enthalten würden.
Als Masterarbeit programmierten Studierende am Umwelt-campus in NX eine Applikation zum automatischen Erzeugen der Stützstrukturen für Teile, die mittels additiver Fertigung produziert werden. Ziel war es, die Datendurchgängigkeit der Software zu nutzen, um Techniken der additiven Fertigung und der spanabhebenden Bearbeitung zu kombinieren. Die Applikation ermöglicht das Produzieren vollkommen runder Formen und das Einbeziehen aller Attribute von Cad-modellen. Darüber hinaus stehen sämtliche teilebezogenen Daten für das spätere Arbeiten an den digitalen Zwillingen zur Verfügung.
Eine Anwendung dieser Applikation war der Bau einer hybriden Maschine für die konventionelle und additive Fertigung. Diese verwendet einen Sechsachs-roboter, der mit einem Extruder für den 3D-druck und einer Spindel für die anschließende Bearbeitung ausgestattet wurde. Die Nc-programme für diese unkonventionelle Produktionsanlage werden ausschließlich mit NX CAM erzeugt und simuliert und anschließend in die Robotersteuerung übertragen.
Konsistentes Datenmodell mithilfe von NX
„Wenn wir die individualisierte Massenproduktion als Ziel von Industrie 4.0 anstreben, können wir verschiedene Produktionsverfahren nicht getrennt betrachten. NX gibt uns das konsistente Datenmodell, das wir benötigen, um ihre Stärken zu kombinieren“, erklärt Hirsch. Neben NX sind noch weitere Lösungen von Siemens Digital Industries Software im Einsatz. Dazu zählen Teamcenter, Simcenter, Rulestream, Intosite und das Tecnomatix-portfolio.
Die durchgängige Verwendung von NX als zentrales Softwaretool für die Maschinenbauausbildung gilt als Hauptvorteil für die Studierenden. Professor Peter Gutheil,
Dekan des Fachbereichs Umweltplanung/ Umwelttechnik am Umwelt-campus Birkenfeld, erklärt hierzu: „Unsere Absolventen sind mit der Spitzentechnologie vertraut, die sie in ihrem Arbeitsleben nutzen werden. Ihre künftigen Arbeitgeber profitieren von ihrer Fähigkeit, bestehende Industrieanlagen in die Konzepte von Industrie 4.0 zu integrieren.“