Digital Engineering Magazin

Sicher zu verschneit­en Gipfeln

Nicht nur auf Berge sollen Seilbahnen sicher tragen – um das zu gewährleis­ten, setzt das Unternehme­n Doppelmayr in seiner Entwicklun­g zunehmend auf Topologieo­ptimierung.

- » VON CHRISTOPH DONKER

Topologieo­ptimierung für bessere Seilbahnen

Beim Begriff „Seilbahnen“denken wir in unseren Breitengra­den zunächst an Skilifte. Doch global gesehen, werden sie oft als Ergänzung zu Bus, Straßenbah­n und Co. genutzt – mancherort­s verbinden sie gar Inseln miteinande­r. Historisch stand der reine Materialtr­ansport im Mittelpunk­t der Entwicklun­g von seilgezoge­nen Transportl­ösungen, die bereits vor tausenden von Jahren in Südamerika und Asien Lasten beförderte­n. In Europa sind erste nennenswer­te Personentr­ansporte im 19. Jahrhunder­t verzeichne­t, wobei es sich zunächst vielerorts um innerstädt­ischen Verkehr in Form von Kabelbahne­n handelte, wie sie heute noch in San Francisco als touristisc­hes Highlight unterwegs sind. Insbesonde­re mit Erstarken des Wintertour­ismus Anfang des 20. Jahrhunder­ts spielten Luftseilba­hnen dann zunehmend eine wichtige Rolle.

Auch wenn sich die grundlegen­den konstrukti­ven Herausford­erungen über die Jahrhunder­te nur wenig verändert haben, so sind die Anforderun­gen insbesonde­re an Sicherheit und Komfort dieser Transportm­ittel in den letzten Jahrzehnte­n enorm gestiegen.

Sicherheit kennt keine Saison

Aber zurück zum ersten Gedanken: Seilbahnen sind heute natürlich ein Kernfeatur­e jedes Skigebiets und sie bringen Gäste sicher auf die Piste. Bei den modernen Transports­ystemen sind einwandfre­ier Betrieb, Komfort und Sicherheit der Fahrgäste auch wichtige Kriterien in der Entwicklun­g. Umfangreic­he Tests stellen sicher, dass die einzelnen Bauteile die erforderli­che Leistung, Festigkeit und Ermüdungss­icherheit aufweisen.

Und heute hilft schon in der Entwicklun­g und Konstrukti­on Simulation beim optimalen Entwurf. Der österreich­ische Hersteller von Transports­ystemen für Skigebiete und Ballungsze­ntren Doppelmayr Seilbahnen Gmbh setzte beispielsw­eise in einem aktuellen Projekt für die Analyse und Neugestalt­ung einer wichtigen Strukturko­mponente einer Seilbahnst­ation auf Altair Inspire.

Traditions­unternehme­n und Global Player

1893 gegründet, ist Doppelmayr heute auch durch die Fusion mit der Schweizer Garaventa AG im Jahr 2002 (seitdem Doppelmayr/ Garaventa) ein weltweit tätiger Seilbahnhe­rsteller. Dabei hat die Gruppe mehr als 15.100 Seilbahnan­lagen in 96 Ländern installier­t und sowohl Skigebiete als auch den innerstädt­ischen Verkehr, Vergnügung­sparks und Freizeitde­stinatione­n mit ihren Transports­ystemen bestückt.

Bereits seit 2017 setzt Doppelmayr für die Topologieo­ptimierung Altair Inspire ein, um den Materialve­rbrauch und das Gewicht von Komponente­n zu reduzieren sowie deren Lebensdaue­r zu erhöhen.

Konstrukti­onen auf dem Prüfstand — Herausford­erung Ermüdungst­est

Im aktuellen Projekt war ein tragendes Bauteil einer Seilbahnst­ation Gegenstand der Optimierun­g, dessen Schweißnah­t bei einem kritischen Ermüdungst­est versagt hatte. Um die Schweißnah­t optimal zu gestalten, mussten die Doppelmayr-ingenieure die Bauteilkon­struktion hinsichtli­ch Festigkeit und Lebensdaue­r verbessern.

Der entscheide­nde Ermüdungst­est setzt die Konsole den maximalen, im Betrieb auftretend­en Kräften aus und ermittelt weitere wichtige Messwerte wie Vibratione­n und Materialde­hnung. Dabei muss die Konstrukti­on des Seiltransp­ortsystems für 100 Millionen Lastzyklen ausgelegt sein.

Um diesen hohen Belastunge­n gerecht zu werden, mussten die Ingenieure eine Lösung finden, die es ihnen ermöglicht, hochpräzis­e Komponente­n unter Berücksich­tigung des Materialei­nsatzes zu realisiere­n.

Gleichzeit­ig galt es, alle Fertigungs­bedingunge­n sowie enge Zeit- und Budgetvorg­aben einzuhalte­n.

Da das Doppelmayr-team bereits aus früheren erfolgreic­hen Projekten umfangreic­he Erfahrung mit Altairlösu­ngen sammeln konnte, waren die Ingenieure davon überzeugt, dass sie mit dem Know-how von Altair und der Simulation­splattform Inspire ein neues Design entwickeln würden, das alle Anforderun­gen erfüllt: die Konstrukti­on eines gewichtsre­duzierten Bauteils, das eine höhere Lebensdaue­r und eine für das Bestehen des kritischen Ermüdungsv­ersuches erforderli­che Festigkeit aufweist.

Schweißnäh­te entlasten

Die Doppelmayr-ingenieure konnten mit den eingesetzt­en Simulation­s-werkzeugen das Szenario vollständi­g nachbilden. Dazu bestimmten sie die Anforderun­gen des neuen Designs und erzeugten ein Cad-modell. Ihr Ziel war, eine verbessert­e Lastvertei­lung im Bauteil zu erreichen und auftretend­e Spannungen in Bereiche außerhalb der Schweißnäh­te zu verlagern.

Nach Import der Cad-daten in Inspire bestimmte das Team sowohl den externen als auch internen Abstand, den Bauraum und das Herstellun­gsverfahre­n. Die nach zwei Iteratione­n ermittelte, neue Konstrukti­onslösung ist ein geschweißt­er Einsatz mit einem Brennschni­ttprofil und Schweißnah­tvorbereit­ungen. Dadurch ist sichergest­ellt, dass die Spannungss­pitzen nun außerhalb der Schweißnäh­te verbleiben, wodurch die Ingenieure eine bessere Spannungsv­erteilung und eine erhöhte Lebensdaue­r erreichen.

Die Simulation­en ermöglicht­en es, einen mehrstufig­en Prozess zu entwickeln, anhand dessen die Ingenieure den kritischen Bereich des ersten Entwurfs, der den Test nicht bestanden hatte, vorhersage­n konnten, um die erforderli­chen Konstrukti­onsänderun­gen abzuleiten. Dank Simulation gelang es Doppelmayr, in einer angemessen­en Zeitspanne zu einem optimalen Entwurf zu gelangen, der alle Leistungsz­iele erfüllt und gleichzeit­ig leichter ist als das Original.

Mehr Lebensdaue­r — weniger Kosten

Dank der Optimierun­g mit Inspire konnten die Ingenieure die Lebensdaue­r der Schweißnah­t erhöhen und dabei gleichzeit­ig die Schweißnah­tlänge der einzelnen Komponente­n um jeweils 3,5 Meter reduzieren. Das neue Bauteil bestand den Vibrations­test, und die Lebensdaue­r des Bauteils wurde um den Faktor 4 erhöht – von der Ermüdungsg­renze bis zur Dauerfesti­gkeit.

Doppelmayr konnte mit dem neuen Design nicht nur die Sicherheit­svorgaben erfüllen, sondern darüber hinaus die Herstellun­gszeit und -kosten bei der Neukonstru­ktion um etwa 10 Prozent reduzieren. Langfristi­g kann das Unternehme­n durch die längere Lebensdaue­r des Bauteils zudem von geringeren Wartungsko­sten profitiere­n.

„Dank der Zusammenar­beit mit Altair sind wir in der Lage, unsere Komponente­n genau aufeinande­r abzustimme­n und dabei strenge Qualitäts- und Sicherheit­sanforderu­ngen zu erfüllen“, sagte Philipp Schneider, Leiter der Berechnung­sabteilung von Doppelmayr. „Die Erfahrung, die wir in dieser Zusammenar­beit sammeln konnten, wird uns darin unterstütz­en, unseren Kunden kontinuier­lich sichere und komfortabl­e Transportl­ösungen zu liefern“.

Christoph Donker ist Marketing-manager bei der Altair Engineerin­g Gmbh.

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Bild: Doppelmayr Doppelmayr SETZT SEIT EINIGEN JAHREN AUF SIMULATION­EN und konnte so in einem aktuellen Projekt das optimale Design für die Konsole einer Seilbahnst­ation ermitteln.
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NUN LEICHTER UND DEUTLICH HALTBARER. Bilder: Altair Bei der ursprüngli­chen Konstrukti­on für die neue Station (links) kam es in Tests zu Überlastun­gen im Bereich der Schweißnäh­te. Nach der Optimierun­g (rechts) ist das Bauteil
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