Sicher zu verschneiten Gipfeln
Nicht nur auf Berge sollen Seilbahnen sicher tragen – um das zu gewährleisten, setzt das Unternehmen Doppelmayr in seiner Entwicklung zunehmend auf Topologieoptimierung.
Topologieoptimierung für bessere Seilbahnen
Beim Begriff „Seilbahnen“denken wir in unseren Breitengraden zunächst an Skilifte. Doch global gesehen, werden sie oft als Ergänzung zu Bus, Straßenbahn und Co. genutzt – mancherorts verbinden sie gar Inseln miteinander. Historisch stand der reine Materialtransport im Mittelpunkt der Entwicklung von seilgezogenen Transportlösungen, die bereits vor tausenden von Jahren in Südamerika und Asien Lasten beförderten. In Europa sind erste nennenswerte Personentransporte im 19. Jahrhundert verzeichnet, wobei es sich zunächst vielerorts um innerstädtischen Verkehr in Form von Kabelbahnen handelte, wie sie heute noch in San Francisco als touristisches Highlight unterwegs sind. Insbesondere mit Erstarken des Wintertourismus Anfang des 20. Jahrhunderts spielten Luftseilbahnen dann zunehmend eine wichtige Rolle.
Auch wenn sich die grundlegenden konstruktiven Herausforderungen über die Jahrhunderte nur wenig verändert haben, so sind die Anforderungen insbesondere an Sicherheit und Komfort dieser Transportmittel in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen.
Sicherheit kennt keine Saison
Aber zurück zum ersten Gedanken: Seilbahnen sind heute natürlich ein Kernfeature jedes Skigebiets und sie bringen Gäste sicher auf die Piste. Bei den modernen Transportsystemen sind einwandfreier Betrieb, Komfort und Sicherheit der Fahrgäste auch wichtige Kriterien in der Entwicklung. Umfangreiche Tests stellen sicher, dass die einzelnen Bauteile die erforderliche Leistung, Festigkeit und Ermüdungssicherheit aufweisen.
Und heute hilft schon in der Entwicklung und Konstruktion Simulation beim optimalen Entwurf. Der österreichische Hersteller von Transportsystemen für Skigebiete und Ballungszentren Doppelmayr Seilbahnen Gmbh setzte beispielsweise in einem aktuellen Projekt für die Analyse und Neugestaltung einer wichtigen Strukturkomponente einer Seilbahnstation auf Altair Inspire.
Traditionsunternehmen und Global Player
1893 gegründet, ist Doppelmayr heute auch durch die Fusion mit der Schweizer Garaventa AG im Jahr 2002 (seitdem Doppelmayr/ Garaventa) ein weltweit tätiger Seilbahnhersteller. Dabei hat die Gruppe mehr als 15.100 Seilbahnanlagen in 96 Ländern installiert und sowohl Skigebiete als auch den innerstädtischen Verkehr, Vergnügungsparks und Freizeitdestinationen mit ihren Transportsystemen bestückt.
Bereits seit 2017 setzt Doppelmayr für die Topologieoptimierung Altair Inspire ein, um den Materialverbrauch und das Gewicht von Komponenten zu reduzieren sowie deren Lebensdauer zu erhöhen.
Konstruktionen auf dem Prüfstand — Herausforderung Ermüdungstest
Im aktuellen Projekt war ein tragendes Bauteil einer Seilbahnstation Gegenstand der Optimierung, dessen Schweißnaht bei einem kritischen Ermüdungstest versagt hatte. Um die Schweißnaht optimal zu gestalten, mussten die Doppelmayr-ingenieure die Bauteilkonstruktion hinsichtlich Festigkeit und Lebensdauer verbessern.
Der entscheidende Ermüdungstest setzt die Konsole den maximalen, im Betrieb auftretenden Kräften aus und ermittelt weitere wichtige Messwerte wie Vibrationen und Materialdehnung. Dabei muss die Konstruktion des Seiltransportsystems für 100 Millionen Lastzyklen ausgelegt sein.
Um diesen hohen Belastungen gerecht zu werden, mussten die Ingenieure eine Lösung finden, die es ihnen ermöglicht, hochpräzise Komponenten unter Berücksichtigung des Materialeinsatzes zu realisieren.
Gleichzeitig galt es, alle Fertigungsbedingungen sowie enge Zeit- und Budgetvorgaben einzuhalten.
Da das Doppelmayr-team bereits aus früheren erfolgreichen Projekten umfangreiche Erfahrung mit Altairlösungen sammeln konnte, waren die Ingenieure davon überzeugt, dass sie mit dem Know-how von Altair und der Simulationsplattform Inspire ein neues Design entwickeln würden, das alle Anforderungen erfüllt: die Konstruktion eines gewichtsreduzierten Bauteils, das eine höhere Lebensdauer und eine für das Bestehen des kritischen Ermüdungsversuches erforderliche Festigkeit aufweist.
Schweißnähte entlasten
Die Doppelmayr-ingenieure konnten mit den eingesetzten Simulations-werkzeugen das Szenario vollständig nachbilden. Dazu bestimmten sie die Anforderungen des neuen Designs und erzeugten ein Cad-modell. Ihr Ziel war, eine verbesserte Lastverteilung im Bauteil zu erreichen und auftretende Spannungen in Bereiche außerhalb der Schweißnähte zu verlagern.
Nach Import der Cad-daten in Inspire bestimmte das Team sowohl den externen als auch internen Abstand, den Bauraum und das Herstellungsverfahren. Die nach zwei Iterationen ermittelte, neue Konstruktionslösung ist ein geschweißter Einsatz mit einem Brennschnittprofil und Schweißnahtvorbereitungen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Spannungsspitzen nun außerhalb der Schweißnähte verbleiben, wodurch die Ingenieure eine bessere Spannungsverteilung und eine erhöhte Lebensdauer erreichen.
Die Simulationen ermöglichten es, einen mehrstufigen Prozess zu entwickeln, anhand dessen die Ingenieure den kritischen Bereich des ersten Entwurfs, der den Test nicht bestanden hatte, vorhersagen konnten, um die erforderlichen Konstruktionsänderungen abzuleiten. Dank Simulation gelang es Doppelmayr, in einer angemessenen Zeitspanne zu einem optimalen Entwurf zu gelangen, der alle Leistungsziele erfüllt und gleichzeitig leichter ist als das Original.
Mehr Lebensdauer — weniger Kosten
Dank der Optimierung mit Inspire konnten die Ingenieure die Lebensdauer der Schweißnaht erhöhen und dabei gleichzeitig die Schweißnahtlänge der einzelnen Komponenten um jeweils 3,5 Meter reduzieren. Das neue Bauteil bestand den Vibrationstest, und die Lebensdauer des Bauteils wurde um den Faktor 4 erhöht – von der Ermüdungsgrenze bis zur Dauerfestigkeit.
Doppelmayr konnte mit dem neuen Design nicht nur die Sicherheitsvorgaben erfüllen, sondern darüber hinaus die Herstellungszeit und -kosten bei der Neukonstruktion um etwa 10 Prozent reduzieren. Langfristig kann das Unternehmen durch die längere Lebensdauer des Bauteils zudem von geringeren Wartungskosten profitieren.
„Dank der Zusammenarbeit mit Altair sind wir in der Lage, unsere Komponenten genau aufeinander abzustimmen und dabei strenge Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zu erfüllen“, sagte Philipp Schneider, Leiter der Berechnungsabteilung von Doppelmayr. „Die Erfahrung, die wir in dieser Zusammenarbeit sammeln konnten, wird uns darin unterstützen, unseren Kunden kontinuierlich sichere und komfortable Transportlösungen zu liefern“.
Christoph Donker ist Marketing-manager bei der Altair Engineering Gmbh.